Kirk Douglas, John Schneider, Lee Purcell, Lisa Dunsheath, Leah Ayres
Texas State Penitentiary, Huntsville: Im Gefängnis wird an diesem heißen Sommertag ein Rodeo abgehalten, doch der Strafgefangene Edward G. Macon (John Schneider), kann sich nur kurz auf dem Pferd halten und humpelt aus der staubigen Arena in den Stall. Hier beachtet ihn kaum jemand und er zieht sich bis ans Ende des Ganges zurück, wo eine Herde Rinder in einen Viehtransporter verladen werden soll. Der Fahrer Billy Bob (Jerry McKnight) unterhält sich mit einem Gefängniswärter, doch schließlich betritt er das Gatter und treibt die Tiere ins Innere, ohne zu bemerken, dass sich in ihrer Mitte inzwischen auch Eddie Macon versteckt hält und mit ihnen auf die Ladefläche kommt. Schließlich startet er den Motor, das schwere Gefährt rollt zum Eingang, und Macon gelingt es, auch vom Torwärter, der mit seiner Taschenlampe ins Innere leuchtet, nicht entdeckt zu werden. So fährt der Truck aus Huntsville hinaus über die Autobahn und in die Nacht hinein übers flache Land. Als das Gefährt an einem Kontrollpunkt zum Halten kommt, springt Macon von der Ladefläche und rennt in der Nähe einer Brücke den Abhang hinab zu einem Flussbett. An einem Brückenpfeiler findet er einen Rucksack mit Kleidung und Ausrüstung, den seine Ehefrau Chris (Leah Ayres) dort deponiert hat. Er erinnert sich, wie er ihr bei einem Besuch im Gefängnis von dem Plan erzählte und mit ihr einen Treffpunkt in Mexiko vereinbarte…
Noch heute wirkt dieser Film wie in der Zeit von Richard C. Sarafians Fluchtpunkt San Franzisko (USA 1971), Sam Peckinpahs Getaway (USA 1972) oder Gordon Parks juniors Superfly (USA 1972) entstanden. Er wirkt wie eines jener Werke der 70er Jahre, darin die Desillusionierung bezüglich der USA als dem “land of the free“, wie es in der US-Nationalhymne beschrieben ist, und folglich als einer Demokratie mit Bürgerrechten kaum noch zu unterbieten ist. In Jeff Kanews Eddie Macons Flucht wird der von Florida nach Huntsville, Texas, umgezogene Ehemann, Vater und Arbeiter bei einer Ölfirma, Edward G. Macon, unschuldig zu 5 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Polizeibeamte und ein Richter agieren mit vollem Bewusstsein ihrer Allmacht und Willkür wie Verbrecher. Als Provinzfürsten sind sogenannte Staatsdiener durch und durch zynische Alleinherrscher, denen unbescholtene Bürger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Im Kielwasser der kulturellen Erschütterungen in den 60er Jahren war eine solche Haltung im Kino der 70er Jahre gang und gäbe. Die Protagonisten in Getaway und in Superfly sahen ihr Lebensglück einzig außerhalb der USA, ihre Flucht war eine über die Staatsgrenze hinaus, und so ist es auch in Jeff Kanews drittem Spielfilm. Für die junge Familie mit ihrem Sohn Bobby (Matthew Meece), der eine Blutkrankheit hat, die entsprechend kostspielig medikamentiert werden muss, hat ihre Heimat nur Egalität und Zynismus übrig. Die Lebensumstände dort sind nicht nur schwierig, sie sind nahezu unerträglich, und gerade auch an Texas lässt der Film des New Yorkers Jeff Kanew kein gutes Haar. Die Parteinahme und Tendenz des Films wider den Neonkonservatismus‘ in den USA nach der Wahl des ex-Schauspielers Ronald Reagan zum US-Präsidenten (ab 1981) gibt auch Kirk Douglas‘ letztem Satz “I’m getting too old for this shit.“ nochmals einen besonderen Klang.
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“Kirk Douglas‘ (…) out-sized performance in ‘Eddie Macon’ isn’t so far from others well-remembered in noir classics such as Ace in the Hole, Detective Story and The Bad and the Beautiful“, schreibt Gary Deane in einer klugen Rezension für Film Noir of the Week und lenkt damit den Blick auf den alternden Weltstar dieses Films. Die Filmografie des 2020 im Alter von 103 Jahren gestorbenen Schauspielers belegt, dass der hier bereits 66-jährige Douglas auf das Ende seiner Karriere als Hauptdarsteller zuging, obgleich er noch bis ins Jahr 2004 die eine oder andere bemerkenswerte Rolle spielte. Allemal lässt er es sich nicht nehmen als gewaltbereiter Cop Carl “Buster“ Marzack aus New Jersey, der sich an Eddie Macons Fersen heftet, sowohl seine physische Fitness als auch seine ungebrochene Vitatlität unter Beweis zu stellen. Nicht nur der 23-jährige John Schneider, der durchaus solide agiert, sondern auch Kirk Douglas injiziert dem Film eine Energie, die dem Werk gut bekommt. Andererseits hat Eddie Macons Flucht, Verfilmung des Romans Der Bluthund (EA 1980, auf Deutsch 1989) von James McLendon, visuell den Anstrich eines Fernsehfilms und ist in seiner Dramaturgie, welche die Biografie der Familie in vielen Rückblenden als Stückwerk liefert, ein wenig dröge und ermüdend. Dennoch ist der nach zwei Dritteln vorhersehbare Neo Noir auch dank Beteiligung Tom Noonans und John Goodmans in Nebenrollen keine verschwendete Zeit und kann Freunden des Genrekinos jener 80er Jahre allemal empfohlen werden.
Als Eddie Macons Flucht gibt es via Koch Media GmbH inzwischen (leider mit einer grafisch furchtbaren Cover-Gestaltung) eine deutsche Neuausgabe auf BD und auf DVD (2018), nachdem der Film in der Reihe Hollywood Klassiker 2009 bei New KSM als Kopfjagd auf DVD erschienen war. Alle Editionen beinhalten das Werk ungekürzt und im Originalformat, mit der englischen Tonspur und mit der deutschen Synchronisation. Die Neuausgabe bietet den Vorteil von optional deutschen oder englischen Untertiteln; den US-Kinotrailer und die Bio- und Filmografie von Kirk Douglas als Extras gibt es überall.