Bewertung
***
Originaltitel
Mong-ta-joo
Kategorie
Neo Noir
Land
KOR
Erscheinungsjahr
2013
Darsteller
Jung-hwa Uhm, Sang-kyung Kim, Young-chang Song, Hee-bong Cho, Seung-mok Yoo
Regie
Keun-sup Chung
Farbe
Farbe
Laufzeit
116 min
Bildformat
Widescreen
Chuncheon in Südkoreas nordöstlicher Provinz Kangwon: Noch immer träumt Ha-kyung Yoon (Jung-hwa Uhm) von den Ereignissen bei der Geldübergabe an den Entführer ihrer Tochter Suh-jin (Sung-kyung Kim), die vor 15 Jahren zum Tod des Mädchens führten. Am heutigen Morgen klingeln die Polizisten Chung-ho Oh (Sang-kyung Kim) und Cha (Hae-kyun Jung) an ihrer Tür. Sie informieren die stets trauernde Mutter darüber, dass am 19. Juli die Tat verjährt und der niemals entlarvte Entführer nicht mehr bestraft werden könne. Die Frau ist entrüstet und erinnert den damals mit den Ermittlungen betraueten Chung-ho Oh, dass er ihr versprach, den Täter zu überführen… Jener begibt sich fünf Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist, von der Last des ungelösten Falls niedergeschlagen, an den Tatort und entdeckt dort zufällig eine in Cellophan gehüllte Blume. Oh vermutet, dass sie jemand dort niedergelegt habe, doch Frau Yoon, die er sofort anruft, war es nicht. Nun gibt es an dieser Stelle inzwischen eine Überwachungskamera und zusammen mit Cha wertet Oh, der die Blume dummerweise mit bloßen Händen an sich nahm, deren Aufzeichnungen aus. Tatsächlich entdecken die beiden, wie in der Nacht zuvor ein Mann mit Kapuze die Straße überquerte und die von Oh gefundene Blume niederlegte. Sofort machen sich die beiden auf den Weg, folgen mit Taschenlampen dem Rückweg des Fußgängers und finden auf einem Platz, wo vor 15 Jahren der Entführer Suh-jins sein gestohlenes Fahrzeug parkte, frische Reifenspuren…
Es gibt aus den letzten Jahren kaum einen Film, dessen begeisterte Aufnahme durchs Publikum und durch die Filmkritik ich so wenig nachvollziehen kann, wie das bei Verjährung der Fall ist. Sicher! Die Montage - so der englische Kinotitel - eines Handlungsverlaufs, der den Zuschauer anhand komplex ineinander verschachtelter Rückblenden an der Aufklärung von zwei Kriminalfällen teilhaben lässt, ist handwerklich gelungen. Aber selbst das trägt in Keun-sup Chungs Regiedebüt den Stallgeruch der Filmhochschule, denn so richtig innovativ und einzigartig ist es nicht. Erst im Jahr zuvor gab es in Südkorea mit Confessions of Murder (KOR 2012) einen Film über einen Serienkiller, der nach Ende der Verjährungsfrist von 15 Jahren seine Taten offenbart… Das Manko von Verjährung ist seine über die Maßen konstruierte Handlung, deren Raffinese über die Glaubwürdigkeit einzelner Schritte des Tathergangs in zwei Fällen von Kindesentführung hinweg täuschen soll. Diese Schritte kann ich hier nicht preisgeben, ohne Aspekte der Lösung jenes Rätsels, das dem Film seine Spannung veleiht, vorwegzunehmen. Nur soviel: Wer einst das nahezu „perfekte Verbrechen“ begangen hat, wird sich später kaum derart naiv in die Falle locken lassen. Auch in Sachen physischer Fitness und mit Blick auf Kaltblütigkeit und Planungssicherheit ist hier längst nicht alles nachvollziehbar. Obendrein gibt es reihenweise Koinzidenzen, über die man nicht nachdenken sollte, da sie sonst absurd erscheinen. Der Polizist Cheiong-ho Oh entdeckt den fürs Niederlegen der Blume am Tatort gestohlenen Wagen rein zufällig. Der wird von einem sonst immer extrem umsichtigen Täter (obwohl gestohlen) immer noch benutzt, der sich dann zufällig auch dem Wagen nähert. Und bei der Verfolgungsjagd ist Frau Ha-kyung Yoon rein zufällig mitten im Geschehen, so dass sie später in einem Imbisslokal einen Fund machen und sich selbst auf die Spur des Täters begeben kann... Noch platter sind mit einem Abstand von 15 Jahren zwischen den Entführungsfällen die Koinzidenzen bei Übergabe des Lösegelds. Dennoch gehört Michael Schleeh für Schneeland international zu den wenigen Rezensenten, die daraus einen klaren Schluss ziehen: „Das wirkt alles schrecklich bemüht und künstlich verschachtelt.“
In Südkorea zog Verjährung über zwei Millionen Zuschauer ins Kino und wurde zum Überraschungserfolg. Die Schauspielerin Uhm Jung-hwa wurde für ihre Darstellung der von Trauer und Rachegedanken zermürbten Mutter mehrfach ausgezeichnet. Auch das kann ich nicht nachvollziehen. Die beteiligten Akteure sind durch die Bank gut, ihre Rollencharaktere entfalten nach einem etwas überhasteten Start eine jeweils signifikante Kontur, doch überwältigend ist an dem in vieler Hinsicht soliden Neo Noir nichts. Es gibt im asiatischen Neo-Noir-Kino Filmwerke mit Gänsehauteffekt. Für mich persönlich zählen etwa Infernal Affairs - die achte Hölle (HK 2002) oder Memories Of Murder (KOR 2003) dazu, letzterer ebenfalls mit Sang-kyung Kim als Detective der koreanischen Polizei. Verjährung ist ein Film, der seine Grundidee und damit verbundene Handlungsprämissen verschenkt, da er sich in einer übersteigerten Konstruktion verliert, um seine Montage als besonders tricky und clever zu vermarkten. Was vor allem im skandinavischen Noir oft gelingt, man denke nur an derart vertrackte Fälle wie in Søren Sveistrups TV-Serie Kommissarin Lund (DK/NOR/SWE/GER 2007 -2012), ist im vorliegenden Neo Noir aus Südkorea allzu durchsichtig und vordergründig gestrickt.
Gute BD- und DVD-Editionen (2015) der Edel Germany GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, wahlweise die deutsche (im Vergleich eine leider nicht überzeugende Synchronisation) oder die koreanische Tonspur, dazu optional deutsche Untertitel, ein 15minütiges Making of als Extra.