Guy Pearce, Matilda Lutz, Jonathan Aris, Colin Salmon, Jóhannes Haukur Jóhannesson
Ein Taxi fährt des Nachts eine leere, mehrspurige Straße entlang; ein Hubschrauber fliegt über die gewaltige, von Kunstlicht illuminierte Metropole, als das Firmengebäude der Veidt Corporation mit seinem Neonschriftzug ins Blickfeld rückt… Privatdetektiv David Carmichael (Guy Pearce) geht einen unterirdischen Korridor entlang, bevor er vor eine kahle, mit einem Drahtgitter versperrte Betonzelle gelangt, zu der er sich mittels eines Codes Zutritt verschafft. Hierin befindet sich Jaden (Antonia Campbell-Hughes), die ihn anspricht und erklärt, dass sie die Zukunft höre und daher wisse, dass all die Männer dort oben und ihre Auftraggeber dem Untergang geweiht seien. Genau deshalb sorge sie sich auch um ihn. Indessen baut Carmichael eine in einem Koffer platzierte Handfeuerwaffe mit Schalldämpfer zusammen, in die er das Magazin einführt und die er durchlädt. Während Jaden auf die Knie fällt, geht er schweigend einen Schritt auf sie zu und erschießt sie kaltblütig per Kopfschuss. Vom Tisch schnappt er sich ein Messer, geht zur stets knieenden Jaden und skalpiert sie, bevor er auf ihrem frei liegenden, blutigen Schädel einen runden Deckel freilegt und ein rot blinkendes Bauteil der Elektronik dieses Cyborgs der Veidt Corporation entnimmt. Zwei Männer kommen mit einer Bahre, tragen Jaden und ihr elektronisches Hirn von dannen. Eine Lautsprecherstimme meldet Carmichael, dass seine Zeit gestoppt wurde und sich Joseph Veidt (Jonathan Aris) nun mit ihm treffen und die Bewertung vornehmen werde…
“I don't get paid to give these sickos what they want. I get paid to keep the world from finding out what these sickos want. I am discretion.“ Der Australier Guy Pearce (L.A. Confidential, USA 1997) ist ein respektabler Schauspieler. Zwischen 2012 und 2021 verkörperte er in drei Fernsehfilmen und in drei Staffeln einer TV-Serie um den ex-Rechtsanwalt Jack Irish nach Kriminalromanen von Peter Temple den gleichnamigen Privatermittler und zwar sehr überzeugend. Ähnlich wie seine US-Kollegen Nicolas Cage, Matt Dillon oder Willem Dafoe ist sich Guy Pearce aber nicht zu schade, für gutes Geld seinen Namen internationalen Produktionen zur Verfügung zu stellen, denen von vornherein ein Brandgeruch anhaftet. So ist es auch im Fall von Andrew Bairds Zone 414 nach einem Drehbuch von Bryan Edward Hill. Zwar haben sich in den letzten 25 Jahren, seitdem die Studios in Hollywood einzig auf Blockbuster setzen und eine Flut von TV-Produktionen dem Kinofilm den Rang abläuft, gerade im Segment Neo Noir Independent-Produktionen oft als ambitioniert und frei von merkantilen Interessen und genau deshalb als die besseren Filme erwiesen. Keith Snyders Emmett’s Mark (USA 2002), Debra Graniks Winter’s Bone (USA 2011) oder David A. Armstrong’s The Assassin’s Code (USA/CAN 2018) konnten mich in der Hinsicht überzeugen. Aber selbst wer sich Zone 414 offen und vorurteilsfrei anschaut, wird von dieser Melange aus allzu offensichtlichen Vorbildern genervt und enttäuscht werden. Der unermesslich reiche Konzerninhaber Marlon Veidt (Travis Fimmel) beauftragt einen Privatdetektiv damit, seine verschollene Tochter Melissa (Holly Demaine) zu finden. Nun, das kennt man u.a. aus Tran Anh Hungs I Come With The Rain (HK/FRA/IRL/ESP/UK 2009). Melissa Veidt soll sich in der sogenannten Zone 414 befinden, wo die von der Veidt Corporation entwickelten Cyborgs echten Menschen als Spielzeug für ihre schmutzigen Fantasien dienen. Dies wiederum ist ein Szenario, was einst in Michael Crichtons Westworld (USA 1973) thematisiert wurde, bevor es dank Ridley Scotts Der Blade Runner (USA/UK/HK 1982) mit Anleihen beim klassischen Film Noir eine völlig neue Ära des Science-Fiction-Films aus der Taufe hob.
“Zone 414” doesn’t bother with subtlety. It’s a blatant “Blade Runner” rip-off complete with brooding bounty hunters, psychotic billionaires playing God, and doe-eyed androids searching for love”, schrieb Beatrice Loayza für die New York Times über einen Film, der heute in die Sparte Tech Noir oder Techno-Noir einsortiert wird, was auch nicht falsch ist. Zugleich bringt sie zum Ausdruck, was den Löwenteil der Enttäuschung ausmacht: alles schon gesehen, alles schon gehört, nur eben um Längen besser. Nun zeichnet sich der Neo Noir grundsätzlich durch seine Referenzen aus, und Lawrence Kasdans Heißblütig - Kaltblütig / Eine heißkalte Frau (USA 1981) verdankt zentrale Motive selbstredend Billy Wilders Frau ohne Gewissen (USA 1944). Aber Kasdans Variation des uralten Themas zeigt in allen Registern Klasse und ist durch und durch eigenwillig. All das trifft auf Zone 414 nicht ansatzweise zu. Zwar müht sich Kameramann James Mather nach Kräften, die nahe Zukunft, welche der Film beschreibt, stylish und hochwertig aussehen zu lassen, doch bleibt der Look des Werks großteils „billig“. Sein Regisseur Andrew Baird hatte zuvor Musikvideos und Kurzfilme inszeniert: über die lange Strecke geht ihm sichtlich die Puste aus. Und das Schauspiel… rangiert zwischen mittelprächtig (bei Pearce und Lutz) und desaströs, sofern es Travis Fimmel betrifft, dessen Multimilliardär Marlon Veidt zur ungewollten Selbstparodie verkommt, weshalb ich eingangs glaubte, das Ganze sei ein Witz. Allein solche Figur ruiniert den Film zur Hälfte. Fazit: diese 99 Minuten kostbarer Lebenszeit lassen sich auf jeden Fall besser investieren.
Die deutsche Splendid Film GmbH veröffentlichte das Werk als Zone 414 – City Of Robots auf einer bild- und tontechnisch jeweils exzellenten BD- bzw. DVD (2021) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu die englische Tonspur, eine deutsche Synchronisation, optional deutsche oder niederländische Untertitel, sowie den Kinotrailer und ein Making Of als Extras.