Al Pacino, Ellen Barkin, John Goodman, Michael Rooker, William Hickey
© Universal Pictures
Die 365 West End Avenue in Manhattan, New York: In einem großzügigen Apartment spielt jemand die Single des Klassikers Sea Of Love von Phil Phillips auf einem Schallplattenspieler, so dass das Lied durchs geöffnete Fenster des Wohnzimmers auf die Straße dringt. Nebenan im Schlafzimmer stöhnt der nackte James Mackey (Brian Paul) bäuchlings allein auf dem Bett in vermeintlich sexueller Erregung. Er könne nicht, fleht er, und ob das in Ordnung sei, aber bevor er weitersprechen kann, nähert sich hinterrücks der Lauf eines Revolvers und Mackey fällt per Kopfschuss getötet in die Kissen. Im Wohnzimmer senkt der auf automatische Wiederholung eingestellte Schallplattenspieler seinen Tonarm und Sea Of Love beginnt aufs Neue… Vor dem Savoy Manor Ballroom verkündet man für heute unterm Titel eines jährlichen “Yankee Brunch“ eine ausgedehnte Frage- und Autogrammstunde mit explizit eingeladenen Fans des in der Bronx beheimateten Major-League-Baseball-Teams New York Yankees, inklusive eines Frühstücks auf Kosten des Vereins. Diverse Mitarbeiter in Yankees-Jacken kontrollieren am Eingang die Personalien und schenken zum Brunch auch schon Kaffee aus. Dann stellt sich Police Detective Frank Keller (Al Pacino), der heute sein 20-jähriges Dienstjubiläum feiert, auf die Bühne. Er teilt mit, dass die Yankees nicht kommen werden, da dieses eine Polizeiaktion sei und man alle Anwesenden im Saal, im Ganzen 45, die aufgrund ihres Haftbefehls eingeladen wurden, in Polizeigewahrsam nehmen werde…
“I believe in animal attraction. I believe in love at first sight. I believe in this. And I don’t feel it with you.“ – “I’m hell on wheels once you know me.“ Das Drehbuch von Richard Price (The Night Of – Die Wahrheit einer Nacht, USA 2016) serviert knackige Dialoge am laufenden Meter und eine ebenso vielseitige wie pointierte Erzählung, die gleich in mehrfacher Hinsicht dem Neo Noir zuzurechnen ist. So wie Gilbert Cates Final Night – Die letzte Nacht (USA/UK/CAN 1988), Wolfgang Petersens Tod im Spiegel (USA 1991) oder Paul Verhoevens Basic Instinct (USA 1992) spielt Harold Beckers Film mit der Möglichkeit, dass die Geliebte des Protagonisten womöglich eine eiskalte Mörderin ist und den Hals über Kopf von seiner Leidenschaft verzehrten Ermittler als ihr nächstes Opfer auserkoren hat. Der Polizist Frank Kellner ist ein ausgebrannter Alkoholiker, der seine Ehefrrau an einen biederen Kollegen (Richard Jenkins) verloren hat und der mit Ende Vierzig stets in einer unaufgeräumten Junggessellenbude haust, ein Antiheld aus dem Bilderbuch des Film Noirs – Detective Sergeant Mark Dixon (Dana Andrews) in Otto Premingers Faustrecht der Großstadt (USA 1950) und Police Detective Paul Sheridan (Fred MacMurray) in Richard Quines Schachmatt (USA 1954) lassen grüßen. Doch bei der Untersuchung des Mordes an James Mackey lernt Keller plötzlich die Tatverdächtige Helen Cruger (Ellen Barkin) kennen. Obwohl sie deutlich jünger als er ist und sich von ihm auch sonst in fast allem unterscheidet, wie Helen sofort erkennt, trudeln die beiden in eine stürmische Affäre, die sich womöglich als die Liebe ihres Lebens erweist, womöglich aber auch als eine todbringende Gefahr. Mit dem grandiosen John Goodman in der Rolle von Kellers Kollegen Detective Sherman und mit Kamera-As Ronnie Taylor (Gandhi, UK/IND 1982) im Bunde erweist sich der Neo Noir Sea Of Love – Melodie des Todes als herausragende Produktion seiner Zeit.
“Sea of Love is a suspenseful film noir boasting a superlative performance by Al Pacino as a burned-out Gotham cop“, hieß es angesichts der Premiere des Films in Variety. Solches Zitat rückt das Offensichtliche in den Vordergrund, nämlich die beteiligten Darsteller. Nicht nur wegen Al Pacinos, der nach meiner Ansicht eine der besten Leistungen seiner Karriere zeigt, erinnern der Film und sein Ensemble an Neo Noirs von Sidney Lumet, der bis zu Tödliche Entscheidung (USA/UK 2007), seinem letzten Film, im Ruf stand, seinen Darstellern das Besondere abverlangen zu können. Was Ellen Barkin, John Goodman und Al Pacino hier aufführen, ist schlicht umwerfend und lässt den Film passagenweise zu einem Hochgenuss werden. Mir persönlich waren Finale und Schluss zu vorhersehbar und den Erwartungen des Publikums an eine A-Produktion geschuldet, doch tut das meiner Empfehlung an Freunde des Film Noirs und des Neo Noirs keinen Abbruch. Lorraine Bracco spielt Frank Kellers ex-Frau Denice, doch wurde ihre Rolle in der Kinofassung komplett entfernt, Teile davon für die Fernsehfassung des Films aber wieder eingefügt, weshalb sie als Schauspielerin hier verzeichnet bleibt. Der Regisseur Harold Becker und sein Star Al Pacino kamen 7 Jahre später für City Hall (USA 1996) erneut zusammen - ein Film, der trotz Bridget Fondas und Martin Landaus in der Riege der Darsteller und trotz Paul Schraders als Co-Autor nicht über ein gehobenes Mittelmaß hinauskommt.
Via Universal Pictures Germany GmbH liegt Sea Of Love – Melodie des Todes hierzulande als exzellente BD (2012) und als sehr gute DVD-Edition (2004) vor, d.h. in der ungekürzten Kinofassung im Originalformat, bild- und tontechnisch einwandfrei, dazu die original englische Tonspur und auch die Kinosynchronisation auf Deutsch bei der DVD, optional Untertitel auf Englisch und Deutsch. Indessen bietet die BD bei den Tonspuren noch Japanisch, Russisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch und Italienisch zu bieten hat und als UT zusätzlich Französisch, Italienisch, Spanisch, Japanisch, Portugiesisch, Tschechisch, Dänisch, Niederländisch, Finnisch, Griechisch, Ungarisch, Koreanisch, Norwegisch, Polnisch, Russisch, Schwedisch, Thailändisch, Türkisch und Mandarin. Als Extras gibt es (auch auf DVD) einen Audio-Kommentar von Harold Becker, ein Making Of, geschnittene Szenen und den Original-Kinotrailer.