Richard Conte, Faye Marlowe, Kurt Kreuger, John Harvey, Martin Kosleck
© Twentieth Century Fox Film Corporation
New Orleans, Louisianna: Nur für kurze Zeit weilt Delilah Nielsen (Faye Marlowe) in der Stadt, die nach ihrem Bericht so romantisch wie mysteriös sein kann. In der Dunkelheit des Abends geht sie durch das Latin Quarter zum Büro der Detektei Cain & Conlon, denn heute erschien Florence Cain (Ann Savage) in ihrer Garderobe im Theater und erzählte Delilah, dass ihre Schwester ermordet worden sei und sie es beweisen könne. Sie solle am Abend ins Büro kommen, aber als die Frau dort an die Tür klopft, ist niemand vor Ort und der durch ihr Klopfen aufgeschreckte Nachbar Henry (Mantan Moreland) erklärt ihr, dass sie Privatdetektiv Chris Conlon (Richard Conte) in der Creole Bar finden werde. Delilah bedankt sich und geht die Stufen hinunter, bevor sich aus der Dunkelheit der Schatten eines Mannes löst, der im Verborgenen wartete und lauschte… Tatsächlich sitzt in dem Lokal Chris Conlon mit dem Journalisten Burns (John Harvey) und dem ebenfalls für die Zeitung arbeitenden Dramatiker Pickett (Roy Gordon) und rät ihnen, nachdem sich Pickett über zu wenige inspirierende Quellen in der Stadt beklagte, die Geschichte seines Lebens zu kaufen. In dem Augenblick ruft der Barkeeper Ed (Harry Seymour) zu Chris hinüber, dass eine Dame ihn zu sprechen wünsche und Conlon begibt sich mit Delilah an einen Nachbartisch. Sie gibt sich ihm gegenüber als Judith Smith aus und wünscht, dass er von Florence Cain, seiner Partnerin in der Detektei, einen Umschlag mit einer Geburtsurkunde abhole, wofür er eine Anzahlung von 50 US-Dollar erhält…
”You really believe, she knew something about my sister?” – “She knew enough to get killed.” Die von Robert D. Webb und seinem Kameramann Glen MacWilliams (Shock, USA 1946) kompetent in Szene gesetzte B-Produktion der 20th Century Fox Film Company ist ein Remake des zuvor nach dem gleichnamigen Theaterstück (EA 1928) von Lowell Brentano und Fulton Oursler gedrehten Films The Spider (USA 1931) von William Cameron Menzies und Kenneth MacKenna. Webb war selbst seit 1931 im Filmgeschäft tätig, meist als Regieassistent oder Second Unit Director, und jene Erstverfilmung (ebenfalls via Fox Film) hatte in Hauptrollen Edmund Lowe und Lois Moran gesetzt. Letztere hatte ihre Karriere im Alter 15 Jahren begonnen und 1931 mit 22 Jahren beendet. Im Jahr 1945 wurde der Film Noir zum Filmstil seiner Zeit - Billy Wilders Frau ohne Gewissen (USA 1944), Fritz Langs Gefährliche Begegnung / Der Erpresser (USA 1944), Robert Siodmaks Zeuge gesucht (USA 1944) und Edward Dmytryks Murder, My Sweet (USA 1944) waren jüngst erfolgreiche Produktionen. So frisierten die Drehbuchautoren Jo Eisinger und Scott Darling und der Regisseur das betuliche Theaterstück einfach um: mit einer Erzählerin aus dem Off, einem Privatdetektiv, ehemals Cop, dessen Partnerin in der Detektei ermordet wird – John Hustons Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941) lässt grüßen – und verlagerten die Handlung von der Theaterbühne eines Magiers in die Bars, Hotels, Apartments und in das Detektivbüro Chris Conlons und Florence Cains, erleuchtet vom blinkenden Neonlicht der Amüsiermeile. Ist die Geschichte im Ursprungs auch die gleiche, so ist Robert D. Webbs Film Noir des Jahres 1945 damit ein völlig anderer als derjenige des Jahres 1931.
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Für den Film-Noir-Liebhaber ist The Spider vor allem auch deshalb von Bedeutung, weil Richard Conte – bis in die späten 50er Jahre ein im Film Noir beheimateter Schauspieler – darin seine erste Hauptrolle spielen darf. Wie zu erwarten, lässt er sich die Gelegenheit nicht entgehen und macht den Film zu seinem. Zwar ist Chris Conlon mit einem Sam Spade oder Philip Marlowe nicht ganz auf Augenhöhe, allzu groß ist der Abstand jedoch nicht. Mit Mantan Moreland ist auch ein afroamerikanischer Charakterdarsteller in einer signifikanten Rolle zu sehen. Als mit Chris Conlon befreundeter Nachbar Henry leistet er ihm gleich mehrfach gute Dienste. Was aber erst als erfreuliche Ausnahme erscheint, zeigt sich schnell als klischeebelastet, zumal die Drehbuchautoren in ihrem Bemühen, Moreland als Vehikel für Humor zu nutzen, vor mehr oder minder rassistischen Konnotationen nicht zurükschrecken, die Henry auch im Melting Pot New Orleans zu einer Person zweiter Klasse degradieren: “Mr. Chris, you couldn’t convince me that this is laundry, if you’d talk to me until I was black in the face.“ Das ist für heutige Zuschauer kaum zu schlucken und erschwert trotz eines Bewusstsein für die historisch bedingte Distanz den Genuss des Filmklassikers. Mit etwas über 60 Minuten schreitet The Spider zügig voran, bietet allerdings auch kaum Überraschungen und reiht sich unspektakulär in den Kanon vieler mittelprächtiger B-Produktionen jener Jahre ein, die allzu offensichtlich aber vergebens ihren Vorbildern nacheifern.
Bis dato (2022) gibt es weltweit noch keine BD- oder DVD-Edition des Werks, das in Online-Portalen in einer bild- und tontechnisch miserablen Fassung mit dem Originalton ohne Untertitel, (nahezu) ungekürzt und im korrekten Bildformat zur Verfügung steht.