Alec Baldwin, Kelly Lynch, Mary Stuart Masterson, Eric Roberts, Teri Hatcher
New Iberia im US-Bundesstaat Louisiana, nicht weit von New Orleans: Der ehemalige Polizeibeamte aus New Orleans, Dave Robicheaux (Alec Baldwin), ist inzwischen Bootsverleiher und betreibt ein Geschäft für Angel- und Haushaltswaren. Im Beichtstuhl erzählt der seit drei Jahren trockene ex-Trinker dem Pfarrer (Christopher Kriesa), dass er sich jeden Tag wünsche, einen Drink zu sich nehmen zu können. Bei einem Rückfall würde er alles verlieren, erklärt er dem Pfarrer auf Nachfrage. Er würde seine ihn liebende Ehefrau Annie (Kelly Lynch) und das Geschäft und seine Freunde verlieren, die gesamte Grundlage seiner Existenz. Und trotzdem, so Dave Robicheaux, wünsche er sich jeden Tag, jede Stunde einen Drink. Der Pfarrer erteilt ihm die Absolution und der Geläuterte verlässt das Gotteshaus… Samt seiner Frau liegt Dave mit einem Fischerkahn im Mississippi Delta vor Anker. Es herrscht mittägliche Hitze und Annie bringt aus der Kombüse zwei Teller, doch die beiden beschließen sich die Zeit mit etwas anderem zu vertreiben, als Dave über Annies Schulter hinweg ein tief fliegendes, zweimotoriges Propellerflugzeug auf sie zusteuern sieht. Sie misst dem keine Bedeutung bei, aber Dave weist sie darauf hin, dass aus einem der Motoren Rauch aufsteige und der Pilot offenbar Probleme habe. Schon rast das Flugzeug über die hoch aufragenden Masten des Bootes nur knapp hinweg, kippt in eine Schräglage und fängt Feuer, als einer der Flügel kurzerhand bricht und die Maschine mit einem dumpfen Knall ins Wasser stürzt…
“Southern-tinged neo-noir before it was cool”, bringt es Don Shanahan für Letterboxd auf den Punkt und erinnert daran, dass auch andere Autoren und Regisseure von der Kulisse New Orleans zu profitieren wussten, etwa Werner Herzog mit Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen (USA 2009) oder Alan Parker mit Angel Heart (CAN/UK/USA 1987), der allerdings Mississippi Delta deutlich voranging. Phil Joanous nahezu epischer Film beruht auf dem Roman Heaven’s Prisoners (EA 1988, auf Deutsch 1996 als Blut in den Bayous) von James Lee Burke. Es ist dessen zweites Buch um den ex-Polizisten und ehemaligen Alkoholiker Dave Robicheaux, der nach seinem Umzug von New Orleans ins Bayou Country Louisianas als privater Ermittler nebenher Kriminalfälle klären muss, so dass die Reihe aktuell auf 23 Bände angewachsen ist. Trotz der Popularität des Autors und seines Detektivs wurden bis dato nur zwei der Bücher verfilmt. Ganze 13 Jahre nach Mississippi Delta versuchte sich der französische Regie-Veteran Bertrand Tavernier an dem Stoff und drehte mit Tommy Lee Jones in der Rolle von Dave Robicheaux In The Electric Mist (FRA/USA 2009), die Verfilmung des sechsten Romans (EA 1993) von James Lee Burkes Romanserie. Aber was dem ersten widerfuhr, geschah auch dem zweiten: Die tendenziell ruhige und auf seine Charaktere fokussierte Anlage der Erzählungen wurde sowohl vom Publikum als auch von der Filmkritik mit Missachtung gestraft. Zudem hat Burke kein Problem damit, im Handlungsverlauf einige Sympathieträger zu opfern, was beide Verfilmungen jeweils nicht zu einem Feel-Good-Movie werden ließ, sondern zum Gegenteil dessen, zu einem vielschichtigen und knackigen Drama. Allerdings bleibt Mississippi Delta trotz ausufernder Spielzeit eher an der Oberfläche als der ums Ausloten der Abgründe bemühte Neo Noir Taverniers. Dennoch erweist sich der Old-School-Thriller Mississippi Delta 25 Jahre nach seiner Premiere als atmosphärisch dicht, erstklassig besetzt und dramaturgisch pointiert, ist auch der Handlungsverlauf selbst nicht gerade originell.
“I want a drink. I want a drink all the time. Sometimes I wake up in the morning, my eyes pop open and I think I gotta have a drink.” Schon diese ersten Zeilen des Films haben mich in die Geschichte gezogen, mich auf Dave Robicheaux neugierig werden lassen, den Alec Baldwin souverän und mit viel Gespür zum Leben erweckt. Baldwin war vergleichbar mit Bill Pullman, James Spader, Laurence Fishburne oder Andy Garcia ein typischer Leading Man der 90er Jahre. So wie im Fall der hier Genannten versandete seine Karriere im 21. Jahrhundert jedoch zunehmend in Fernseh- und in Nebenrollen. Und auch die Popularität von Kelly Lynch und Mary Stuart Masterson, von Badja Djola und Vondie Curtis-Hall, die allesamt erklassige Leistungen zeigen, verzeichnete durch den Flop an der Kinokasse, der Mississippi Delta seinerzeit war, keinen Zuwachs. Nach meiner Meinung ist Phil Joanous Neo Noir vielen erfolgreichen Zeitgeistproduktionen jener Jahre weit überlegen. Wer heute an den Werken des für den Neo Noir so wichtigen und reichhaltigen Jahrzehnts Gefallen findet, sollte an Mississippi Delta nicht vorbeigehen und sich an dem epischen und dunklen Film erfreuen. Wem infolgedessen gar nach quasi einer Fortsetzung der Sinn steht, nimmt sich im Anschluss einfach Bertrand Taverniers In The Electric Mist (FRA/USA 2009) vor.
Die einzige deutsche DVD-Edition (2005) der VCL Film + Medien AG ist ein Desaster von Veröffentlichung, denn obgleich ungekürzt präsentiert sie den Film im falschen Bildformat, nämlich Vollbild 4.3 anstatt Widescreen 1.85:1 und zum zweiten fehlt der englische Originalton. Außer der deutschen Synchronisation gibt es keine Tonspuren und keine Untertitel und keine Extras. Die US-amerikanische DVD (2004) von Warner Brothers verzeichnet eine Laufzeit von 135 Minuten, bringt den Film im Originalformat mit der original englischen Tonspur und inklusive englischer Untertitel, den US-Kinotrailer als Extra. Es ist diese DVD oder eine vergleichbar hochwertig editierte Ausgabe, die es braucht, um das Werk auch genießen zu können.