Black River

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Kuroi kawa
Kategorie
Film Noir
Land
JPN
Erscheinungsjahr
1957
Darsteller

Fumio Watanabe, Tatsuya Nakadai, Ineko Arima, Keiko Awaji, Asao Sano

Regie
Masaki Kobayashi
Farbe
s/w
Laufzeit
114 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

Die Stadt Atsugi, westlich von Yokohoma, an einem heißen Sommermorgen: Ein US-Kampfflugzeug zieht am Himmel eine lange Kurve; mehrere Militärfahrzeuge vom örtlichen Stutzpunkt der US-Marineflieger rasen über eine staubige Piste. Ansonsten herrscht zur frühen Stunde Ruhe in der von Nachtclubs, Stundenhotels und Bars beherrschten Ortschaft, wo trotz der Hitze zwei US-Militärpolizisten im Jeep zur Kontrolle von Haus zu Haus fahren. Als sie einen GI in Zivil beim illegalen Handel mit lokalen Waren erwischen, rennt er ihnen über angrenzende Grashügel davon. Indessen ist die Kellnerin Shizuko (Ineko Arima) unter einem weißen Sonnenschirm auf dem Weg zum Bahnhof. Als sie an dem Ganoven Sazaki (Asao Sano) vorübergeht, der mit zwei jungen Frauen am Bordstein hockend Bier trinkt, erwähnt er kurz, dass Jo (Tatsuya Nakadai), der Herrscher des örtlichen Yakuza-Syndikats, ein Auge auf sie geworfen habe. Als die Frau auf ihrem Weg an dem gegenüber dem Stützpunkt der US-Marineflieger gelegenen Quartier von Jo und seinen Handlangern vorübergeht, schaut dieser Shizuko hinterher und grinst über eine anzügliche Bemerkung, die ihm seine rechte Hand Yamaguchi ins Ohr flüstert. Während Shizuko die Treppe zum Abfahrtsgleis hochgeht, ist Tiefbau-Student Nishida (Fumi Watanabe) auf dem Weg hinunter in die Stadt. Er fragt Shizuko nach dem Weg zu der reichen Witwe (Isuzu Yamada), von der im Ort ein Zimmer anmieten möchte, und blickt ihr, als sie weitergeht, nachhaltig beeindruckt hinterher…

 

Ein Düsenjet der US-Luftwaffe donnert im Tiefflug über Atsugi mit seinen Reklametafeln, auf denen für die GI's (auf Englisch) “Bar Monterey“, “Wonderland“, “Italian Village“ und “Black Cat“ zu lesen ist. Fast zeitgleich braust eine Kolone von US-Militärfahrzeugen über eine nicht asphaltierte Piste und hüllt all die vor ihren Nachtclubs im Sonnenschein herumlungernden Animierdamen in Staub... So beginnt Masaki Kobayashis Black River, der internationale Titel eines japanischen Klassikers, der seinerzeit nicht in Kinos der westlichen Hemisphäre gezeigt wurde, seit ca. 15 Jahren in den USA und in Europa auf Filmestivals und in Retrospektiven jedoch gern aufgeführt wird. Das Leben in dem vor 12 Jahren im Zweiten Weltkrieg besiegten Japan ist 1957 von Armut, von Umbruch und von Widersprüchen gekennzeichnet. Die Ortschaft steht unter der Fuchtel der U.S. Naval Air Station, eines Marinefliegerstützpunkts, der den örtlichen Handel kontrolliert und deren GI's des Nachts ihre US-Dollar in die Kaschemmen der Freuden tragen und sich der japanischen Frauen als Prostituierte bedienen. Zwar endete die Besatzungszeit Japans offiziell im Jahr 1952, doch führen die US-Soldaten vor und hinterm Stacheldraht ihrer Kaserne sich wie die wahren Herrscher auf. Geld und somit Macht und Einfluss auf die Geschehnisse, die den Umbruch markieren, haben ansonsten nur der Kriminelle Jo und seine Geschäftspartner. Die eine veräußert die Armenquartiere, die sie an die Habenichtse der Region teuer vermietet, an den Investor Kuroki (Yasushi Nagata) aus Tokio, der ein Stundenhotel errichten lassen will und an die Abwicklung des Grundstückkaufs die vollständige Vertreibung der bisherigen Mieter knüpft. Letztere haben trotz ihrer Naivvität verstanden, dass sie auf sich allein gestellt sind und dass Ehrlichkeit sie nicht weiterbringt. Aber jeder von ihnen ist sich selbst der nächste: der auf das Gemeinwohl ausgerichtete Wertekanon der japanischen Gesellschaft ist ausgehöhlt. Mit solcher schonungslosen Darstellung der Verhältnisse seiner Heimat geht Masaki Kobayashis Black River verwandten Film-Noir-Klassikern aus Japan wie z.B. Nagisa Ôshimas Das Grab der Sonne (JPN 1960) oder Shôhei Imamuras Schweine, Geishas und Matrosen (JPN 1961) unverzagt voran.

