Warren Beatty, Alexandra Stewart, Hurd Hatfield, Franchot Tone, Teddy Hart
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Detroit, Michigan: Ein populärer Komödiant und Sänger (Warren Beatty) führt an der Seite eines aufreizenden Mädchens (Donna Michelle) ein leichtes und luxuriöses Leben. Dass der Nachtclub seines Chefs Ruby Lapp (Franchot Tone) zugleich einem Verbrechersyndikat als Ort der Geschäfte dient, bekommt er zwar hin und wieder mit, doch tröstet ihn der flotte Lebensstil darüber hinweg. Eines Nachts legen ihn das Mädchen und die Schergen des Syndikats herein. Der betrunkene und spielsüchtige Komödiant verliert im Casino einen enorm hohen Einsatz und kann sich später an kaum etwas erinnern. Als er Ruby Lapp zur Rede stellt, wird ihm klar, dass die Schuld jenseits der 20.000 US-Dollar liegen muss. Er und sein Leben gehören nicht mehr ihm selbst, er ist mit Haut und Haar Eigentum des Syndikats. Von Panik erfasst, ergreift er die Flucht, verbrennt und vergräbt kurzerhand alle Dokumente, die seine Identität bezeugen. Völlig mittellos fährt er mit dem Zug nach Chicago. Der vormals elegante, inzwischen heruntergekommen und stets dem Whisky zugeneigte Lebemann springt aus dem noch fahrenden Güterwaggon. Er landet auf einem Schrottplatz, wo soeben die Polizei rekonstruiert, wie ein zum Gerichtsprozess geladener Zeuge in einem Autowrack von einer Stahlpresse zum völligen Verschwinden gebracht wurde. Als er davonläuftt, wird er von einem Künstler (Kamatari Fujiwara) erspäht, der dort mit einem Pferdewagen steht. Aber der Ankömmling flieht, bis er inmitten der Großstadt die New Life Mission erreicht…
Jenny Drayton: “What are you guilty of?” - Mickey One: “I'm guilty of not being innocent.” Jede Generation hat ihre jeweils eigenen Filme, die deren Sicht auf das Leben in seiner Komplexität mitprägen. Mickey One ist signifikant für die Art Film, die bei mir solche Saite zum Klingen bringt, obwohl ich ihn als junger Mensch nie zu sehen bekam. Trotz seines populären Regisseurs und eines seit Elia Kazans Fieber im Blut (USA 1961) auf Hauptrollen abonnierten jungen Warren Beattys blieb der vom Film Noir und von der Nouvelle Vague Frankreichs beeinflusste Film eine Ausnahmeerscheinung des US-amerikanischen Filmschaffens seiner Zeit, der er deutlich voraus war. In Deutschland lief er gar nicht im Kino und hatte erst 1970 seine Premiere im hiesigen Fernsehen, doch war er zu dem Zeitpunkt längst wieder vergessen. Wenn man bedenkt, in welchem Umfang um das Jahr 1965 Musiker wie Bob Dylan und Miles Davis, Autoren wie James Baldwin und Thomas Pynchon oder Filmschaffende wie Stanley Kubrick, Jean-Luc Godard und Frederico Fellini die Gegenwartskultur mit ihren Werken prägten, hätte Mickey One darin sofort seinen Platz finden müssen. Stattdessen lief der Film nur kurz im Kino und war als obskures Wagnis einer stets im Geist der 50er Jahre verhafteten Betriebskultur der Filmstudios in Hollywood schnell ad acta gelegt. Als Rollencharakter “Mickey One“ ist Warren Beatty ein Mann auf der Flucht, ein zutiefst der Paranoia seines Zeitalters im Umbruch verfallener Charakter, nicht weit von James Garner als "Mister Buddwing" in Delbert Manns Gesicht ohne Namen (USA 1966), dessen Protagonist sich seinen Namen ebenfalls selbst gibt.
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© Sony Pictures Home Entertainment
”Penn may have been decades ahead of his time in depicting an urban America as gallery of paranoia, cynicism and loneliness”, schrieb Peter Stack für den San Francisco Chronicle, als Mickey One 1995 im Zuge einer Retrospektive namens From Hollywood to Hell: The Dark Side of Show Business - aufgeführt im legendären Castro Theatre - neu entdeckt wurde. Dass heutigentags dort das Film-Noir-Festival Noir City jährlich seine neuste Auflage feiert, scheint mir kein Zufall. Stacks Beschreibung könnte in seiner Wortwahl als eine der zentralen Themen klassischen Film Noirs der Spätvierziger herhalten. Warren Beatty und Alexendra Stewart sind in ihren Rollen jeweils grandios. Der Film lebt von seinen teils bizarren, immer auch lebenssatten Charakteren, aber solche sind nicht allein Männer. Alexandra Stewart ist als Jenny Drayton, ihrerseits eine Außenseiterin, in der Interpretation solcher Rolle ebenso exakt, wie Kamatari Fujiwara (Zwischen Himmel und Hölle, JPN 1963) als Künstler in einer Schlüsselfunktion des Films geradezu jenseitig wirkt. Mickey One ist ein Film voller Überraschungen, indem er sich nicht mit der Banalität einer Auflösung des vermeintlichen Rätsels abgibt, sondern das Rätsel als eines unter vielen anderen spiegelt. In der Entwicklung und im Finale ein für meine Begriffe großartiger Film, der nach wiederholtem Genuss verlangt und einiges zu bieten hat, was dem heutigen Kinoschaffen über weite Strecken fehlt. Eine zweite Ebene von Bedeutung ist die Musik Eddie Sauters in der Interpratation durch Stan Getz. Der Jazz ist hier das tonale Äquiavalent des Blickwinkels von Arthur Penn, welcher zwei Jahre später mit Bonnie und Clyde (USA 1967) seine Zusammenarbeit mit Warren Beatty erfolgreich fortsetzte.
Erstklassige DVD-Edition (2011) der Sony Pictures Home Entertainment in deren DVD-on-Demand-Serie Columbia Classics mit dem Film bild- und tontechnisch topp restauriert, den original englischen Ton ohne Untertitel und ohne Extras. Unbedingt ansehen.