untreue Frau, Die

NOIR CITY 21 - Oakland 2024



Psychologische Verteidigung


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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
La femme infidèle
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA/ITA
Erscheinungsjahr
1969
Darsteller

Stéphane Audran, Michel Bouquet, Michel Duchaussoy, Maurice Ronet, Louise Chevalier

Regie
Claude Chabrol
Farbe
Farbe
Laufzeit
93 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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Der erfolgreiche und begüterte Rechtsanwalt Charles Desvallées (Michel Bouquet) lebt mit seiner Frau Hélène (Stéphane Audran) und seinem Sohn Michel (Stéphane Di Napoli), Musterschüler seiner Klasse, in Jouy-en-Josas, einem Ort südwestlich von Paris in der Nähe von Versailles. Hier bewohnt die Familie ein Landhaus mit prächtigem Garten, erhält Besuch von Hélènes fürsorglicher Mutter (Louise Rioton) in ihrem Mercedes Cabriolet  und wird von der Haushälterin (Louise Chevalier) aufs beste versorgt und bedient. Charles pendelt täglich in seine Kanzlei inmitten der Stadt und nicht selten begleitet ihn Hélène, die in Paris ihre Besorgungen macht, zum Friseur oder auch ins Kino geht. Als sie jedoch in letzter Zeit immer seltener die Zeit findet, sich mit ihm zu treffen oder sich nach Haus mitnehmen zu lassen, zudem nicht immer dort ist, wo sie zu sein vorgibt, wird Charles misstrauisch. Der Jurist lebt gern häuslich und geht im Genesatz zu Hélène nur ungern aus. Zudem ist der Sex im elterlichen Schlafzimmer nur noch selten zu Gast. Selbst die aufreizende Brigitte (Donatella Turri), die Sekretärin der Kanzlei, mit der sein Kollege Paul (Henri Marteau) längst eine Affäre hatte, nimmt Charles kaum wahr. Der Verdacht gegenüber Hélène beschäftigt ihn jedoch zunehmend, insofern gerade ihre gelöste und heitere Art ihn diesbezüglich weiter reizt und bestätigt. Also wendet er sich an eine Detektei, mit der seine Kanzlei bereits zusammenarbeitete und beauftragt den Privatdetektiv Bignon (Serge Bento), seiner Frau über einige Tage hinweg nachzustellen und Informationen über eine Liebschaft Hélènes an ihn weiterzuleiten…
 
“This psychological neo-noir was a fascinating study on bourgeoisie values, marriage, infidelity, and the morality associated with committing murder”, stellt Shubajit in seinem Blog Cinemascope fest und benennt damit die zentralen Aspekte des dunklen und hintergründigen Thrillers, den Chabrol in der wohl besten Phase seines Schaffens vorlegte. Die in allen literarischen und kinematographischen Genres so häufig und intensiv beschworene Liebe zwischen Mann und Frau wird bei Claude Chabrol als Konzept bürgerlicher Ordnung und Verhältnisse ausgelotet. Hélène Desvallées ist eine attraktive Frau in ihren Dreißigern, die so ziemlich alles erreicht hat, was sie sich als jüngerer Mensch einmal vorgestellt hatte. Sie ist im Wohlstand, fast schon Reichtum  und in ihrer eigenen Familie voll angekommen. Zum Lebensglück fehlt ihr, so sieht es von außen und von der Warte ihres Ehemanns aus, im Grunde nichts. Aber nicht nur an den gemeinsamen Abenden in edlen Restaurants und Nachtclubs, wo der Alkohol die Gemüter belebt und ihrer selbst entrückt, breitet sich in Gesellschaft der gemeinsamen Freunde schnell Leere aus. Wer mit wem eine Liebschaft hat, wer mit wem nicht mehr unter einem Dach lebt – das Konzept der Liebe als geregelte Zweisamkeit ist Maß einer Ordnung der Dinge. Für den Rechtsanwalt Charles ist es wie die Paragraphen der Gesetzgebung verpflichtend. Für Hélène zeigt sich im heimischen Schlafzimmer, wie wenig solche Liebe ihrem romantischen Ideal und ihrem physischen Verlangen entspricht. Erst die Affäre mit dem Lebemann und Gelegenheitsschriftsteller Victor Pegala (MauriceRonet) gibt ihr, so scheint es, neben der sexuellen Befriedigung auch wieder Bestätigung.
 
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So weit, so gut. Die Cleverness des Handlungsverlaufs besteht jedoch darin, dass ein zunehmendes Unwohlsein aufgrund des schließlich durch Charles im Affekt verübten Verbrechens aus der Reaktion und dem schon bald veränderten Standpunkt Hélènes entsteht und nicht primär via Charles. Hier berührt Chabrols Die untreue Frau zentrale Nervenenden und lässt das Archaische im Gesellschaftsbau der Einheit Familie durchscheinen. Erst dadurch wird das in der Inszenierung teils lieblos und blass erscheinende Werk ernshaft dunkel und abgründig, denn das ist es zweifelsohne. Die Ebene des Humors ist mitunter etwas zu sehr demZeitgeist geschuldet, die Figur der Brigitte und des Sohnes Michel etwas nah an der Farce, was den Geasamteindruck leicht trübt. Fulminant ist demgegenüber das Spiel Michel Bouquets und Stéphane Audrans, die ihre Charaktere in subtiler Weise zum Leben erwecken und auch in Chabrols La rupture (FRA/ITA/BEL 1970) und Vor Einbruch der Nacht (FRA/ITA 1971) gemeinsam vor die Kamera traten. Die untreue Frau ist ein guter französischer Neo Noir seiner Zeit, der noch Potential geboten hätte, was nicht ausgeschöpft wurde, doch ist er seinem späten Remake Untreu (USA 2002) von Adrian Lyne allemal überlegen.
 
Die deutsche DVD-Ausgabe (2006) der Filmconfect Home Entertainment GmbH ist wie die der Série Noire (2007) der Cinamethek der Süddeutschen Zeitung eine Riesenenttäuschung. Zwar ist der Film ungekürzt und mit Tonspuren auf Deutsch und Französisch, optional deutsche Untertitel, doch die Bildqualität ist miserabel, extrem körnig und matt in den Farbwerten, dazu ist das Format nicht anamorph und man erhält schwarze Balken rings ums kleine, mittige Bild im Format 1.60:1. Die gesamte Claude-Chabrol-Reihe der Filmconfect Home Entertainment GmbH ist lieblos editiert und nicht zu empfehlen.
 

Neo Noir | 1969 | France | Claude Chabrol | Dominique Zardi | Maurice Ronet | Michel Bouquet | Stéphane Audran

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