Post Noir
| International
| 1960
| Rudolf Jugert
| Georg Krause
| Heinz Engelmann
| Ivan Desny
| Peter Capell
| Belinda Lee
Bewertung
***
Originaltitel
Der Satan lockt mit Liebe
Kategorie
Post Noir
Land
GER/FRA
Erscheinungsjahr
1960
Darsteller
Belinda Lee, Joachim Hansen, Ivan Desny, Heinz Engelmann, Peter Capell
Regie
Rudolf Jugert
Farbe
s/w
Laufzeit
87 min
Bildformat
Vollbild
An einer Schienenbaustelle kann Carlos Maraux (Ivan Desny), just irgendwo in Frankreich aus dem Gefängnis ausgebrochen, auf einen langsam fahrenden Nachtzug aufspringen und ins Innere eines Waggons gelangen. Während die Dampflok wieder Fahrt aufnimmt und der Schaffner die Fahrkarten kontrolliert, so auch diejenige des Bankangestellten Robert Martin (Joschim Hansen), hält sich Maraux in der Toilette versteckt. Als der Beamte vorüber ist, sucht er sich ein Abteil aus und entscheidet sich für dasjenige mit dem schlafenden Robert Martin. Hier bemerkt der ex-Häftling, dass der ausgestreckt auf der Bank liegende Martin eine prall gefüllte Brieftasche im Jacket trägt, die er an sich nimmt. Da fährt der Zug in einen Tunnel, der Lärm weckt Martin auf, und der neue Passagier gibt ihm seine Brieftasche mit dem Hinweis zurück, dass er in Zukunft besser darauf achtgeben solle. Im Lauf der Reise erklärt Robert dem aufmerksam zuhörenden Carlos, dass er sich am Zielort der Zugreise, einer Hafenstadt, nach Südamerika einschiffen wolle. Er habe in einer Bank gearbeitet, werde aber ein neues Leben beginnen. Carlos macht ihn darauf aufmerksam, dass er sich doch in seiner letzten Nacht in Europa diese Stadt ansehen solle und die beiden verabreden sich um Mitternacht in der Colibri Bar. Indessen macht sich die Nachtclubsängerin jenes Etablissements, Evelyn (Belinda Lee), auf den Weg zum Hafen. Dabei wird sie von einem Mann (Peter Capell) verfolgt, der so gut wie sie selbst weiß, dass sie die Freundin des Gangsters Carlos Maraux ist und dass sich ihre Wege in nächster Zeit sicher kreuzen werden…
„Jetzt verschlingt die Schlange das Kaninchen.“ Wunderbare Drehorte in Frankreich, schöne Kameraarbeit, mittelmäßige bis lausige Darsteller, vor allem eine abstruse Inszenierung und teils hanebüchene Dialoge. Die Kriminalgeschichte, die den Treiber der Handlung abgibt, hätte einiges an Potential, mit ihren auf Liebe und Freundschaft und unerwiderter Liebe beruhenden Loyalitäten. Auch der zynische Polizeichef Geck (Peter Capell), der die Ganoven sich lieber gegenseitig um die Ecke bringen lässt, ist gut porträtiert und erweist sich in einem vor der Hafenkulisse stimmigen Entwurf am richtigen Platz. In guten Momenten erinnert Der Satan lockt mit Liebe an die Häfen englischer Film Noirs wie Unterwelt (UK 1951) oder The Long Memory (UK 1953). Die Idee einer Flucht per Schiff, die aufgrund der ständigen Angst vor Entdeckung eine gereizte, unheivolle Atmosphäre stiftet, lässt an Marcel Carnés Hafen im Nebel (FRA 1938) oder an Anthony Manns Flucht ohne Ausweg (USA 1948) denken. Belinda Lee, Ivan Desny und Heinz Engelmann sind solide und als Trio schillernder Charaktere mit einer undurchsichtigen, gemeinsamen Vergangenheit zumindest akzeptabel. Hier erweist sich das Drehbuch im Finale als überraschend konsequent und sorgt für eine bestechende letzte Szene, die mit zum Besten zählt, was der Film zu bieten hat. Doch was die Liebesgeschichte betrifft, schlittert man sehenden Auges in die Katastrophe. Sie ist ein solch klischeebehafteter Mumpitz, das es zwischenzeitlich kaum auszuhalten ist.
An erster Stelle muss das Versagen des Darstellers Joachim Hansen beklagt werden, der selbst fürs deutsche Niveau der späten 50er einfach miserables Schauspiel bietet. Seine Chemie mit Belinda Lee geht gegen Null, ihre Liebesgeschichte ist eine Farce. Sodann kommt die Inszenierung durch B- Film-Routinier Rudolf Jugert, der seit 1948 massenweise die für jene deutschen 50er typischen Schmonzetten lieferte, mit Nachts auf den Straßen (GER 1952) als gleichfalls vom Film Noir inspirierte Ausnahme. In Der Satan lockt mit Liebe zeigt die Kamera eine aus dem Zug gefilmte Winterladschaft bei Tag, indessen Robert seine Liebe zu Nachtzügen deklamiert. Im nächsten Moment sitzen er und Carlos im Abteil – vor dem Fenster ist es nachtschwarz. Evelyn verlässt wegen einer Reifenpanne ein Taxi in Pumps, stellt sich vor dem Regen unter, und steigt in Stiefeletten wieder ein. Robert und Evelyn stehen des Nachts auf einem Balkon und lehnen sich auf ein schmiedeeisernes Gitter. Schnitt: Man sieht Robert und Evelyn von hinten, aber das Gitter ist ein völlig anderes und vor ihnen liegt die Stadt bei Tag. Ich habe selten einen so schlampig editierten und inszenierten Film gesehen. Die vermeintlichen Action-Sequenzen sind Lachnummern und „Liebhaber“ Robert schläft nach einem leidenschaftlichen Morgenkuss Evelyns in Sekundenschnelle wieder so tief, dass sie sich davon stehlen kann… Warum gebe ich diesem Unfug trotzdem drei Sterne, die als 2,5 Sterne zu sehen sind? Nun, die letzte Szene hätte jedem biederen US-Film-Noir der 50er gut zu Gesicht gestanden. Und außerdem bin ich nicht objektiv. Der Auftritt der ein Jahr später, mit 25 Jahren tödlich verunglückten Belinda Lee in der Colibri Bar ist eindrucksvoll choreographiert und ganz und gar die Epoche. Sehen muss man den Film deshalb sicher nicht.
Die DVD-Edition (2013) der Reihe Filmjuwelen vom Filmverlag Fernsehjuwelen bringt den Film ungekürzt im Vollbildformat 1.37:1 und der deutschen Tonspur ohne Untertitel, bildtechnisch topp, den Trailer als Extra. Die Ausgabe im Pappschuber ist grafisch exzellent, doch der im 18seitigen Booklet beinhaltete Filmessay Oliver Bayans beschränkt sich auf Listen von Filmen und Infos zu Darstellern und Crew, Hintergründe zum Filmwerk selbst gibt es leider fast keine.