Martin Sheen, Sissy Spacek, Warren Oates, Ramon Bieri, Alan Vint
© Warner Bros.
Ihre Mutter starb an einer Lungenentzündung, als sie noch ein kleines Mädchen war, erzählt die 15-jährige Holly Sargis (Sissy Spacek), und ihr Vater (Warren Oates) versuchte den Erinnerungen an das Leben mit seiner Frau dadurch zu entkommen, indem er aus Texas fortzog und mit seiner Tochter in Port Dupree, Süd-Dakota, ein neues Leben begann… Im Jahr 1959 fährt der 25-jährige Veteran des Koreakriegs Kit Carruthers (Martin Sheen) mit seinem Kollegen Cato (Ramon Bierri) als Angestellter der Müllabfuhr durch den Ort und leert die Tonnen ins Presswerk des Müllwagens. Aber heute hat er keine Lust mehr, lässt Cato allein und schlendert zu Fuß durch die Gassen des heruntergekommenen Städtchens, das Port Dupree de facto ist, indessen er den Müll der Leute nach Dingen durchstöbert, die er vielleicht verkaufen könnte. Schließlich sieht er Holly, die vor ihrem Haus mit einem Majorettenstab ihre Kunstfertigkeit erprobt, und spricht sie an. Die beiden plaudern, gehen ein Stück die Straße hinunter, bis Holly von ihrem Vater zurückgerufen wird und sie Kit erklärt, dass ihr Vater nicht möchte, dass sie sich mit einem Jungen von der Müllabfuhr treffe. Im rückwärtigen Garten hat der Witwer seine Schilder, die er ausbesssern und erneuern muss, aneinander gestapelt, denn Schildermaler ist sein Beruf. Nur kurz fragt er nach Hollys Bekanntschaft mit Kit, aber das Mädchen wiegelt ab und erklärt, dass sie ihm einen Korb gegeben habe. Inzwischen erfährt Kit Carruthers, dass er seinen Job bei der örtlichen Müllbafuhr ab sofort los sei…
“The question “Badlands” poses (…) is the riddle of which is more deadly: society or its outlaws. We think we know the answer, but we don’t“, schreibt Mike Wilmington in einer einsichtsvollen und feinfühligen Besprechung des Low-Budget-Meisterwerks von Terrence Malick für Film Noir Blonde und trifft den Nagel auf den Kopf. Jenes zentrale Moment, das die Faszination des Werks ausmacht, ist seine Ambiguität. Wenn Kit Carruthers von Hollys Vater fordert, dass er zu ihrer Beziehung mit ihm sein Einverständnis geben solle, weigert sich jener, und es dauert nicht lange bis Kit, der sich wie Hollys Idol James Dean kleidet und frisiert, die Argumente ausgehen und er seine Waffe zückt. Der Vater will Kit an die Polizei übergeben, doch Kit erschießt ihn und der Mann stirbt, worauf Holly in ihrer Naivität einen Arzt rufen möchte: „He don’t need no doctor.“ – Are you sure?“ – „If you don’t believe me, see for yourself.“ Das Ausmaß an Kontrasten und deren Symbolkraft in Malicks Erstling als Autor, Regisseur und Produzent, zugleich das Debüt von Sissy Spacek und Martin Sheen in je einer Hauptrolle, ist gewaltig. Die Jugend und Attraktivität der jungen Menschen, von denen einer tatsächlich an sein Idol erinnert und die andere mit ihrem rotblonden Haar, Sommersprossen und großen blauen Augen eine bizarr puppenhafte Schönheit verkörpert, steht im Gegensatz zu Kits lustvoller Gewaltbereitschaft und Hollys Ergebenheit solche wie eine Naturgewalt einfach hinzunehmen. Zugleich gewinnt der Zuschauer den Eindruck, dass Hollys Vater, der zuvor den geliebten Hund der Tochter, ihren einzigen Gefährten tötete, sein vorzeitiges Ende gewissermaßen auch aus Rache ereilt. Indem sie das Haus von Holly und Vater Sargis anzünden, täuschen sie ihren eigenen Tod vor, aber es dauert nicht lange, und die Liebenden sind vor dem Gesetz auf der Flucht.
Im Gegensatz zu Noel Blacks Der Engel mit der Mörderhand (USA 1968), an den Badlands – Zerschossene Träume mit dem Mord an einem Elternteil erinnert, manipuliert Holly weder Kit noch sonst jemanden. Die beiden sind ganz und gar sie selbst, sind hoch neurotische Geschöpfe von der Schattenseite des amerikanischen Traums, welcher dank ihres harmlosen Bilderbuchaussehens und der Natürlichkeit ihrer jeweiligen Persönlichkeit zum Alptraum mutiert. Bereits in Joseph H. Lewis‘ Gefährliche Leidenschaft (USA 1950) und in Arthur Penns Bonnie und Clyde (USA 1967) kokettierten die Autoren mit der vermeintlichen Normalität und unserer Nähe zur Anlage der Charaktere, die sich in letzter Konsequenz als ruchlos und mörderisch erweisen. Kaum ein Film aber bewegt sich so stil- und so zielsicher auf jenem Grat über dem Abgrund wie Badlands – Zerschossene Träume. Terrence Malick war tatsächlich von Arthur Penn, der seinerseits den jungen Autoren, Regisseur und Produzenten protégierte, und von dessen kontroversem, teils schockierendem Neo Noir Bonnie and Clyde (USA 1967) beeinflusst worden. Er drehte 5 Jahre später das historische Drama In der Glut des Südens (USA 1978), allerdings zog sich dessen Fertigstellung über Jahre hin, so dass ein vom eigenen Perfektionismus entkräfteter Malick sich für 20 Jahre vom Filmgeschäft zurückzog und erst mit Der schmale Grat (USA 1998) auf die internationale Kinoleinwand zurückkehrte. Sein Debüt gilt heute als einer der besten US-Filme jener 70er Jahre und einer der definitiven Lovers-on-the-Run-Thriller aller Zeiten.
Beste Edition ist die Blu-ray der Criterion Collection (2019) oder die Criterion-DVD (2013) in einer bild- und tontechnisch fantastisch restaurierten Fassung, ungekürzt im Originalformat mit dem Originalton und englischen Untertiteln. Die Extras beinhalten den Kinotrailer in HD, ein 42-minütiges Making Of, eine 21-minütige Dokumentation über die realen Vorbilder für die von Martin Sheen und Sissy Spacek verkörperten Filmcharaktere sowie ein 10-seitiges Booklet mit Filmessay von Michael Almereyda. Eine deutsche BD (2017) und DVD (2003) der Warner Bros. Home Entertainment bringen den Film in einer qualitativ hochwertigen Fassung, ungekürzt im Originalformat mit Originalton und der deutschen Kinosynchronisation, dazu Untertitel auf Französisch, Spanisch, Niederländisch, Polnisch und Thailändisch, den Kinotrailer als Bonus.