Film Noir
| UK
| 1954
| Terence Fisher
| Alfie Bass
| Dane Clark
| Harold Lang
| Belinda Lee
| Delphi Lawrence
| Eleanor Summerfield
Bewertung
****
Originaltitel
Murder by Proxy
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1954
Darsteller
Dane Clark, Belinda Lee, Betty Ann Davies, Eleanor Summerfield, Andrew Osborn
Regie
Terence Fisher
Farbe
s/w
Laufzeit
87 min
Bildformat
Vollbild
In der Bar seines Londoner Hotels hockt der aus Chicago stammende Casey Morrow (Dane Clark) allein vor seinem x-ten Drink, während ein Jazz-Ensemble mit Sängerin (Cleo Laine) Louis Armstrongs St. Louis Blues anstimmt: “I hate's to see dat ev'nin' sun go down / Hate's to see dat ev'nin' sun go down / Cause ma baby, she done lef' dis town.“ Plötzlich steht die hübsche Phyllis (Belinda Lee) neben ihm und fragt unverblümt, ob sie ihm Gesellschaft leisten dürfe. Casey ist betrunken und obendrein pleite, so dass er die Dame nicht einladen kann, doch das interessiert Phyllis kaum, die ihrerseits eine Bestellung aufgibt, indessen die beiden ins Plaudern kommen. Als sie spät in der Nacht aufbrechen und Phyllis dem sturzbesoffenen Casey sogar ohne die Hilfe des freundlichen Barkeepers Ernie (Alfie Bass) in den Mantel hilft, eröffnet sie ihm, dass sie ihn heiraten wolle und zwar schnell… Am Morgen erwacht Casey mit einem Kater in dem in Chelsea gelegenen Atelier der Malerin Margaret Doone (Eleanor Summerfield), die ein Ölgemälde von Phyllis auf ihrer Staffelei hat. Morrow erkennt zwar seine Begleiterin der letzten Nacht, kann sich aber an nichts erinnern. Er trinkt noch einen Kaffee und verabschiedet sich. Als er einen Zeitungshändler um Feuer bittet, sieht er die Titelseite und die Schlagzeile des Daily Mirror. Letzte Nacht wurde der steinreiche Darius Brunner ermordet. Dessen minderjährige Tochter Phyllis aber, die stets bei ihren Eltern Darius und Alicia Brunner (Betty Ann Davies) wohnt, ist spurlos verschwunden. Und als Casey Morrow in seine Hosentasche greift, um die Zeitung zu kaufen, entdeckt er darin 500 englische Pfund, die nicht ihm gehören…
“The last time Ms. Opportunity knocked at my door I let her in.“ – “Uh… What happened?“ – “Now I haven’t even got a door.“ Der Film ist eine durchweg positive Überraschung, insofern die Film-Noir-Titel der englischen Hammer Film Productions aus den Früh- bis Mittfünfzigern recht inkonsistent sind. Murder by Proxy oder auch Blackout (US-Titel) ist gelungen und vereint zentrale Qualitäten eines guten Film Noirs. Zum ersten gibt es ein schlüssiges Drehbuch nach Helen Nielsens Roman Gold Coast Nocturne (EA 1954), das am laufenden Meter pointierte und bissige Dialoge liefert. Zum zweiten ist das Schauspiel weit besser als man das von vielen B-Produktionen jener Mittfünfziger gewöhnt ist, nämlich inspiriert und engagiert, wobei vor allem Dane Clark und Belinda Lee eine bemerkenswerte Chemie entwickeln. Auch die Riege der Nebendarsteller ist klasse - mit Harold Lang, Alfie Bass und Eleanor Summerfield in triftiger Besetzung. Zum dritten erweist sich die sichere Handhabung seitens der Routiniers Terence Fisher (Dracula, UK 1958), Regisseur, und Walter J. Harvey, Kameramann, als solide Basis für einen temperamentvollen Thriller. Fisher übernahm allein 1954 die Regie für insgesamt 4 Filme und Harvey war im gleichen Jahr der Kameramann von insgesamt 9 Filmproduktionen. Die Art und Weise, wie Murder by Proxy Fahrt aufnimmt und als einer der besten englischen B-Produktionen seiner Zeit Klasse zeigt, nötigt einem vor diesem Hintergrund Respekt ab.
© VCI Entertainment
“She was a good model, but she was an awful liar.“ Nicht der Kriminalfall sondern die Charaktere, nicht in erster Linie ihre Geschichte sondern die Beziehungsebenen aller Mitspieler machen den Reiz des Films aus. Schön ist, dass Regie und Drehbuch einen Sinn dafür zeigen und nicht unnötig aufs Gaspedal drücken, was viele B-Filme jener Zeit um ihre Glaubwürdigkeit und damit die nötigste aller Qualitäten brachte. Als britischer Film Noir aus einer Zeit, da in den USA der McCarthy-Ära die klassische Film-Noir-Epoche verkümmerte und ihrem Ende zustrebte, bringt Murder by Proxy nochmals viele Elemente zur Geltung: eine Femme fatale und einen Loser, eine Amnesie und eine Wahrheit in Rückblenden, Nebel und Regen bei Tag und anonyme, trostlose Orte bei Nacht… Der aus New York stammende Dane Clark (Moonrise, USA 1948) war vor allem in der ersten Hälfte der Fünfziger in Hauptrollen zu sehen und bestritt für Hammer Film Productions zwei weitere Film Noirs, nämlich The Gambler and The Lady (UK 1952) und Five Days / Paid To Kill (UK 1954). Die in Murder by Proxy erst 19jährige Belinda Lee trat international noch in vielen Filmen auf und kam 1961 mit nur 26 Jahren in San Bernardino, Kalifornien, bei einem Autounfall ums Leben.
Murder by Proxy / Blackout erschien als DVD einzig bei VCI Entertainment in den USA (2009, weltweit abspielbar) und zwar als Double Feature mit dem schwächeren Stolen Face (UK 1952): gute Bild- und Tonqualität, ohne Untertitel und mit einigen informativen Extras, ungekürzt im Originalformat. Ein Vorteil der 3-DVD-Box des sogenannten Collector’s Set Vol.1 der als Hammer Film Noir betitelten VCI-Edition: Man erhält 6 leidlich unterhaltsame und obskure B-Filme von 1952 bis 1954 für wenig Geld.