Baltasar Kormákur, Hera Hilmar, Gísli Örn Garðarsson, Ingvar Eggert Sigurðsson, Joi Johannsson
© Alamode Film
Reykjavik, Island: Der in mittleren Jahren befindliche Finnur (Baltasar Kormákur) ist ein erfolgreicher Herzchirurg. Mit dem Kollegen Halldór (Ingvar Eggert Sigurðsson) sieht er sich per Ultraschall das Herz eines Patienten an und entscheidet sich gegen eine Operation… Finnurs Vater Kjartan Finnsson, einst ein bekannter Unternehmer und Parlamentarier, ist kürzlich gestorben und der Sohn muss sich um den Nachlass kümmern. Der Alte lebte mit seinen Pferden einsam in einem außerhalb der Stadt gelegenen Haus. Die Ponys sind, was Finnur als erstes veräußert. Im Haus des Vaters nimmt er ein Jagdgewehr von der Wand, so ziemlich das einzige, was er vom Hausstand behalten möchte. Finnurs Frau Sólveig (Margrét Bjarnadóttir) zieht im verschneiten Garten die Wäsche von der Leine, und Finnur bedankt sich bei ihr für die fürsorgliche Hilfe. Halldór kommt an, er ist verspätet, doch hilft er seinem Kollegen und Freund Finnur, ein altes Auto Kjartan Finssons in die Werkstatt zu schleppen. Dessen Inhaber und Mechaniker Gulli (Porsteinn Gunnarsson) macht mit dem Chirurgen aus, dass er die Reparatur besser an der Steuer vorbei begleiche… Beim Festakt in der Kirche kommt Anna (Hera Hilmar), Finnurs Tochter mit seiner ersten, heute in den USA lebenden Frau, zu spät, weil sie angeblich verschlafen habe. Als Sólveig sie nach dem Gottesdienst darauf anspricht, reagiert Anna sofort gereizt und fühlt sich angegriffen. Sie steigt zu ihrem deutlich älteren Freund Freund Óttar (Gísli Örn Garðarsson) ins Auto und fährt davon…
Mit seinem Neo Noir Der Eid, einem unterkühlten und zunehmend düsteren (Rache-) Thriller, kehrt der isländische Autor, Regisseur und Schauspieler Baltasar Kormákur auf jenes Terrain zurück, das er bereits vor über 10 Jahren in seiner Heimat mit Erfolg beackerte. Sowohl A Little Trip To Heaven (ISL/USA 2005) als auch Jar City (ISL/GER/DNK 2006) waren als Filmwerke von internationalem Rang zugleich Neo-Noir-Thriller, deren thematische und formale Ausrichtung vieles von dem neuen Werk vorwegnahm. In Jar City spielt Ingvar Eggert Sigurðsson den Polizeikommissar Erlendur Sveinsson, dessen Tochter (Ágústa Eva Erlendsdóttir) genau wie Anna in Kreise von Gangstern und Drogenhändlern abzudriften droht. In A Little Trip To Heaven ist es der Mann (Jeremy Renner) der gleichermaßen bedrohten Isold (Julia Stiles), der sich als überaus gefährlicher Gegenspieler entpuppt. Das ist, worauf es auch in Der Eid nach den ersten 30 Minuten hinausläuft, auf das Duell zwischen Finnur und Óttar, bei dem Finnur anfangs übereilt tatkräftig und fast naiv zu handeln scheint. Denn Óttar ist skruppellos und gewaltbereit, seine Jugend und Physis scheinen ihm Überlegenheit zu verleihen. Doch Finnurs Kraft lauert im Verborgenen, er ist ein Ausdauersportler und seitens seines Berufs an exakte Planung und Kalkulation gewöhnt. Als sich die Krise für ihn und seine Familie zuspitzt, vor der Óttar im Fortgang einer Erpressung nicht haltmacht, greift Finnur, der einem Zug seitens des Gegners zuvorkommen will, zu drastischen Mitteln, die für alle Beteiligten keine Umkehr und keine Rücksichtnahme mehr zulassen. Ging es eingangs um Anna, geht es für Finnur jetzt ums Überleben seiner Familie.
