Hugh Jackman, Rebecca Ferguson, Thandiwe Newton, Cliff Curtis, Marina de Tawira
© Warner Bros.
Miami, Florida, in naher Zukunft: Der Klimawandel und ein Krieg haben die USA und das Leben in den Städten radikal verändert. Die Straßen der Metropole sind geflutet, ihre Bewohner tragen Gummistiefel und bewegen sich in den Straßenschluchten zwischen Hochhäusern mit Booten voran. Tagsüber ist es unerträglich heiß, die Leute schlafen: das öffentliche Leben findet nur in den Nächten statt. Nick Bannister (Hugh Jackman) ist ein Privatdetektiv, aber ein besonderer. Mithilfe einer Apparatur, welche die Erinnerungen eines Menschen sichtbar und hörbar werden lässt, hilft er seinen Klienten zu den schönen Momenten ihres Lebens zurückzukehren und sie in einem luziden Traum nochmals zu erleben. In einer Welt, deren Zukunft einzig bedrohlich erscheint, so Bannister, locken nurmehr die besten Momente der Vergangenheit zu ihr zurückzukehren: “Nostalgia never gets out of style.“ Zugleich hilft Bannister mit seiner Technik der Justiz, Tatverdächtige einer Lüge zu überführen und herauszubekommen, was im Fall eines Verbrechens wirklich geschah. Als Nick Bannister heute an seinem Arbeitsplatz ankommt, erwartet ihn seine Assistentin Emily “Watts“ Sanders (Thandiwe Newton). Ihr erster Kunde, so Watts, sei der Kriegsveteran Hank (Javier Molina), welcher nie etwas zahle und im Krieg beide Beine verlor. Bannister heißt ihn willkommen, legt ihn in den Wassertank und befestigt Elektroden an seinem Kopf, bevor Hank in einen Sommertag vor 13 Jahren zurückkehrt, an dem er mit seiner Hündin Angie herumtollte…
“The past doesn't haunt us. Wouldn't even recognize us. If there are ghosts to be found, it's us who haunt the past.” Der Autorin und Regisseurin Lisa Joys Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie (USA 2021) ist eine prominent besetzte A-Produktion, die auch in Deutschland ins Kino kam. Die Autorin hatte sich zuvor mit der HBO-Fernsehserie Westworld (USA 2016-2022), basierend auf Michael Crichtons gleichnamigem Science-Fiction-Film von 1973, einen Namen gemacht. Mit Hugh Jackman und Rebecca Ferguson verfügt Reminiscence, so der US-Titel, über zwei namhafte Hauptdarsteller; auch ist Paul Cameron (Dead Man Down, USA 2013) ein Kameramann von Rang. Zu guter Letzt war Joys Film, der via Warner Bros. Pictures vertrieben wurde, mit einem Budget von 54 Millionen US-Dollar auch satt ausgestattet. Doch das Werk floppte und erhielt bescheidene Kritiken, um es mal nett zu formulieren, auch vom Publikum wurde es verschmäht. Warum? Vielleicht weil es nicht recht ins Schema zeitgenössischer Action- und Science-Fiction-Spektakel passt, denen es gemäß Trailer anzugehören schien. Weil es sich an Filmklassiker der 40er Jahre anlehnt und viele Topoi dem klassischen Film Noir entlehnt: ein ausgebrannter Privatdetektiv, eine rätselhafte Femme fatale, letztere Nachtclubsängerin, ihr plötzliches Verschwinden und dubiose Figuren, die mehr wissen, als sie preiszugeben bereits sind. Von Charles Vidors Gilda (USA 1946) bis zu Roman Polanskis Chinatown (USA 1974) sind die Referenzen offensichtlich. Lisa Joy ließ sich auch vom Science-Fiction-Film inspirieren: George Pals Die Zeitmaschine (USA 1960), David Cronenbergs Der Höllentrip (USA 1980) oder Kathryn Bigelows Strange Days (USA 1995) finden sich zitiert. Dass die Zeitreise nicht in die Zukunft sondern in die Vergangenheit weist, ist nicht nur formal sondern inhaltlich relevant. In seinen ersten 45 Minuten konnte (und wollte) ich mich selbst dem romantischen Kern von Drehbuch und Film nicht entziehen, dessen Geschichte mich zu packen wusste. In seiner zweiten Hälfte möchte das Werk dann aber doch ein Blockbuster sein. All die Versprechen seines Beginns werden urplötzlich nicht eingelöst: stattdessen fällt der Film vor den Augen des staunenden Cineasten schier auseinander.
Eine Koinzidenz jagt in sprunghafter Abfolge die nächste. Auf der Suche nach Mae (Rebecca Ferguson) trifft Bannister in New Orleans einen Drogendealer (Daniel Wu). Dabei gerät er unter die Räder und wird von Watts in einer Action-Sequenz gerettet, die an Hongkong-Thriller und Jason-Statham-Filme erinnert und völlig (!) den falschen Ton trifft… Von dort geht es rapide bergab. Immer mehr fügt sich alles zu einem Komplott, in die alle mit dem Detektiv verbandelten Figuren wundersam in einer Beziehung stehen, und die Auflösung des Ganzen ist so banal wie unbefriedigend. Letzteres wiegt umso schwerer, da Idee und Konzept des Films klug angelegt sind und Lisa Joy obendrein gute Dialoge und flotte Einzeiler zu Papier bringt. So frage ich mich: Wer bitte hat diese Produktion derart in den Teich gesetzt? Hätte man Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie nicht so offensichtlich bemüht einem Mainstreampublikum schmackhaft machen wollen, hätte der Film in einer Liga mit Ridley Scotts Der Blade Runner (USA/UK/HK 1982) spielen können. An Ressourcen mangelte es nicht. Aber im Finale und in der Schlusssequenz driftet Lisa Joy endgültig von Tragik zu Kitsch. Das wirkt im Ganzen nurmehr hastig zusammengestoppelt, teils unlogisch und überzuckert, und so ist der Film zumindest mir letztlich keine drei Sterne wert.
Es gibt eine jeweils fein editierte deutsche BD- und DVD-Ausgabe (2021) der Warner Bros. Entertainment GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformal, bild- und tontechnisch topp, dazu den englischen Originalton und je die deutsche, italienische, polnische, tschechische, rumänische und ungarische Kinosynchronisation, optional Untertitel auf Deutsch, Englisch, Koreanisch, Polnisch, Tschechisch, Kantonesisch, Ungarisch, Rumänisch und Chinesisch, obendrein als Bonus-Features: Reminiscence: Ein Wiedersehen, das Westworld-Team trifft sich wieder, Die versunkene Küste über die Errichtung einer überfluteten Stadt, ein Making of und ein Musikvideo.