Film Noir
| USA
| 1953
| Maxwell Shane
| Joseph F. Biroc
| Joe Turkel
| Vittorio Gassman
| Gloria Grahame
| Robin Raymond
Bewertung
****
Originaltitel
The Glass Wall
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1953
Darsteller
Vittorio Gassman, Gloria Grahame, Ann Robinson, Douglas Spencer, Robin Raymond
Regie
Maxwell Shane
Farbe
s/w
Laufzeit
82 min
Bildformat
Vollbild
© Columbia Pictures Corporation
Mit über 1300 anderen Flüchtlingen an Bord eines Schiffes erreicht der in Ungarn gebürtige, aber staatenlose Peter Kuban (Vittorio Gassman) den Hafen von New York. Doch er ist ein blinder Passagier, ohne Papiere und das Einwanderungskomittee, bestehend aus Inspektor Bailey (Douglas Spencer) und Inspektor Toomey (Michael Fox), ist von seiner Geschichte nicht überzeugt. Zwar gibt Kuban den beiden in gutem Englisch zu verstehen, nach seiner Flucht aus dem Konzentrationslager Auschwitz einen US-amerikanischen Fallschirmjäger namens Tom (Jerry Paris) fünf Tage lang vor der Wehrmacht versteckt zu haben, so dass ihm eine Einreise und Einbürgerung in die Vereinigten Staaten im Grunde zustünde. Doch weder kann er das noch seinen zehnjährigen Aufenthalt in allen Arten von Lagern oder überhaupt seine Identität glaubhaft belegen. So beschließt Bailey, ihn auf dem gleichen Schiff wieder zurück nach Europa zu schicken, was für Peter Kuban eine Katastrophe bedeutet. Am Abend erfährt er, dass die New Yorker Presse seinen Fall aufgegriffen habe und sein Bild die Fronseite einer Tageszeitung ziert. Doch der wahhabende Matrose macht ihm klar, dass dies nur der Auflage der Zeitung zugute käme und keinerlei Konsequenzen habe. Kuban dreht durch, flieht vom Schiff, wobei er sich ein paar Rippen bricht und springt auf die Laderampe eines Lastwagens, der ihn in die Stadt bringt. Mit der U-Bahn fährt er zum Times Square, wo er hofft, den Jazzmusiker Tom ausfindig zu machen…
“The Glass wall is highly underrated and overlooked. In my honest opinion, it has to be one of the best and effective film noirs out there”, schlussfolgert Raquelle in ihrer Rezension für Film Noir of the Week. Und sie hat hiermit beinahe Recht. Dass der Film heutzutage derart unbekannt ist, erscheint unverständlich. Seine Geschichte ist brisant und in der Umsetzung durchgehend exzellent in Szene gesetzt, denn der Kameramann Joseph F. Biroc war einer der Großen seines Metiers. Die Charaktere sind im Drehbuch von Ivan Tors und Maxwell Shane gut ausgearbeitet - mit Peter Kuban und der arbeitslosen Fabrikarbeiterin Maggie Summers (Gloria Grahame) als Film-Noir-Couple auf der Flucht vor ihren Lebensumständen und vor der Verangenheit, verzweifelt auf der Suche nach einem Stück Zukunft. Gloria Grahame war eine der besten Darstellerinnen ihrer Zeit, eine der besten Hollywoods, nur dass Hollywood es in jenen 50er Jahren nicht ansatzweise erkannte. Ihre schauspielerischen Qualitäten in Die gläserne Mauer, in Nicholas Rays Ein einsamer Ort (USA 1950) oder in Fritz Langs Lebensgier (USA 1954) tragen essentiell zur Qualität der Filme bei. Gloria Grahame ist immer gut und zeitenweise schlicht großartig. Auch für Raquelle ist in der o.a. Filmbesprechung für Film Noir of the Week Gloria Grahame, eine Ikone des Film Noirs, in Die gläserne Mauer der herausragende Star, und es stimmt voll und ganz. Ihre exzellente Chemie mit Vittorio Gassman und die grandiose Atmosphäre der teils mit versteckter Kamera eingefangenen Schauplätze New Yorks – großteils bei Nacht – sind für jene Zeit nahezu einmalig.
“Tell me. Is there not work for everyone here in America?” - “Almost everyone.” Die teils subversiven Dialoge für die Portraits jener Menschen New Yorks, die am unteren Ende der Nahrungskette stehen, sind für die McCarthy-Ära, in der das Werk entstand, eher ungewöhnlich. Der Film kaschiert seine Sozialkritik mit vaterländischem Pathos zu Beginn und zum Ende, denn nach einem hoch dynamischen Finale folgt ein hastiger und konventioneller Schluss. Exquisite Nebenstränge der Handlung entführen ins Schicksal von Auswandererfamilien, in die Welt der Jazzmusiker auf dem Times Square und in die der Straßenkünstler und Automatenhallen. Besondere Erwähnung verdient das United Nations Secretariat Building des brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer und seines berühmten Kollegen Le Corbusier, das im letzten Teil des Films eine prominente Rolle spielt. Ist der Film auch kein Meisterwerk, ist er allemal sehenswert und mit dem signifikanten Verzicht auf Studiosets zugunsten der pulsierenden Metropole, die so auch in Stanley Kubricks Der Tiger von New York (1955) und Alexander Mackendricks Dein Schicksal in meiner Hand (USA 1957) im Fokus steht, seiner Zeit klar voraus. Eine deutsche Edition auf BD und auf DVD wäre allemal wünschenswert.
In den USA erschien Die gäserne Mauer als einer von vier Filmen der 2DVD (2010) Bad Girls Of Film Noir Vol.1, bildtechnisch exzellent reastauriert, ungekürzt im Originalformat mit englischem Ton und englischen Untertiteln, den US-Kinotrailer als Extra. In Europa gibt es eine spanische Edition, Regionalcode 2, offenbar ungekürzt und mit Originalton plus spanischen Untertiteln, doch liegt uns diese nicht vor.