Humphrey Bogart, Alexander Knox, Florence Marly, Sessue Hayakawa, Jerome Courtland
© Columbia Pictures Corporation
Eine Passagiermaschine der US-amerikanischen Northwest Airlines vom Typ Douglas C-54G-5-DO Skymaster befindet sich im Anflug auf die Haneda Air Force Base in der japanischen Hauptstadt Tokio. Nachdem sie dort landete, verlässt Joseph “Joe“ Barrett (Humphrey Bogart), ehemals ein Lieutenant Colonel der US Air Force, das Flugzeug und wird mit Blick auf seine Reisedokumente von einem Lieutenant (Harlan Warde) abgefertigt. Kaum hat Barrett dem Offizier den Rücken zugekehrt, telefoniert jener mit Colonel Dohlgren (Rhys Williams) und meldet ihm die Ankunft des einst in Tokio lebenden US-Bürgers. Mit einem Omnibus der Fluglinie gelangt der Ankömmling bis zum Hauptquartier der örtlichen Militärpolizei. Hier muss er seine Fingerabdrücke hinterlegen und wird fotografisch erfasst, bevor er von einem Major (Hugh Beaumont), dem Provost Marshal, zum Gespräch geladen wird. Jener fragt ihn geradeheraus, was ihn nach Tokio führe, und Barrett antwortet ihm, dass er bis 1941 einen Nachtclub nebst Spielkasino namens Tokyo Joe’s betrieben habe. Der Major macht ihm klar, dass in Tokio Glücksspiel aktuell nicht erlaubt sei und das Lokal momentan von einem Japaner verwaltet werde. Barrett weiß das, schließlich sei Ito (Teru Shimada) ein Freund von ihm, was der Major mit einem säuerlichen Lächeln quittiert. Er habe ein Touristenvisum für 60 Tage, teilt er Joseph Barrett mit, was jenem ganz offensichtlich nicht behagt. Kaum ist sein Besucher zur Tür hinaus, greift auch der Chef der Militärpolizei zum Telefonhörer…
“Tokyo Joe functions as an action melodrama with little noir to chew on”, heißt es bei Classic Film Noir und es trifft den Nagel auf den Kopf, obgleich es auch mit der Action nicht sonderlich weit her ist. Das routinierte und dennoch engagierte Schauspiel Humphrey Bogarts hält den Film, der von dessen eigener Santana Pictures Corporation produziert und von Columbias Pictures vertrieben wurde, halbwegs auf Kurs. Demgegenüber ist das Werk durch und durch eine Melange all der von Bogart bis 1948 exklusiv für Warner Bros. Pictures gedrehten Werke, die nach 1941 großteils aus Film-Noir-Klassikern und Kriegsdramen bestanden. So finden sich in Tokio-Joe, der Anfang 1951 auch in bundesdeutschen Kinos zu sehen war, sowohl Elemente von Späte Sühne / Ein Mensch verschwindet (USA 1947) und Gangster in Key Largo / Hafen des Lasters (USA 1948), darin der internationale Filmstar jeweils Kriegsheimkehrer verkörperte, als auch von Abenteuer in Panama (USA 1942) und Passage To Marseille (USA 1944), darin Bogart gegen Japaner und Deutsche antrat. Als Glücksritter und Veteran findet Joseph Barrett sieben Jahre, nachdem er seine Wahlheimat Tokio wenige Wochen vor dem Angriff auf Pearl Harbour verließ, seine totgeglaubte Ehefrau Trina Pechinkov (Florence Marlis) an der Seite des Rechtsanwalts Mark Landis (Alexander Knox), den sie ehelichte, nachdem sie sich ohne sein Beisein von ihm hat scheiden lassen. Von ihr erfährt Barrett nun, dass er eine siebenjährige Tochter namens Anya (Lora Lee Michel) hat und dass Trina in Kriegszeiten für die japanische Seite anti-amerikanische Propaganda verbreitete, weil man ihr das Kind fortgenommen und sie erpresst hatte, etc. pp. Die Handlung ist derart überladen, die (japanischen) Bösewichte sind derart klischeehaft und die US-Amerikaner sind derart selbstgerecht, dass es kaum auszuhalten ist. Dass Joseph Barrett selbst ein Außenseiter und ihm Ito und die Exil-Russin Trina im Vergleich zu seinen Landsleuten näherstehen, ist ein Pluspunkt des Films, der damit nicht so elend kolonialistisch wie John Farrows Kalkutta (USA 1946) oder patriotisch wie Escape In The Fog (USA 1945) daherkommt. Aber auch das aus Michael Curtiz‘ Casablanca (USA 1942), dem Welterfolg mit Humphrey Bogart, Ingrid Bergmann und Paul Henreid, entliehene Element der melodramatischen Dreieckbeziehung funktioniert nicht ansatzweise.
© Columbia Pictures Corporation
“I gave up being an officer and a gentleman when I turned in my little brown suit.” Die besten Dialogzeilen gehören Joseph Barrett, unabhängig und cool, aber seine Chemie mit Trina geht gegen Null und Mark Landis bleibt in der Verkörperung durch Alexander Knox ebenfalls eine Leerstelle. Kaum lässt sich mit Blick auf den Film von einem Ensemble sprechen, insofern auch die Herren in Uniformen der US-Armee charakterlose Funktionsträger sind. So erweisen sich einzig Teru Shimada als Barretts alter Freund Ito und Sessue Hayakawa als Barretts neuer Geschäftspartner Baron Kimura als die einzigen Rollencharaktere, die überhaupt Profil zeigen. Das zentrale Problem des Films ist folglich sein Drehbuch, die Adaption einer Erzählung Steve Fishers durch Cyril Hume (Limehouse Blues, USA 1934) und durch Walter Doniger (Blutige Diamanten, USA 1949), die unsäglich fade und an zentralen Stellen unglaubwürdig und mit der Brechstange konstruiert daherkommt. Alles in allem ist Tokio-Joe kein furchtbar schlechter Film, dafür sorgen Stuart Heisler und Kameramann Charles Lawton jr. (Die Lady von Shanghai, USA1947) allemal. Zugleich bleibt er weit unterm Niveau, das man von einer Produktion mit Humphrey Bogart erwartet.
Es gibt viele Veröffentlichungen des Werks, etwa als eine französische Blu-ray disc oder DVD (2020) via Sidonis Calysta als eine Lizenz der Sony Pictures Home Entertainment in der französisch synchronisierten und in der original englischen Fassung mit Untertiteln, ungekürzt und im Oroginalformat bild- und tontechnisch fein restauriert, dazu mit einer Einführung ins Werk durch Betrand Tavérnier. Eine australische BD (2020) bringt das Werk als Doppelprogramm mit dem ebenso via Santana Pioctures Corporation produzierten Vor verschlossenen Türen (USA 1950), gleichfalls technisch einwandfrei, und in Frankreich ist der Film auch Bestandteil einer 5-BD- oder auch 5-DVD-Box betitelt Humphrey Bogart – Coffret Film Noir. Darüberhinaus gibt es noch ältere DVD-Editionen aus Spanien, England und aus Italien.