Tödliches Geheimnis

NOIR CITY 21 - Oakland 2024



Psychologische Verteidigung


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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Mine Own Executioner
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1947
Darsteller

Burgess Meredith, Kieron Moore, Dulcie Gray, Christine Norden, Barbara White

Regie
Anthony Kimmins
Farbe
s/w
Laufzeit
104 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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London: In der Emily Ward Psychiatric Clinic führt dessen Direktor Dr. Norris Pile (Walter Fitzgerald) den potentiellen Sponsor Sir George Freethorne (Edgar Norfolk) durch die Institution. Sir George ist nur gewillt, medizinische Einrichtungen zu unterstützen, und so ist Pile bemüht, ihm die Notwendigkeit der Psychotherapie durch ausgebildete Analytiker als Bestandteil einer medizinischen Grundversorgung nahezubringen. Doch als sie den erfahrenen Psychotherapeuten Felix Milne (Burgess Meredith) in seiner Therapiesitzung mit dem kleinen Charlie Oaks konsultieren wollen, schneidet jener ihnen das Wort ab und komplementiert sie zur Tür hinaus. Später erwähnt Milne gegenüber seinen Kollegen Dr. James Garsten (John Laurie) und Dr. Hans Tautz (Martin Miller) den Besuch Freethornes, und sie geben zu verstehen, dass die Klinik vor allem bessere Therapeuten bräuchte. Obwohl Milne keinen Doktortitel führt, halten sie gerade ihn für den besten und erfahrensten unter ihren Kollegen. Felix Milne verabschiedet sich nach Haus, wo er in einem Praxiszimmer am Nachmittag Privatpatienten empfangen wird, ohne deren Honorare er nicht überleben könnte. Nachdem mit Lady Mansfield (Helen Haye) die letzte Patientin gegangen ist, meldet ihm seine Helferin Miss English (Gwynne Whitby) Mrs. Molly Lucian (Barbara White) an, deren später Termin auf eine Vereinbarung mit seiner Ehefrau Patricia (Dulcie Gray) zurückgehe. Milne ist erschöpft und enerviert, er begibt sich hinüber in seine Wohnung zu Pat…

 

“Do I have to take off my clothes, or anything?” – “Not unless you’d feel more comfortable without them.” Der zugespitzte Humor mancher Dialogzeile kann eingangs darüber hinweg täuschen, dass sich Tödliches Geheimnis in seiner zweiten Hälfte zu einem überaus ernsten und dunklen Drama entwickelt, dessen Grundierung vielen thematischen Bezügen des Film Noirs in den USA entspricht. RAF-Pilot Adam Lucian (Kieron Moore) ist nach einem Jahr in japanischer Gefangenschaft schwer traumatisiert in die Heimat und in seine Ehe zurückgekehrt. Er ist nicht mehr derselbe Mensch, und seine Frau Molly sucht Hilfe bei dem Psychotherapeuten Felix Milne. Mittels Rückblenden werden die Zuschauer zu Zeugen von Lucians Erleben der Gefangenschaft, die vom Therapeuthen dank eines Psychopharmakas aus Tiefen einer teilweisen Amnesie an die Oberfläche geholt wird. Doch hiermit nimmt das Drama überhaupt erst seinen Anfang und genau darin liegt die Qualität des Films. Werke wie Joseph L. Mankiewizc‘ Somewhere In The Night (USA 1946), Curtis Bernhardts Hemmungslose Liebe (USA 1947) oder Rudolph Matés The Dark Past (USA 1948) befassten sich mit den Auswirkungen von (Kriegs-)Traumata als z.B. Amnesie oder mit der Psychopathologie Einzelner, die durch ein intensives Erlebnis aus der Bahn geworfen und zu extremen Handlungen verleitet werden. Tödliches Geheimnis ist das englische Pendant eines solchen Film Noirs durch den Produzenten und Regisseur Anthony Kimmins (Der Täter fährt nach Norden, UK 1952) nach dem gleichnamigen Roman Nigel Balchins (EA 1946), der selbst das Drehbuch verfasste und ein konsequent zupackendes Drama abliefert. Im Vergleich mit Alfred Hitchcocks berühmten Ich kämpfe um dich (USA 1945) besticht Tödliches Geheimnis durch das Bemühen um eine adäquate Darstellung der Möglichkeiten und der Grenzen psychoanalytischer Methoden in der Psychotherapie, deren Darstellung seinerzeit (nicht nur) in dem hier erwähnten Film Hitchcocks zu einer lächerlichen Farce missriet.

 

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“I’m getting old, Felix.“ – “I know, we’re both getting old. We better go out together before we get to the wheel chair stage.” Aber Tödliches Geheimnis beschränkt sich nicht auf eine semidokumentarische Fallstudie, sondern rückt die psychische Disposition seines Protagonisten Felix Milne selbst in den Mittelpunkt, welchen eine seit langem unerfüllt schwelende Leidenschaft für die mit den Eheleuten Milne befreundete Barbara Edge (Christine Norden) heimsucht, die ihrerseits Felix gern geheiratet hätte. Barbara wird für Felix Milne in einer privat und beruflich schwierigen Phase zum verheißungsvollen Ausweg aus einer verfahrenen Lage, die er nicht mehr zu kontrollieren versteht, und tatsächlich spielt die Femme fatale im entscheidenden Augenblick eine Schlüsselrolle… Burgess Meredith war ein exquisiter englischer Schauspieler und all seine Szenen mit Christine Norden (Night Beat, UK 1947) und mit Dulcie Gray sind ein Hochgenuss. Auch sonst ist das Ensemble perfekt gewählt und in der zweiten Hälfte fällt zudem Kameramann Wilkie Cooper positiv auf, wenn er mit Überblendungen oder mit der subjektiven Kamera arbeitet. Das Finale ist wunderbar inszeniert und vollends glaubwürdig. Die insgesamt zehnminütige Schlusssequenz ist leider zuviel des Guten. Wenngleich mit Blick auf den Zeitkontext nachvollziehbar, zeigt sich hier die einzig signifikante Schwäche des Films. Tödliches Geheimnis ist heute fast völlig in Vergessenheit geraten und harrt auf eine Wiederentdeckung und Neubewertung durch eine nachfolgende Generation von Cineasten und Freunden des Film Noirs.

 

Es gibt eine solide restaurierte Fassung dieses Films auf BD und auch auf DVD (jeweils 2015) via Network in England, im Originalformat und ungekürzt, dazu den englischen Ton ohne Untertitel und das Ganze auch ohne Extras. Allemal sehenswert.


Film Noir | 1947 | UK | Anthony Kimmins | Wilkie Cooper | Burgess Meredith | John Stuart | Christine Norden

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