Kent Taylor, Virginia Grey, Milburn Stone, John Litel, Jane Adams
© Universal-International Pictures Inc.
New York: Rechtsanwalt Mark Fenton (Kent Taylor) hat in einem Strafprozess für Don Elliott (Danny Norton) bei einer Anklage wegen Totschlags einen Freispruch erwirkt, obgleich der Mann im angetrunkenen Zustand eine Frau überfahren hatte. Als Don mit Mark Fenton und seinem Onkel Stephen Elliott (John Litel), einem renommierten Theaterproduzenten, aus dem Gerichtssaal kommt, wehrt Dons Vormund die Reporter und Fotografen vehement ab, worauf Fenton sich wundert, dass Stephen Elliott auf solche Publicity verzichte. Jener gibt zu verstehen, dass er genau solche Werbung, die ihn und seinen alkoholabhängigen Neffen gemeinsam in die Schlagzeilen brächte, sicher nicht brauche, und so ärgert er sich, als es doch einem Fotografen gelingt, ein Bild zu schießen. Indessen Don draußen vor der Tür auf seinen Onkel wartet, nimmt Fenton Elliott beiseite und fragt ihn, wie es um ihre Vereinbarung stehe. Stephen Elliott antwortet ihm, dass er mit Blick auf sein Drama Miracle At Midnight gestern Morgen im Courtney Theatre vorstellig wurde und dass er Paula Marlowe (Virginia Grey) für eine gute Schauspielerin halte, in solcher Rolle jedoch nicht für die Richtige. Fenton ist entsetzt, doch Elliott macht ihm klar, dass er ihm nichts versprochen und ihn für seine Dienste fürstlich entlohnt habe und ihm daher alles Gute wünsche. Mark Fenton begibt sich ins Theater, wo Paula Marlowe mit Maurice Fitzgerald in einem Stück namens Escape spielt und begrüßt den Rezeptionisten (Chester Conklin) des Bühneneingangs…
“You can run along, Mark. I shan’t need you anymore.” - “You’re wrong, Paula. You will need me again. You’ll need me very much…” Ein Hochgenuss in solcher Produktion der Universal Pictures ist Virginia Grey und ihre Ausgestaltung einer Rolle als Femme fatale, in dem Fall der aus der Provinz stammenden Schauspielerin Paula Marlowe, die in ihrem Umfeld alle und jeden missbraucht, um auf der Karriereleiter des Theaterbetriebs in der Großstadt nach oben zu gelangen. Der Film ist ein Remake von Edward Laemmles Kriminaldrama A Notorious Gentleman (USA 1935) mit Charles Bickford, Sydney Blackmer und Helen Vinson in Hauptrollen bzw. die Neuverfilmung der gleichnamigen, zugrundeliegenden Erzählung (EA 1934) von Colin Clements und Florence Ryerson. Regisseur Charles Barton hatte seit 1934 haufenweise B-Filme in den Sparten Musical, Komödie, Abenteuer und Western ins Kino gebracht. Ab 1953 arbeitete er fast nur fürs Fernsehen, und mit dem Film Noir verbindet ihn, der bis 1971 bei 97 Produktionen Regie führte, außer Smooth As Silk rein gar nichts. Allemal war bei solchem Werk von 66 Minuten Laufzeit Jack Bernhard (Blonder Lockvogel, USA 1946) Produzent und Elwood Bredell (Rächer der Unterwelt / Die Killer, USA 1946) der Kameramann, zwei dem Connaisseur der Schwarzen Serie vertraute Namen. Vor allem letzterer stellt seine Expertise unter Beweis: die Drehorte und die Nachtszenen im abschließenden Drittel werten den heute obskuren Film deutlich auf. John Litel und Kent Taylor hatten im Alter von jeweils 53 und 39 Jahren ihre beste Zeit schon hinter sich. Beide waren in Filmen der 30er Jahre deutlich erfolgreicher gewesen. Dennoch zeigen sie sich hier als kompetente Akteure, die ihre jeweiligen Figuren dank eigener Handschrift mitgestalten, und das bekommt einem Drama, das seinen zu Beginn leichten Ton mehr und mehr einbüßt. Wenn Paula Marlowe, die Mark Fenton, Don Elliott und Stephen Elliott gnadenlos gegeneinander ausspielt und nur von ihrer Schwester Susan (Jane Adams) durchschaut wird, schließlich Mark den Laufpass gibt, dreht der Staranwalt den Spieß kurzerhand um.
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“Though an enjoyable little diversion from beginning to end, at a runtime of just over an hour there is a sense that Smooth As Silk comes together a little too quickly in its concluding segments”, schreibt Laura Grieve für Laura’s Miscellaneous Musings, die den Film 2022 in Chicago auf dem Filmfestival NOIR CITY in einer Präsentation durch Eddie Muller von der Film Noir Foundation, San Francisco, zu sehen bekam. So ging es mir auch. Indessen man für über eine Stunde den sich dynamisch wandelnden Verhältnissen im Leben der drei Hauptakteure folgt und auch mehrere Nebenfiguren eingeführt werden, macht Charles Barton den Sack urplötzlich zu. Mit einem Mal erscheint das “The End“ auf der Leinwand, was sich zu dem Zeitpunkt als klar verfrüht und unbefriedigend erweist. Kent Taylor war alles andere als ein schlechter Darsteller und war bis Mitte der 70er Jahre dennoch nur in zweit- bis drittklassigen TV- und Kinoproduktionen zu sehen. Virginia Grey gelang nie der Durchbruch, welcher hier noch in Reichweite zu sein schien. Ab 1950 rutschte auch sie zunehmend auf die hinteren Ränge der Besetzungslisten. Smooth As Silk ist keine vergessene Perle des Film Noirs, aber auch kein Werk, das gesehen zu haben einen Freund der Filmklassik ärgern müsste und das man sich sparen sollte. Drei Sterne und ein halber.
In der Universal Vault Series der Universal Pictures (USA) gibt es eine DVD-R (2016), die den Film bildtechnisch adäquat restauriert und mit guter Tonqualität präsentiert, ungekürzt und im Originalformat mit original englischem Ton ohne Untertitel oder Extras. Warum es bis dato (2024) via Kino Lorber Studio Classics keine Blu-ray gibt, insofern in deren Box-Sets Film Noir: The Dark Side Of Cinema reihenweise Klassiker der Universal Pictures fälschlicherweise als “Film Noir“ ausgezeichnet wurden, ist mir ein Rätsel.