Neo Noir
| USA
| 1977
| Paul Schrader
| John Flynn
| Jordan Cronenweth
| Tommy Lee Jones
| William Devane
| Linda Haynes
Bewertung
***
Originaltitel
Rolling Thunder
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1977
Darsteller
William Devane, Tommy Lee Jones, Linda Haynes, James Best, Dabney Coleman
Regie
John Flynn
Farbe
Farbe + s/w
Laufzeit
96 min
Bildformat
Widescreen
San Antonio, Texas, 1973: Major Charles Crane (William Devane), ein Bomberpilot, und Sergeant Johnny Vohden (Tommy Lee Jones) kehren nach sieben Jahren Kriegsgefangenschaft aus dem Vietnamkrieg zurück.. Auf dem Flughafen wird ihnen ein ehrenvoller Empfang bereitet und Major Crane adressiert ein paar Worte an die wartende Menge: ”Speaking for myself, I’d like to say that the whole experience has made a better man, a better officer and a better American out of me. Thank you very much.” Dann wird wird er von seiner Frau Janet (Lisa Blake Richards), seinem neunjährigen Sohn Mark (Jordan Gerler) und dem befreundeten Polizeioffizier Cliff (Lawrason Driscoll) in Empfang genommen. Aber in sieben Jahren haben sich die Dinge auch zu Hause verändert. Mark hat keine Erinnerung an ihn und Janet, die oft nicht sicher sein konnte, dass Charles überhaupt am Leben sei, hat ein Verhältnis mit Cliff, das sie nicht beenden will. Crane akzeptiert die neuen Umstände, so gut er kann, doch er erinnert sich an die Folter im Gefängnis in Hanoi, kann nicht schlafen und konsultiert einen Psychotherapeuten der Air Force (Dabney Coleman). Cliff versucht sich - wegen seiner Heiratspläne mit Janet - Charles anzunähern, doch der konfrontiert ihn mit seinen Erfahrungen während der Gefangenschaft. Als er bei einer Ehrung von der hübschen Linda Forchet (Linda Haynes) mit einem Koffer voller Silberdollar bedacht wird, einen für jeden Tag seiner Kriegsgefangenschaft, ist das der Beginn einer unerwarteten Katastrophe…
“I had everything worked out, but nothing's gone the way I planned.” Paul Schrader weiß, wie ein Film Noir klingen muss: “It’s like my eyes are open, and I’m looking at you, but I’m dead.” Die katastrophale deutsche Synchronisation dieses Films lässt das Beste von Der Mann mit der Stahlkralle - schon der deutsche Titel ist im Vergleich zum Original lächerlich - auf der Strecke: seine Sprache. Denn es ist, was ein Noir-Drehbuch ausmacht, und der Autor Paul Schrader hat insbesondere zwischen 1975 und 1980 bewiesen, dass er viel davon versteht. Die im Skript angelegte Charakterstudie eines vollends kaputten Mannes, Major Charles Crane, und des nicht minder zerstörten Johnny Vohden – schon bei Ankunft am Flughafen lässt Tommy Lee Jones keinen Zweifel daran, dass sein Rollencharakter ein Psychopath ist! – zeigen an vielen Stellen die Sicherheit seines Autors. Linda Haynes spielt wunderbar, William Devane haucht seinem komplexen Charakter viel Leben ein, Tommy Lee Jones ist so gut wie immer. Und die Nebendarsteller sind so schillernd, wie man es sonst nur von Sam Peckinpah gewohnt ist - mit James Best (Schock-Korridor, 1964) als Texan und Luke Askew als Automatic Slim. Ja, Paul Schrader hatte alles kompromisslos ausgearbeitet. Im Windschatten von Martin Scorseses Taxi Driver (1976) nach Paul Schraders Drehbuch standen die Zeichen günstig. Bis auf Geheiß der Produzenten TV-Autor Heywood Gould ins Spiel kam und ohne Schraders Beteiligung das Skript zu polieren begann.
“As inevitable as it is, the final shootout - with both men in full uniform - is a bit of a letdown”, fasst Wallace Stroby für Noir Of The Week das Dilemma des Films zusammen. Die zweite Hälfte führt uns zwar im Verhältnis zu Linda Forchet einen gewissenlos egoistischen, gefühlstoten Crane vor, der die ihn liebende Frau schamlos ausnutzt. Dennoch lässt die dem Finale zustrebende Entwicklung keinen Zweifel daran, dass der nun wieder in Armee-Uniform mit seinem Kumpel Vohden auf mexikanischem Territorium Selbstjustiz übende Major Crane im Grunde ein Held ist. Das Gebrochene, was am Ende von Taxi Driver bitter aufstößt und jenes furchtbare Missverständnis offenbart, die Fehlinterpretation eines egomanischen Blutrausches durch die Medienwelt, geht in Der Mann mit der Stahlkralle verloren. Paul Schrader distanzierte sich öffentlich vom fertigen Film, dessen Überarbeitung durch Gould er ablehnte, weil nun, so Schrader, aus einem Film über Faschisten einer geworden sei, der selbst faschistoid ist. Wer Der Mann mit der Stahlkralle in seinen letzten 20 Minuten ernst nimmt, wird diesen Standpunkt nachvollziehen können. Es ist andererseits kein Wunder, dass Quentin Tarantino den im Grunde konventionell patriotistischen Rachethriller zu seinen Lieblingsfilmen zählt. Wo Paul Schrader sichtbar und hörbar wird, zeigt der Film Klasse und Potential. Die abschließenden 20 Minuten ziehen das Werk hinab in den Pfuhl stumpfer Allerwelts-Action.
Sehr gute deutsch BD- und DVD-Ausgabe der Koch Media GmbH (2012), die den Film ungekürzt im Originalformat mit wahlweise der deutschen (die Synchronisation ist allerdings schrecklich) oder englischen Tonspur, optional deutschen Untertitel, sowie als Extras mit Audiokommentar und mit dem Kinotrailer präsentiert.