Bewertung
****
Originaltitel
Jägarna
Kategorie
Neo Noir
Land
SWE
Erscheinungsjahr
1996
Darsteller
Rolf Lassgård, Lennart Jähkel, Jarmo Mäkinen, Tomas Norström, Thomas Hedegran
Regie
Kjell Sundvall
Farbe
Farbe
Laufzeit
113 min
Bildformat
Widescreen
Viele Jahre lang war Erik Bäckström (Rolf Lassgård) bei der Polizei in Stockholm, bis eine lebensbedrohliche Schussverletzung, die Trennung von seiner Frau und den Kindern und schließlich der Tod seines Vaters ihn dazu veranlassen, in sein Heimatdorf in Norrland, im hohen Norden Schwedens, zurückzukehren. Hier trifft er auf der Beerdigung als erstes auf seinen jüngeren Bruder Leif (Lennart Jähkel). Jener lebte stets zusammen mit dem Vater auf dem elterlichen Hof. Heute findet dort der Leichenschmaus statt und Erik trifftviele Bekannte wieder, so Leifs Freund Tomme Harela (Jarmo Mäkinen), der inzwischen mit Eriks Jugendliebe Britt (Helén S. Henriksson) verheiratet ist. Sie alle beäugen den Rückkehrer mit Misstrauen. Doch als er sich unterm Einfluss von reichlich Schnaps als der alte Haudegen zu erkennen gibt, ist das Eis gebrochen. Erst in der Dunkelheit rollt die Karawane der Autos vom Hof und Erik gibt Leif zu verstehen, dass er nicht nach Stockholm zurückkehren, sondern eine Stelle bei der örtlichen Polizei antreten wird. Im Präsidium wird er kurz darauf vom Polizeichef (Åke Lundmann) begrüßt und seinem Kollegen Bengtsson (Roland Hedlund) vorgestellt. Die beiden kümmern sich als erstes um einen Fall wiederholter Wilderei bei in der Region weidenden Rentierherden. Am Tatort findet Erik neben den nicht verwertbaren Überresten der Tiere auch eine abgebrochene Messerspitze. Bengtsson versucht die Sache herunterzuspielen, doch Erik stellt fest, dass die organisierte Wilderei in der Region seit Jahren massiv um sich greift. Sein Engagement in der Untersuchung trifft jedoch allerorten auf Unverständnis…
Die Rede vom Scandinavian Noir oder vom Nordic Noir, wie der Begriff inzwischen auch heißt, geht schon in der Betitelung auf die Ära des klassischen Film Noirs in den USA zurück. Klassifiziert werden damit die literarischen Werke von Autoren wie Henning Mankell oder Stieg Larsson, aber auch solche episch angelegten, grimmig düsteren Fernsehserien wie Kommissarin Lund (DK/NOR/SWE/GER 2007-2012) oder Die Brücke - Transit in den Tod (SWE/DK 2011). Bei den stark auf ihre Charaktere und deren psychologische Disposition fokussierten Kriminaldramen ist der Einfluss der langjährigen Film-Noir-Tradition unübersehbar. Im Kino fand dies schon früher seinen Niederschlag, etwa in Erik Skjoldbjærgs epochalem Neo Noir Todesschlaf (NOR 1997) oder eben in Kjell Sundvalls Jägarna, der in Deutschland als Die Jäger - Eine mörderische Männerfreundschaft nur im Fernsehen Premiere hatte, dann in Anlehnung an seinen US-Titel als The Hunters - Jäger des Todes (2003) oder Hunters - Die Spur der Jäger (2013) (jeweils ohne Originalton) auf DVD erschien. Der lieblose Umgang mit diesem exzellenten Thriller führte leider dazu, dass Jägarna bis heute ein Geheimtipp blieb, zumal die Fortsetzung Jägarna 2 (SWE 2011), der in Deutschland ebenfalls nicht im Kino lief, auf DVD als Die Nacht der Jäger erschien - ohne einen Hinweis auf den 15 Jahre zuvor erschienenen, ersten Film.
Jägarna ist ein kompromisslos dunkles Drama, das ein Schlaglicht auf die menschlichen Abgründe in einer ländlichen Kommune wirft, deren Bewohner seit jeher nach eigenen Gesetzen zu leben gewohnt sind. So erinnert die Rückkehr des rechtschaffenden Polizeibeamten Erik Backström beizeiten an die FBI-Agenten im Süden der USA, wie sie in Alan Parkers Mississippi Burning - Die Wurzel des Hasses (USA 1988) portraitiert sind. Weitere Vergleiche mit Hollywood sind überflüssig, denn Jägarna geht mit Blick auf den Verlauf seiner Handlung keine Kompromisse ein. Die Schauspieler agieren allesamt auf hohem Niveau, mit Rolf Lassgård und Lennart Jähkel als Geschwister Bäckström in beeindruckend komplexen Charakterportraits. Die Kameraarbeit Kjell Lagerroos’ ist wunderbar unprätentiös und effektiv. Die Dramaturgie von Autor und Regisseur Kjell Sundvall ist geruhsam unerbittlich und zeigt die Rollencharaktere und deren Beziehungen in ihrer Bandbreite. Genau das sorgt für den die Thriller-Handlung übersteigenden Neo-Noir-Aspekt des Films, die Tragik folgenschwerer Ereignisse, die in der Vergangenheit wurzelnd schließlich in der Gegenwart in ein gnadenloses Finale münden. Beim Kinostart in Schweden ein Kassenerfolg ist der Nordic Noir Jägarna auch deutschen Cineasten wärmstens zu empfehlen. Mit seinem unterkühlt ländlichen Lokalkolorit ist er selbst von Debra Graniks viel beachtetem Winter’s Bone (USA 2011) nicht allzu weit entfernt.
Auch die neueste deutsche DVD-Ausgabe (2013) der Atlas Film und Medien GmbH bringt den Film zwar ungekürzt und im Originalformat, doch ohne den schwedischen Originalton und ohne Untertitel. Insofern besser die schwedische Original-DVD kaufen, welche über englische Untertitel verfügt.