Belinda Lee, Walter Rilla, Karl Lieffen, Claus Wilcke, Jan Hendriks
Frankfurt am Main im November 1957: In ihrem Appartment in der Stiftstraße wird die Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt (Belinda Lee) neben dem Kanapee liegend ermordet aufgefunden. Die junge Frau war mit vielen Herren aus Politik und Finanz liiert, und die bundesdeutsche Boulevardpresse schlachtet den Skandal aus, indessen die Polizei nach ihrem Mörder fahndet. Es ergibt sich, dass der Handelsvertreter Heinz Pohlmann (Jan Hendriks), ein Freund des Opfers, jener Schuldige sein müsse, die Indizienlast scheint eindeutig. Doch der ermittelnde Kriminalkommissar (Hans Elwenspoek) kann dem Mann die Tat, die er strikt bestreitet, nicht nachweisen. Nach 11 Monaten in Untersuchungshaft kommt Pohlmann auf freien Fuß, und noch immer tappt die Polizei im Dunkeln… Eines Tages kommt Polizeipsychologe Andreas Guttberg (Wolfgang Rüttner) bei dem geplagten Kommissar ins Büro und bringt ihm einen Stapel von Manuskripten: insgesamt 87 Zeugenaussagen, die Guttberg alle bis ins Detail gelesen hat. Aber der Mann hinter seinem Schreibtisch ist frustriert und gereizt. Zu lange schon beschäftigt er sich mit dem Fall, in dem keine Spur ihn weiterbringt. Der lässige, desillusionierte Guttberg, seit vielen Jahren im Strafvollzug erfahren, versteigt sich zu der These, dass Rosemarie Nitribitt ihren Tod mitverschuldete. Er erinnert daran, wie sie einst aus dem Arbeitshaus in Brauweiler entlassen wurde, wo sie nach ihrer Flucht aus einem Transport in ein Erziehungsheim noch minderjährig eingeliefert worden war…
„Film-Autor J. Joachim Bartsch übertut sich daran, die Leih-Dame zu einem diabolischen Bundesbürgerschreck zu entstellen, und Regisseur Rudolf Jugert (…) hat das dümmliche Drehbuch getreulich abgefilmt“, urteilte im Dezember 1959 das Wochenjournal Der Spiegel aus Anlass der deutschen Kinopremiere des Films. Solches im Grunde vernichtende Urteil über das auf einem realen Kriminalfall beruhende Werk hat bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren. Dabei wünschte man sich gerade als Freund des Film Noirs, dass es anders wäre, denn mit Blick auf seine Voraussetzungen und auf die Bildsprache gibt es einiges, was ein Cineast wertschätzen könnte. Die Riege der Darsteller aus der jungen Bundesrepublik ist nicht durchweg erste Wahl, doch mit Paul Dahlke, Walter Rilla und Hans Nielsen finden sich einige solide Namen, welche den Film und seine Handlungsträger aufwerten. Der Star des Films ist auf der Leinwand allerdings nicht zu sehen. Es ist der Kameramann Georg Krause (Nachts, wenn der Teufel kam, GER 1957) mit seiner kustvoll expresionistischen Bildsprache. Seit 1923 war der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 58-jährige Berliner in seinem Beruf tätig und hatte in vorangegangenen Jahren sowohl mit Robert Siodmak als auch mit Stanley Kubrick zusammengearbeitet, für dessen international erfolgreichen Antikriegsfilm Wege zum Ruhm (USA 1956) Krause hinter der Kamera gestanden hatte. Niemand als er ist es, der den in Rückblenden und an gut gewählten Drehorten in der Großstadt inszenierten, seitens des Skripts aber hoffnungslos banalen Die Wahrheit über Rosemarie hin und wieder zu veredeln weiß.
Kriminalkommissar: „Totschlagen sollte man diese Giftluder.“ – Polizeipsychologe: „Ja, das hat man ja auch.“ In einigen Film Noirs aus den USA ist die Femme fatale ebenfalls nur eine bis ins Mark bösartige und dumm-dreiste Göre. Man denke an Hugo Haas‘ Aufgelesen (USA 1951) oder Russell Rouses Hände weg, Jonny! (USA 1953). Genau das lässt die jeweiligen Rollencharaktere aber fade und beschränkt wirken, indem sie nämlich ihre physischen Reize in steter Wiederholung auf die um sie herum tänzelnden Männer wirken lassen (müssen), um dem Leben ein Minimum an Qualität abzuringen. Konträr zu den schillernden Frauenfiguren, wie sie im Film Noir von Joan Crawford, Lizabeth Scott, Joan Bennett, Ava Gardner oder Audrey Totter dargestellt wurden, wirkt die Engländerin Belinda Lee (Am Rande der Unterwelt, UK 1957) als Rosemarie Nitribitt plump und vulgär. Womöglich legte Drehbuchautor J. Joachim Bartsch es in sensationsheischender Manier bewusst darauf an, jenen unabhängig selbstbewussten Frauentypus in Gestalt der Rosemarie Nitribitt, wie Nadja Tiller zuvor in Rolf Thieles haushoch überlegenem Das Mädchen Rosemarie (GER 1958) sie dargestellt hatte, zu verteufeln. Die Zensur gab Juggerts Sexploitation ohne Sex jedenfalls erst nach mehreren Änderungen frei. Ich habe jedoch Zweifel daran, ob die ursprüngliche Fassung des Werks der bessere Film gewesen wäre. Belinda Lee macht in der Hauptrolle ihre Sache keinesfalls schlecht, hatte andererseits allzu häufig Rollen, die sie zu Vamp und Luder degradierten. Tragische Randnotiz: Die echte Rosemarie Nitribitt war zum Zeitpunkt ihres Todes 24 Jahre alt. Als Belinda Lee am 12. März 1961 bei einem Autounfall in Kalifornien, USA, ums Leben kam, war sie selbst erst 25.
Eine schön editierte deutsche DVD-Ausgabe (2013) der Fernsehjuwelen GmbH im Pappschuber präsentiert das Werk ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch gut restauriert, dazu den original deutschen Ton (samt einer schlecht synchronisierten Belinda Lee), das Ganze ohne Untertitel, doch mit einem vierundzwanzigseitigen Booklet inklusive Filmessay von Oliver Bayan sowie Abbildungen von Werbematerial als Extra. Für einen solch längst obskuren Film ist die Ausgabe allemal das Nonplusultra.