Neo Noir
| USA
| 1996
| Robert Altman
| Robert Altman
| Harry Belafonte
| Steve Buscemi
| Jennifer Jason Leigh
| Miranda Richardson
Bewertung
****
Originaltitel
Kansas City
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA/USA
Erscheinungsjahr
1996
Darsteller
Jennifer Jason Leigh, Miranda Richardson, Harry Belafonte, Michael Murphy, Dermot Mulroney
Regie
Robert Altman
Farbe
Farbe
Laufzeit
111 min
Bildformat
Widescreen
Kansas City, 1934, am Vortag der Senatswahlen: Die beim Telegrafenamt am Hauptbahnhof angestellte Blondie O’Hara (Jennifer Jason Leigh) vertritt heute ihre Schwester Mrs Babe Flynn (Brooke Smith) bei der Maniküre für Mrs Carolyn Stilton (Miranda Richardson). Letztere wohnt in einer Stadtvilla und ist mit Henry Stilton (Michael Murphy) verheiratet, einem politischen Freund und Vertrauten von US-Präsident Roosevelt. Carolyn Stilton ist allein Zuhause und die farbige Haushälterin Rose (Tawanna Benbow), die mit den beiden Dobermännern die Tür öffnet, prüft den Utensilienkoffer, den Blondie dabei hat, bevor jene treppauf in die Gemächer der Hausherrin darf. Die ist von der unangekündigten Vertretung überrascht und fragt sogleich, ob Babe denn Blondie etwas mitgegeben habe. Mrs Stilton ist opiumsüchtig und braucht dringend ein Fläschchen Laudanum, doch die Besucherin zieht stattdessen eine Pistole aus ihrer Jackentasche. Sie bedroht Carolyn und will wissen, wann deren Ehemann wieder Zuhause ist. Als Blondie hört, dass der mit dem Zug auf dem Weg nach Washington D.C. ist, bringt das ihren Plan gehörig durcheinander… Am Bahnhof hält die Partei der Demokraten eine Wahlkampfveranstaltung ab. Henry Stilton muss auf seinem Weg zum Zug Journalisten abwimmeln. Das 14jährige Farbige Pearl Cummings (Ajia Mignon Johnson) ist auf der Suche nach Nettie Bold (Jane Adams), die das Mädchen in ein Heim einweisen lassen möchte. Und Blondie nimmt sich für die nächsten drei Tage frei…
“He's a loser. And losers got to be respected. They're the backbone of my business.” Ein im Verlauf seines teils komplexen Erzählverlaufs nicht immer zu 100% wasserdichter Film, der dennoch einen enorm hohen Schauwert hat, – Kamera, Ausstattung, Musik und Schauspieler sind durch die Bank exzellent – der all seine Subplots nie aus den Augen verliert und die Hauptgeschichte mit einem großartigen Finale zu krönen weiß. Die Kritiken waren international eher verhalten, auch an den Kinokassen erwies sich Kansas City als Flop und so geriet er bald in Vergessenheit. Dass er überhaupt in seiner Opulenz hatte gedreht werden können, war allein seinem damals mit einem gelungenen Comeback gesegneten Regisseur Robert Altman zu verdanken. Er hatte mit The Player (USA 1992) und Short Cuts (USA 1993) zwei auch in seiner Heimat erfolgreiche Filme gedreht und mit dem zumindest in Europa erfolgreichen Prêt-à-Porter (USA 1994) ebenfalls Anerkennung erhalten. Für den autobiografisch eingefärbten, persönlichen Kansas City - die Stadt war Geburtsort und Heimat Altmans - fand er daraufhin eine Produktionsfirma in Frankreich. Das Werk bezieht sich nicht nur explizit auf den Gangsterfilm der Dreißiger und zitiert im Finale unter anderem William A. Wellmans The Public Enemy (USA 1931) sondern nutzte ebenso das Jazz-Revival der Neunziger sowie die nach den 1992er Krawallen in Los Angeles verstärkt geführte Rassismus-Debatte und jene über die politische Kultur in den USA, die inklusive Jazz und Blues jeweils auch in anderen Retro-Noir-Werken wie Teufel in Blau (USA 1995) oder Cafe Society (USA 1995) ihren Niederschlag fanden.
“Democrats do that?” - “Democrats? They're what they're paid to be. This is America, lady.“ Robert Altman blieb sich nicht nur mit der Stringenz seiner nostalgisch verbrämten Systemkritik treu. Als ein deutlich vom klassischen Filmstil Hollywoods geprägtes, nahezu episches Werk zeigt Kansas City fast zwanzig Jahre nach Erscheinen einen angenehm zeitlosen Charakter, der die dazumal so bejubelten Zeitgeistfilmchen der Herren Tarantino oder Rodriguez mühelos hinter sich lässt. Harry Belafonte (Wenig Chancen für morgen, USA 1959) als der ebenso kluge wie eiskalte Mobster Seldom Seen, der inmitten der niemals endenden Jazz-Sessions im Hey-Hey Club seine Schattenherrschaft ausübt, ist ein wunderbar pointierter Charakter. Wahre Sternstunden der Schauspielkunst liefern uns Jennifer Jason Leigh als proletarisches Imitat Jean Harlows - Blondie O’Hara und Carolyn Stilton sehen im Kino Ganovenbraut (USA 1933) - und Miranda Richardson als vielschichtige Gattin eines Upper-Class-Politikers. Ihre Chemie miteinander ist grandios, indessen sich beide ohne Abgleiten ins Over-Acting furios in ihre Rollencharaktere einspielen. Als episches Drama erinnert Kansas City streckenweise nicht sofort an den Film Noir, aber sowohl thematisch als auch stilistisch prunkt der Film mit Reminiszenzen an die Zeit, darin er spielt. Noch heute scheiden sich die Geister, doch ich kann Kansas City nur empfehlen: Unbedingt ansehen.
Kansas City erschien via Alamode Film in einer exzellent editierten DVD-Edition (2007) im Pappschuber, mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu wahlweise die deutsche oder englische Tonspur, optional deutsche Untertitel, eine französische Dokumentation, eine B-roll und diverse Kurinterviews als Extras.