Film Noir
| UK
| 1953
| Robert Hamer
| Harry Waxman
| Geoffrey Keen
| Harold Lang
| John McCallum
| John Mills
| John Slater
| Elizabeth Sellars
| Eva Bergh
| Mary Mackenzie
Bewertung
****
Originaltitel
The Long Memory
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1953
Darsteller
John Mills, Elizabeth Sellars, John McCallum, Eva Bergh, Geoffrey Keen
Regie
Robert Hamer
Farbe
s/w
Laufzeit
96 min
Bildformat
Vollbild
Philip Davidson (John Mills) tritt im Gewimmel des Londoner Hauptbahnhofs vom Gleis in die Eingangshalle. In seinem Anzug mit einem Paket in Packpapier unterm Arm wirkt er verwirrt und unsicher. Ein Herr im Trenchcoat, der offenbar auf ihn wartete, heftet sich an seine Fersen. An einem abgelegen Stück der Themsemündung sammelt ein abgerissener Alter (Michael Martin-Harvey) mit Gewehr auf der Schulter Strandgut in einen Einkaufswagen. Er sieht Davidson aufs Wrack eines alten Kahns steigen; scheinbar will er sich dort niederlassen. Der Alte verlangt Miete für das Boot, doch gibt er dies schnell als Scherz aus und meint, dass ihm Freund weit lieber wäre. Als Davidson, der den Mann schroff abkanzelt, versucht sein Boot herzurichten, steigt die Erinnerung in ihm empor… Einst war er mit der schönen Fay Lowther (Elizabeth Sellars) liiert. Deren Vater war Captain Driver (Fred Johnson) - ein Mann, der sein lukratives Geschäft darin gefunden hatte, gesuchten Verbrechern eine Passage auf den Kontinent zu bieten. Und so geriet Davidson ausgerechnet an dem Abend, als ihn Fay ihrem versoffenen Vater vorstellen wollte, in einen Streit mit dem Schieber Boyd (John Chandos), der für Philip gänzlich ungeahnte Konsequenzen haben sollte...
Die britische J. Arthur Rank Organisation produzierte ab den Mittvierzigern eine Reihe bemerkenswerter Film-Noir-Titel. The Long Memory, deutscher Fernsehtitel war im Oktober 1967 Meineid, wurde einer davon – ein wahrhaft grimmiges, brillant inszeniertes und toll gespieltes Drama, wie es in den USA der McCarthy-Ära und im Deutschland des anhebenden Wirtschaftswunders nicht vorstellbar gewesen wäre. Vielleicht ist das der Grund, warum der Film mit John Mills, in England eine Schauspiellegende, hierzulande völlig unbekannt blieb. Ein wunderbar ausdrucksstarkes Schwarzweiß und exquisite Schauplätze – die Londoner Docks ebenso wie die nächtlichen Straßen von Gravesend – erheben The Long Memory in der Nachfolge von Sträfling 3312 (UK 1947) oder Ein Kind war Zeuge (UK 1952) zu einem weiteren Meilenstein des britischen Film-Noir-Kinos. Darüber hinaus lässt der Film in seiner punktgenauen Dramaturgie an die hohe Kunst Alfred Hitchcocks denken, die an manchen Stellen die Blaupause geliefert haben mag. Wie so oft im britischen Filmschaffen jener Jahre besticht das Schauspiel der Darsteller bis in die kleinsten Nebenrollen. Die Norwegerin Eva Bergh, der Australier John McCallum aber auch John Slater und Howard Lang sind rundum überzeugend.
© VCI Entertainment
Spielt The Long Memory zu Teilen auch außerhalb der Metropole London, hat weder die verwüstete Natur der Themsemündung die geringste Romantik zu bieten, noch spart der Film anderweitig mit Film-Noir-Elementen. Eine Feme fatale (wider Willen), ein von Gott und der Welt verlassener Außenseiter im Kampf um den letzten Überrest seiner Würde, die sensationshungrige Presse und reihum falsche Identitäten. The Long Memory greift in Rückblenden wahrlich tief in die Erinnerungen Philip Davidsons, um dem Zuschauer sein Schicksal plausibel zu machen. Und im Gegensatz zum Mainstreamkino unserer Zeit gibt es eine Liebesgeschichte, die in ihren Wurzeln einmal nicht banal und vorhersehbar ist. So bleibt wünschenswert, dass der Film im Rahmen einer hochwertigen Edition auch in Deutschland auf den Markt käme.
Aktuell ist der Film nur als Teil eines englischen Box-Sets mit anderen John-Mills-Klassikern erhältlich – ohne deutsche Tonspur oder deutsche Untertitel. Eine mitunter im Web erhältliche, preiswerte griechische Ausgabe steckt im simplen Pappschuber und bringt den Film mit englischer Tonspur und Untertiteln auf Griechisch. Die Bildqualität ist mittelprächtig, aber nicht schlecht, der Film ist ungekürzt und liegt im Originalformat vor.