Ossessione - von Liebe besessen / Besessenheit

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Bewertung
*****
Originaltitel
Ossessione
Kategorie
Film Noir
Land
ITA
Erscheinungsjahr
1943
Darsteller

Clara Calamai, Massimo Girotti, Dhia Cristiani, Elio Marcuzzo, Juan de Landa

Regie
Luchino Visconti
Farbe
s/w
Laufzeit
135 min
Bildformat
Vollbild
 

 

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Als nahe Codigoro bei der Tankstelle und dem Rasthaus von Giuseppe Bragana (Juan de Landa) ein Lastwagen ankommt, ist Benzin nicht das einzige Gut, das er transportiert. Der Landstreicher Gino Costa (Massimo Girotti) hat sich auf der Ladefläche versteckt und ist dort eingeschlafen. Während Bragana mit den Fahrern über seinen eigenen, defekten Wagen spricht, schlurft Costa in die Schankstube und will am Tresen etwas bestellen. Er hört eine Stimme und fragt im Eingang zur Küche nach, darin Giovanna Bragana (Clara Calaima) mit Kochen beschäftigt ist. Als Giovanna Gino sieht, weiß sie erst nichts zu antworten, und der dreiste Kerl lässt sich in der Küche von ihr ein Essen ausgeben, für das er immerhin bezahlt. Giuseppe Bragana kehrt zurück und schmeißt Costa hinaus, rennt ihm aber schnell nach, als Giovanna angibt, der Mann sei ein Zechpreller. Doch Gino ist nun pleite und Bragana bietet ihm an, mit der Reparatur der Wasserpumpe und der seines Wagens für sein Essen zu bezahlen. Gino Costa schlägt ein. Er hat es nicht eilig und möchte gern wissen, was Giovanna veranlasste zu lügen. Unter den Gästen im Rasthaus ist heute auch der Priester aus Codigoro, Don Remigio (Michele Riccardini). Als Costa dem Wirt erklärt, dass ein fehlender Verteilerfinger die Ursache für den Motordefekt sei, was seinerseits gelogen ist, macht sich Bragana mit dem Priester per Fahrrad auf den Weg in die Stadt, um das Ersatzteil zu besorgen. Gino aber geht ins Haus, schließt die Türen ab und trifft die schöne Giovanna allein…
 
“Ossessione’s melange of film noir and neo-realism is quite stunning”, schreibt James Travers in seinem Aufsatz für Films de France. Und Louis Bayman kommt für Directory of World Cinema zu dem Schluss: “Ossessione suggests a convergence between Poetic Realism, Film Noir, and Neorealism, three different cinematic interpretations of the crisis of the moral and social landscapes of the 1930s and 40s.” Luchino Viscontis Regiedebüt war im faschistischen Italien ein Skandal. Der Film wurde verboten, seine Kopien zerstört. Erst im Europa der Spätfünfziger wurde er von der Kritik als Vorläufer des italienischen Neorealismus’ gefeiert. Im Grunde ist er mehr als das, insofern er deutlich dem Poetischen Realismus Frankreichs verpflichtet ist, abgründig fatalistisch in der Zeichnung aller Charaktere, zudem sowohl thematisch als auch stilistisch Elemente des Film Noirs einbezieht, wie sie in den USA ab 1940 von Orson Welles und Alfred Hitchcock entwickelt wurden. Viscontis Werk wird aber von seinen viusuellen Mitteln nicht dominiert, wie es für Fritz Lang oder Robert Siodmak streckenweise charakteristisch ist. Es gibt Low-Angle-Einstellungen und großartige Metaphern, wenn etwa bei Rückkehr von Gino und Giovanna aus dem Polizeihauptquartier ins Rasthaus das Tageslicht des Sommers ausgeklammert, Türen und Fensterläden geschlossen und von Gino die Blätter des Abrisskalenders tageweise heruntergerissen werden. Gino ist auch nach seiner schicksalhaften Begegnung mit dem fahrenden Händler Lo spagnolo - Elio Marcuzzos Darstellung ist überaus sensibel in der Zeichnung einer homoerotischen Beziehungsebene - kein Mann der Worte. Seine Taten hingegen sprechen in solchen Momenten Bände.
 
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© Studiocanal GmbH
 
Viscontis Ossessione - von Liebe besessen / Besessenheit ist eine filmische Adaption von James M. Cains Roman Die Rechnung ohne den Wirt - im Original The Postman Always Rings Twice (EA 1934). Bereits 1939 hatte Pierre Chenal in Frankreich unterm Titel Le dernier tournant eine erste Verfilmung gewagt, mit u.a. Michel Simon und Corinne Luchaire, ein Werk des Poetischen Realismus’. Seit Tay Garnetts Hollywoodadaption Im Netz der Leidenschaften / Die Rechnung ohne den Wirt (USA 1946) ist Cains Vorlage in den Kosmos der Film-Noir-Stoffe eingemeindet, obgleich Viscontis Portraits von Giovanna Bragana als Femme fatale und Gino Costa als Herumtreiber - voll der erotischen Spannungen und nachtdunkler Egoismen! - bei weitem abgründiger und schlicht besser sind. Vor allem ist Juan de Landa als Ehemann um vieles glaubwürdiger als Cecil Kellaway in der US-Version - ein guter Schauspieler, doch in der Rolle eine Witzfigur - und er gibt Viscontis Film in seiner ersten Hälfte viel „Gewicht“. Bob Rafelsons Wenn der Postmann zweimal klingelt (USA 1981) reüssierte mit Jack Nicholson und Jessica Lange zum erotischen Skandalfilm. Seither gibt es eine vierte und sogar fünfte Verfilmung, in Ungarn 1998 und in Malaysia 2004. Luchino Viscontis Fassung ist die eindeutig beste, doch da er nie die Filmrechte erworben hatte, wurde dieses Meisterwerk italienischen Filmschaffens auf Betreiben von Cains Verlag bis 1976 in den USA nicht aufgeführt und erlebte auch in Europa nur eine begrenzte Verbreitung.
 
Seit 2003 gibt es eine sehr gute DVD-Edition vom British Film Institute (BFI), die den Film bildtechnisch zwar nicht brillant, doch in der bis dato bestmöglichen Version beinhaltet. Lange Zeit nur stark gekürzt zu sehen, ist diese Fassung des seinerzeit fast verloren gegangenen Films knapp 135 Minuten lang, - die Angabe von 140 Minuten auf dem Cover ist falsch - im Originalformat mit einer gut verständlichen Tonspur (Italienisch), englischen Untertiteln und einem kurzen Essay im Innenteil des Umschlags. Im Februar 2013 bringt Arthaus / Studiocanal den Film im Rahmen der 7-DVD-Box Luchino Visconti Edition erstmals auch in Deutschland auf DVD heraus.
 

Film Noir | 1943 | International | Giuseppe De Santis | Luchino Visconti | James M. Cain | Massimo Girotti

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