Nadezhda Markina, Andrey Smirnov, Elena Lyadova, Aleksey Rozin, Evgeniya Konushkina
Moskau, Hauptstadt Russlands: Auch in der Luxuswohnung des reichen Vladimir (Andrey Smirnov) wird das Licht eines neuen Tages sichtbar und seine Frau Elena (Nadezhda Markina), eine ehemalige Krankenschwester, die er vor zwei Jahren in zweiter Ehe heiratete, steht auf und richtet sich am Schminktisch ihres Schlafzimmers die Frisur. Sie zieht allerorten die Vorhänge beiseite, zupft die Gardinen zurecht und geht in die Küche, wo sie dem Kühlschrank die Milch entnimmt, um den morgendlichen Porridge vorzubereiten. Als sie selbst angekleidet ist, öffnet sie die Schiebetüren zum Schlafzimmer Vladimirs, zieht auch dort die Vorhänge auf und weckt nun ihn. Indessen er im Badezimmer zugange ist, richtet sie erst das Frühstück und macht dann sein Bett, bevor sich die Eheleute mit einem Kuss ein „Guten Morgen!“ wünschen. Vor dem Fernseher in der Küche wartet Elena, dass auch ihr Mann zu ihr an den Küchentisch kommt und sie gemeinsam frühstücken können. Als er sich setzt, serviert sie ihm den Porridge und seinen Kaffee und nimmt ihm gegenüber Platz, bevor sie sich Tee einschenkt. Er fragt sie nach ihren Plänen für den Tag. Sie antwortet, dass sie ihre Pension von der Bank holen und danach ihren Sohn Sergey (Aleksey Rozin) besuchen werde. Vladimir merkt an, dass Sergey stattdessen sie besuchen solle, schließlich brauche er das Geld und nicht sie. Elena ist der Meinung, dass es dabei nicht um das Geld gehe. Vladimir entgegnet, dass genau das Geld, das sie dem Familienvater monatlich zahle, der springende Punkt sei…
“Something of a noir set in modern-day Moscow, this is an understated film that has been described as somber, grim and remorseless”, heißt es in einer kurzen Beschreibung bei radar.squat.net und jedes der drei genannten Adjektive trifft zu. Dabei ist Elena vom namhaften russischen Autor und Regisseur Andrey Zvyagintsev (Die Rückkehr, RUS 2003) so ziemlich das Gegenteil der dramatisch aufgepeitschten und blutig gewaltsamen Produktionen aus den USA und aus Europa, die häufig mit dem Emblem des Neo Noirs vermarktet werden. Gab es jemals einen Film, den ich persönlich sowohl als nüchtern als auch subtil empfand, so ist es dieses ebenso ruhige, fast kontemplative und zugleich vielschichtige Drama um zwei Eheleute, die sich spät im Leben fanden und sich beide ihren Kindern zugeneigt und zugehörig finden. Dabei erkennen sie mit scharfem Blick in der Nachkommenschaft des jeweils Anderen deren Defizite und charakterlichen Abgründe, indessen sie dem eigenen Kind immerfort zu verzeihen gewillt sind. So ist Vladimirs Tochter Katerina (Elena Lyadova) hemmungslos egoistisch und hedonistisch, ohne feste Beziehung oder gar Kinder. Mit ihrer spitzen Zunge voller nihilistischer Bonmots ist sie vor allem den Genüssen des Daseins zugeneigt. Katerina lebt vom Geld des Vaters, ohne ihn je zu besuchen, und sie hat mit ihren etwa 30 Jahren weder einen Beruf noch zeitlebens einen einzigen Rubel selbst verdient. Elenas Sohn Sergey hingegen ist ein willensschwacher und selbstmitleidiger Vater von bald drei Kindern, arbeitslos und unfäfig für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen. Segey hockt mit dem Sohn Sasha, den seine Frau und Großmutter Elena gern als Student an einer Universität sähen und der selbst dem Vater nachkommt, am liebsten vor Videospielen, und er bettelt seine Mutter schamlos um Geld an… Was hält die Ehe von Vladimir und Elena im Kern zusammen, um dem zu widerstehen, was sie selbst nicht sehen und was sie schließlich gegeneinander aufbringt?
Als Elena versucht ihren steinreichen Vladimir dazu zu bewegen, Sashas Studiengebühren zu bezahlen, dreht sich das Blatt und die dramatischen Verwicklungen nehmen Fahrt auf… Der Neo Noir aus Osteuropa und aus Russland ist auf dem Filmmarkt der Bundesrepublik Deutschland bis dato die Ausnahme. Selbst hochwertige und dem zeitgenössischen bundesdeutschen Kinothriller klar überlegene Werke wie Ve Stinu (CZ/SVK/POL 2011) oder Ziarno Prawdy (POL 2015) laufen hierzulande lediglich auf ein, zwei Filmfestivals und sind im Anschluss sang- und klanglos verschwunden. Elena hatte seine Premiere im Mai 2011 auf den Fimfestspielen in Cannes, wo er den Spezialpreis der Jury gewann, bevor er in Europa, Indien, Russland und im fernen Australien weitere Filmpreise einheimste. Das Werk startete in vielen Ländern West- und in Osteuropas im Kino, in der Schweiz sogar mit Filmplakat auf Deutsch, und es wurde allein in den USA auf drei namhaften Filmfestivals gezeigt. In Deutschland gab es noch nicht einmal eine Verwertung via BD und DVD. Andrey Zvyagintsevs seinerzeit dritter Spielfilm ist ein Meisterstück des russischen Kinos, das sich so einiger Stilelemente des Film Noirs und des Thrillers bedient, um eine tragische und von Ambiguität gekennzeichnete Geschichte um Liebe, Bindung und Vertrauen auf den Punkt genau zu inszenieren. So nüchtern trocken und langsam das Werk eingangs erscheint, so sehr bleibt es einem in Erinnerung und lässt einen auch Tage nach dem ersten Anschauen nicht los. Ein Muss!
Eine englische BD- bzw. DVD-Edition (2013) von New Wave Films bringt den Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch exzellent, mit dem russischen Originalton und optional englischen Untertiteln, inklusive eines Interviews mit Andrey Zvyagintsev als einzigem Extra.