 

 

“Kobayashi's ensemble cast is note-perfect down to every last performer. The character's who fill out the roster are all unique and assured”, schreibt Jamie S. Rich für Criterion Confessions, schließlich ist Black River Teil einer 4-DVD-Box (2013) der renommierten Criterion Collection und zwar als deren Eclipse Series #38 unterm Titel Masaki Kobayashi Against The System. Auch mich beeindruckt die Meisterschaft des Schauspiels im Japan des Nachkriegskinos hier nicht zum ersten Mal. Fumio Watanabe, Tatsuya Nakadai und Ineko Arima porträtieren in den Hauptrollen, ihre Dreiecksbeziehung ist von Lügen, Leidenschaft und Eifersucht geprägt, nuancierte Rollencharaktere - komplex in der Anlage und konsequent in ihren Handlungen. Mit Seiji Miyaguchi findet sich im Ensemble einer der nach meiner Meinung besten Charakterdarsteller seiner Zeit. Wer das japanische Kino schätzt, weiß, dass er sich für dessen oft epische Anlage Zeit nehmen muss, und wird dafür dann belohnt. So ist es auch hier. Kameramann Yûharu Atsuta, seinerzeit für die Beteiligung an Meisterwerken von Regielegende Yasujrô Ozu populär, sowie Autor und Regisseur Kobayashi arbeiten konsequent auf den dunkel abgründigen Höhepunkt des Films hin, wenn sowohl die fatale Liebesgeschichte als auch der Betrug an den rechtlosen Habenichtsen des Ortes kulminiert. Einzig Nishida ist ein wenig zu bourgeois und fast spießig geraten; der Student wirkt im Vergleich zu den übrigen, ausdrucksstärkeren und mitunter bizarren Figuren zu blass. Es ist der einzige Minuspunkt in einem ansonsten überzeugenden und mit einem scharfen Blick für Details konsequent auf den Punkt inszenierten Film Noir.

 

Das Werk ist seit 2020 mit japanischem Originalton und mit englischen Untertiteln Bestandteil einer 17 Filme umfassenden, Japanese Noir betitelten Reihe von Klassikern im US-amerikanischen Streamingportal The Criterion Channel. Jenseits seiner Aufnahme in die 4-DVD-Box (2013) der Eclipse Series #38 in der Criterion Collection betitelt Masaki Kobayashi Against The System, bild und tontechnisch exzellent restauriert, gibt es via Wild Side Vidéo unterm Namen Rivière Noire eine französische DVD (2014) dieses japanischen Klassikers, allerdings auch nur mit französischen Untertiteln. Indessen in Spanien, in Großbritannien und in den USA doch einige der insgesamt 22 zwischen 1952 und 1985 entstandenen Werke Masaki Kobayashis als digitale Bildträger vorliegen, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland keinen einzigen.

 


 

Film Noir | 1957 | International | Masaki Kobayashi | Eijirô Tôno | Seiji Miyaguchi | Kin Sugai

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