Neo Noir
| USA
| 2011
| James Ellroy
| Oren Moverman
| Ben Foster
| Ice Cube
| Jon Bernthal
| Ned Beatty
| Robert Wisdom
| Steve Buscemi
| Woody Harrelson
| Robin Wright
Bewertung
*****
Originaltitel
Rampart
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
2011
Darsteller
Woody Harrelson, Ned Beatty, Ben Foster, Anne Heche, Ice Cube
Regie
Oren Moverman
Farbe
Farbe
Laufzeit
104 min
Bildformat
Widescreen
Los Angeles, Kalifornien, im Jahr 1999: Seit 24 Jahren ist Streifenpolizist Det. Officer David Douglas Brown (Woody Harrelson) im Staatsdienst tätig, ein ausgebrannter, herrischer, zynischer Misanthrop. Brown macht der jungen Polizistin Jane (Stella Schnabel) klar, dass er von den Lehren der Polizeiakademie rein gar nichts hält und und er zeigt ihr, wie man mit dem Abschaum der Straßen umzugehen habe. Zweimal war der Vietnamveteran verheiratet und zwar mit den Schwestern Catherine (Anne Heche) und Barbara (Cynthia Nixon), mit denen er jeweils eine Tochter zeugte, die Halbschwestern Helen (Brie Larson) und Margaret (Sammy Boyarsky). Obwohl er von beiden Frauen getrennt ist, leben Mütter und Töchter Haus an Haus mit Dave, der mit seiner Familie die Mahlzeiten teilt und mit Kommentaren zur Entwicklung seiner Kinder nicht hinterm Berg hält. Obendrein macht er beiden Frauen nach wie vor sexuell Avancen, die jene teils erwidern, teils nicht, so dass die Situation eine zunehmend unklare und schwierige ist. Eines Tages jedoch geht Officer Brown einen Schritt zu weit, als er den flüchtigen Fahrer eines Unfallwagens vor den Augen eines Zeugen mit Videokamera brutal krankernhausreif schlägt. Die Bilder gelangen ins Fernsehen, die Öffentlichkeit protestiert, denn das Klima in der Stadt ist durch zahlreiche Polizeiübergriffe eh aufgeheizt - Browns Vorgehen bringt das Fass zum Überlaufen. Staatsanwältin Joan Confrey (Sirgourney Weaver) möchte ihn daher in den Vorruhestand versetzen. Brown aber beschließt sich zur Wehr zu setzen und wendet sich an seinen Protegé, den einflussreichen ex-Polizisten Hartshorn (Ned Beatty), einst ein intimer Freund von Dave Browns Vater, der ebenfalls Polizeibeamter des LAPD war…
”Bear in mind that I am not a racist. Fact is, I hate all people equally.” Wer viele Filme sieht, wird seltener überrascht, bestenfalls jedoch, wenn ihm klar wird, dass er soeben ein Meisterwerk sieht, das zu sehen er nicht erwartete. Genau so ein verstecktes Meisterwerk ist Rampart - Cop außer Kontrolle. „Versteckt“ vor allem deshalb, weil sich über diesen Neo Noir nach einem Drehbuch James Ellroys (L.A. Confidential, USA 1997) die Geister scheiden und zwar ebenso, wie auch zu Andrew Dominiks Killing Them Softly (USA 2012) und Derek Cianfrances‘ The Place Beyond The Pines (USA 2012) Dispute über Dramaturgie und Taktung zeitgenössischen Erzählkinos entstanden. Solche Filme sind für ein heutiges Publikum eine Überraschung an der Grenze zum Schock, indem sie sich dem Hochgeschwindigkeitstempo des Achterbahnkinos in 3D bewusst und vollständig verweigern und zum Takt des Erzählens nach klassischem Zuschnitt zurückkehren, der sich oft auch an der cineastischen Epik akueller Fernsehserien aus dem Haus von HBO & Co. orientiert. So ein Fall ist Rampart - Cop außer Kontrolle ganz dezidiert, der wie z.B. Sidney Lumets Tödliche Entscheidung (USA/UK 2007) in keiner Minute an ein Retro-Kino nach Vorgaben klassischen Film Noirs denken lässt, sondern bei aller Lust an Bild und Perspektive ganz und gar im Hier und Heute angekommen ist. Darin liegt seine Stärke, die er in allen Sequenzen und formalen Bestandteilen gekonnt ausspielt.
Zum ersten fällt natürlich der Hauptdarsteller Woody Harrelson auf, dessen Darstellungskunst sich in Regionen empor schraubt, die früher u.a. Gene Hackman, Al Pacino oder Philip Seymour Hoffman vorberhalten waren. Sein Rollenportrait wäre jedes Filmpreises würdig gewesen. Woody Harrelson trägt den Film, dessen Regisseur Oren Moverman inklusive Kameramann Bobby Bukowski und dessen exquisites Ensemble an Nebendarstellern – allen voran Robin Wright und Ben Foster – alles tun, um ihn tatkräftig zu unterstützen. Rampart - Cop außer Kontrolle ist nicht nur grandios gespielt, er ist auch fantastisch bebildert, von der wackeligen Handkamera in semidokumtarischem Stil bis hin zu atemberaubenden Kompositionen voller List und Tücke, die ihrerseits zum Spannungsaufbau und zum Schauwert des Ganzen viel beitragen. Allein die Schlusssequenz macht nomchmals deutlich, dass dieser Film mit seinem Dave Brown, dem jeder seine Dummheit und Abgestumpftherit vorhält, enorm komplex ist, ohne dass der Trip ins Innenleben solches etwa durch tiefschürfende Dialoge oder wirre Experimente zuwege bringt, im Gegenteil. Vor allem die Szenen, die Brown mit seinen Töchtern zeigen, sind in Sprache und Gehalt so schlicht und präzise, dass sie nicht nur herzergreifend und dramatisch sondern vor allem auch schlüssig daher kommen. Rampart - Cop außer Kontrolle (ein irreführender Zweittitel) ist enorm vielschichtig in der Charakterzeichnung, erreicht dieses aber mit einfachen Mitteln, die dem Zuschauer nie und nimmer der Freiheit des Schauens und des Denkerns berauben. Wer sich hierauf einlassen kann, wird genau durch letzteres reich belohnt. Fazit: Einer der besten und am meisten missverstandenen und ignorierten Neo Noirs seiner Zeit und jedem Cineasten vorberhaltlos zu empfehlen!
Erstklassige BD- und DVD-Edition (2012) der Ascot Elite Home Entertainment mit dem Fim ungekürzt im Originalformat, englische und deutsche Tonspur, opptional deutsche Untertitel, den Kinotrailer, ein Making Of und Interviews mit Cast und Crew als Extras. Perfekt!