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Nachdem er zwischen 2010 und 2015 in und für Hollywood mehrere Thriller und auch Blockbuster drehte, lässt sich Baltasar Kormákur in Der Eid nicht die Butter vom Brot nehmen und inszeniert den Rachefeldzug seines Familienvaters Finnur mit einer bitterbösen Konsequenz. Vor allem im letzten Drittel sind seine Taten von einer weit jenseits aller moralischen Prinzipien angesiedelten Grausamkeit, so dass man auch als Zuschauer nicht zartbesaitet und zimperlich sein sollte, denn Finnur ist es sicher nicht. Das Monster, so die Botschaft, lauert in uns allen, und es hat stets die nette Papastimme und dessen fürsorgliches Arztgesicht, auch wenn es bei der Arbeit ist. Dafür hätte ich mir bei der Charakterzeichnung jedoch mehr Sorgfalt gewünscht. Indessen Óttar und Anna in ihrer jeweiligen Schlichtheit und in ihrer Zweisamkeit gut ausgeleuchtet werden, bleibt der verschlossene Finnur (auch) für den Zuschauer unzugänglich. Da vor allem er im Zentrum des Werks steht, erscheint er mir am Ende allzu unerschütterlich und selbstgerecht, denn den Eid des Hippokrates, dem der Film seinen Namen verdankt, den hat er gebrochen. Auch Ehefrau Sólveig, der Kollege Halldór und die Polizeibeamten bleiben im Hintergrund, singen immer die gleichen Töne, was ich bei einer Laufzeit von 110 Minuten bedauerlich fand. Trotzdem ist die Dramaturgie im letzten Drittel noch halbwegs stimmig; auch das Ende setzt einen Punkt jenseits der üblichen Klischees. Als US-Film wäre Der Eid zu guter Letzt verwässert worden, soviel scheint sicher. Damit ist er als Nordic Noir für dessen Liebhaber grundsätzlich zu empfehlen, wäre auch mit Blick aufs Drehbuch noch deutlich mehr drin gewesen.
Erklassige BD- und DVD-Editionen (2017) von Alamode Films mit dem Film ungekürzt im Originalformat, die original isländische Tonspur und die deutsche Kinosynchronisation (mit einer für Finnur zu weichen Stimme), optional deutsche Untertitel, obendrein den deutschen Kinotrailer und ein Making Of als Extras - im Übrigen das erste Making Of seit Jahren, das ich mir von A bis Z angeschaut habe. Empfehlenswert!
Ein spannender Island-Krimi, der im Winter spielt, das Eis des Landes atmosphärisch voll mit einbezieht und mit einem diskussionswürdigen Ende aufwartet. Die Familie des Gehirnchirurgen Finnur (Regisseur Baltasar Kormakur) wird erschüttert, als Tochter Anna (Hera Hilmar) drogenabhängig wird und sich in den Dealer Ottar (Gisli Öm Gardarsson) verliebt. Vater Finnur kidnappt Ottar, hängt ihn an einen Tropf und pumpt ihn vorübergehend voller Drogen. Als der sich befreit, muss Finnur ihn erschlagen. Der Chirurg pendelt zwischen Leben retten und Leben zerstören hin und her. Er muss geordnete Verhältnisse vortäuschen und den Kontakt zu Anna aufrechterhalten. Die Polizei kann Finnur nur schwerlich ein Verbrechen nachweisen und die Beziehung zu seiner Tochter bleibt am Ende wohl auf der Strecke. Der Vater wollte nur das Beste für sie, gerät aber in eine Gewaltspirale, in der er selbst zum Täter wird.
Regisseur Kormakur lässt mit eisigen Bildern die Zuschauer trotz heißer Action die Kälte des Nordens spüren und verzichtet auf eine Wertung. Der brachiale Kampf mit dem Dealer wird auch zu einer Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter. Ein ungewöhnlicher Plot, in dem ein Chirurg seine fachliche Kompetenz nutzt, um den Bösewicht auszuschalten. Damit wird sein geleisteter Eid des Hippokrates zum Meineid.