Lilli Palmer, O.E. Hasse, Peter van Eyck, Brigitte Horney, Hannes Messemer
Im Westteil der Stadt Berlin ist der Dramatiker John Lawrence (Peter van Eyck), ein während des Krieges in die USA emigrierter Deutscher, der inzwischen sowohl dort als auch in seiner Heimat tätig ist, auf dem Weg zu der im 20. Stockwerk eines modernen Hochhauses in der Nähe des Kurfürstendamms wohnenden Schauspielerin Katja Carell (Lilli Palmer). Genaugenommen hat sie ihren Künstlernamen längst abgelegt, da sie den reichsten Mann der Stadt, den Unternehmer und Finanzmogul des Wirtschaftswunders, Dr. Robert Fleming (O.E. Hasse), heiratete. Katja Fleming lässt ihren Besucher warten, der erst seit gestern wegen der Proben seines neuesten Theaterstücks am Schauspielhaus in Berlin weilt. Als sie schließlich fahrig und unsicher in den Salon kommt, teilt sie ihm, der gern die Hauptrolle seines Dramas mit ihr besetzte, jedoch mit ihn enttäuschen zu müssen. Aber Lawrence erweist sich als beharrlich und geradezu aufdringlich. Schließlich willigt Katja ein das Stück zu lesen, indessen ihr Gast in einem Ohrensessel Platz nimmt und wartet… Am Zentralflughafen Tempelhof ist eine Passagiermaschine der Air France aus Indien kommend gelandet und bringt Dr. Robert Fleming in die Heimat zurück. Der selbstbewusste Manager eilt die Gangway hinunter und wird von seinen Mitarbeitern und einer Horde Journalisten in Empfang genommen. Er hat aber nur Augen und Ohren für die Abwesenheit Katjas. Doch heute weiß selbst der liebdienerische Dr. Wendland (Werner Stock) nicht, wo die gnädige Frau geblieben sei…
“Wie der Titel BRD Noir verrät, zeigt sich das deutsche Nachkriegskino hier von seiner dunkelsten Seite (…) wie in Der gläserne Turm, einer Art Wirtschaftswunder-Variation auf Ibsens Puppenhaus“, berichtete anlässlich der Filmretrospektive BRD Noir, die Kurator Olaf Möller im Jahr 2017 u.a. im Wiener Filmmuseum zeigte, die österreichische Tageszeitung Die Presse. Tatsächlich wurde das an der Kinokasse einst erfolglose Melodram mit Fug und Recht ins Programm aufgenommen, scheint es auf den ersten Blick mit dem US-amerikanischen Stil des Film Noirs auch kaum verwandt. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass die bundesdeutsche Produktion Parallelen zu Max Ophüls‘ Caught (USA 1949), zu Nicholas Rays Ein einsamer Ort (USA 1950) und zu Ken Hughes‘ Keiner ging an ihr vorbei (UK 1956) aufweist, die alle von unbalancierten und extremer Neurotik gekennzeichneten Liebesverhältnissen bzw. Ehebündnissen erzählen. Eine renommierte Schauspielerin entschließt sich zu einer Heirat mit dem steinreichen, dabei skrupellosen und machtbebesessenen Unternehmer Robert Fleming, einem Konstrukteur bundesdeutschen Wirtschaftswunders. Es ist der beste Teil des von Harald Braun und Kameramann Friedel Behn-Grund (Die Mörder sind unter uns, GER 1946) kompetent inszenierten Dramas. Die Darstellung des selbstgerechten, gnadenlos harten und deshalb erfolgreichen Dr. Robert Flemings in Fortsetzung der erzkonservativen Herrschaftsmodelle vorheriger deutscher Nationalstaaten ist Autoren, Regisseur und Schauspieler O.E. Hasse erschreckend gut gelungen. Robert Fleming ist ein Monstrum. Zugleich ist er das allerseits geachtete und rundum hofierte Ideal des deutschen Erfolgsmenschen. Am Ende gibt der Erfolg dem Menschen im vom Leistungsdenken gesteuerten Kapitalismus ja Recht. Und der ist mitunter eben brutal. Daran haben sich die Deutschen seit einer Ewigkeit, scheint es, gewöhnt, und die Gewinner leben gut damit.
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„Was ich habe, halte ich.“ – „Aber du hast mich nicht mehr, Robert.“ Die über 10 Jahre jüngere und attraktive Katja ist gewissermaßen Robert Flemings erotische Belohnung für seinen Erfolg - für seine Hauptrolle im Club der Profiteure. Doch mit dem Gegenpol zum Schwergewicht Robert Fleming gerät der Film, an dessen Drehbuch neben Harald Braun und Odo Krohmann der preisgekrönte bundesdeutsche Schriftsteller Wolfgang Koeppen (Tauben im Gras, EA 1953) beteiligt war, auf Pfade einer klischeebefrachteten Seifenoper. Nicht nur Katja Carell sondern vor allem Dramatiker John Lawrence wirkt als Kulturschaffender samt Gestaltungswille und Hang zur Selbstverwirklichung kaum überzeugend. Weder entwickeln die beiden als Liebespaar eine Chemie, noch präsentiert sich ihre Leidenschaft für die Theaterbühne glaubwürdig zwingend. All das wirkt gestelzt und gewollt, indessen Robert Fleming der Spielmacher bleibt. Wenn im letzten Drittel seine kriminelle Energie zum Zug kommt, ist er derjenige, der die Erzählung für uns wiederaufleben lässt, denn dem redundanten Mittelteil fehlt es an Spannung. Katja Carell-Fleming ist flatterig fragil und doch fade. John Lawrence zeigt sich allzu dreist in seinen 08/15-Analysen, mit denen er Katja ein Leben im goldenen Käfig vorhält, indessen sie sich nur verzagt zur Wehr setzt. Der an Samuel Fullers Vierzig Gewehre (USA 1957) erinnernde Schlusspunkt (am Flughafen Tempelhof) wirkt einerseits banal, sendet andererseits ein starkes Signal: Ein neues Leben auf den Ruinen des alten ist nicht länger denkbar. Die Zukunft liegt einzig außerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
Es gibt eine bild- und tontechnisch einwandfrei restaurierte Fassung des Films auf einer deutschen DVD (2021) von der Pidax Film- und Hörspielverlag GmbH mit dem Film ungekürzt und im Originalformat. Zu hören ist die original deutsche Tonspur ohne Untertitel. Als Extras gibt es wie oft bei Pidax neben dem Kinotrailer einen beigelegten Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne mit dem Essay und Szenenfotos des Programmhefts.