José Coronado, Rodolfo Sancho, Helena Miquel, Juanjo Artero, Pedro Mari Sánchez
© Warner Bros.
Madrid, Spanien: In Lederstiefeln und -jacke, Zigarette im Mundwinkel, steht der Polizeibeamte Santos Trinidad (José Coronado), lange schmierige Locken und Hufeisenbart, abends in einer Bar am Flipper. Er wechselt bei einem Kellner (Christhian Esquivel) einen 20-Euro-Schein und lässt sich eine Rum-Cola mit Eiswürfeln bringen. Im Fernsehen berichten die Nachrichten über das Eintreffen von systemkritischen Aktivisten in Madrid, die eine Demonstration anküdigen. Trinidad äußert gegenüber einem älteren Kellner (José Cantero) sein Missfallen und fordert ihn auf das Programm zu wechseln. Als die Bar spät nachts schließt, ist Trinidad der letzte Gast, der sich, einigermaßen betrunken, nur widerwillig auf den Heimweg begibt. Er fährt mit dem Auto durch die verlassene Stadt, und als er in einer einsamen Gegend am Straßenrand stehend pinkelt, entdeckt er ein Bordell, den Leidy’s Club, aus dessen Eingang Musik schallt. Trinidad parkt seinen Wagen und wankt hinein. Die bunt illuminierte Bar ist jedoch leer, und die Kellnerin Ingrid (Lina Forero) schaltet die Musik aus, man habe geschlossen, und sie verweigert dem späten Gast einen Drink. In dem Augenblick kommt ein Mann (Roberto Peralta), offensichtlich ein Türsteher, hinzu, und fordert den besoffenen Santos Trinidad auf zu gehen. Doch jener zeigt ihnen seine Dienstmarke und lacht sie aus. Plötzlich tritt Don Pedro Vargas (Walter Gamerini), der Inhaber des Clubs, zu Trinidad an die Bar und weist die Kellnerin an, dem Gast seine Rum-Cola und ihm einen Scotch zu bringen…
Der in seiner Heimat mehrfach preisgekrönte spanische Thriller hätte ein überragender Film werden können, denn er profitiert in jeder Hinsicht von seinen Drehorten, vom Ensemble und von Enrique Urbizu, der in der Funktion als Regisseur damit seinen achten Spielfilm ablieferte. Neun Jahre zuvor hatte er mit La caja 507 (ESP 2002) einen biestig konsequenten Neo Noir gedreht, darin ebenso José Coronado und Younes Bachir in tragenden Rollen mitgewirkt hatten. Auch La caja 507 war von Michel Gaztambide und Enrique Urbizu als Autoren-Duo verfasst worden, aber es ist das Drehbuch der beiden, was mir im Fall von No habrá paz para los malvados – in den USA und England lief der Film als No Rest for the Wicked, auf Deutsch etwa Für die Bösen wird es niemals Frieden geben - am meisten Kopfzerbrechen bereitet. So erleben wir Santos Trinidad gleich zu Beginn als vollends amoralischen, impulsiven und zerrütteten Charakter, der in einer Nachtbar kaltblütig drei Menschen erschießt. Zwei davon sind unbewaffnet, und sie werden von Trinidad regelrecht hingerichtet. Nun hat der korrupte, mörderische Gangster in Polizeiuniform ja eine lange Tradition. Im Anschluss an Howard W. Kochs Freibrief für Mord (USA 1954) und Richard Quines Schachmatt (USA 1954) über Ivan Nagys Deadly Hero (USA 1975) und Sidney Lumets Tödliche Fragen (USA 1990) bis zu Werner Hezogs Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen (USA 2009) oder Oren Movermans Rampart – Cop außer Kontrolle (USA 2011) ist Santos Trinidad jemand, der in die Fußstapfen seiner Vorgänger tritt. Und das gelingt ihm mit Bravour. Wie José Coronado die Rolle des abgrundtief gefallenen Beamten ausgestaltet, der strafversetzt wurde und bei der Vermisstenfahndung mit seinem Partner Rodolfo (Rodolfo Sancho) im Auto hockend über Stunden hinweg Hauseingänge beobachten muss, ist bemerkenswert. Trotz langjähriger Erfahrung mit dem internationalen Neo Noir habe ich einen solchen Mitskerl wie Santos Trinidad selten erlebt; insofern hat der Film mich beeindruckt.
Auch die mit der Fahndung nach dem Mörder der drei im Leidy’s Club ermordeten Kolumbianer beauftragten Polizeibeamten der Mordkommission, Chacón (Helena Miquel) und Leiva (Juanjo Artero), sind in ihrer Vorgehensweise glaubwürdig. Und natürlich besteht der Reiz des Films auch darin zu verfolgen, inwieweit die erst in Richtung einer Fehde im Kontext der für den Kokainimport zuständigen Drogenkartelle orientierte Untersuchung sich langsam aber sicher dem Täter aus den eigenen Reihen nähert. Jener ist inzwischen damit befasst, dem einzigen Zeugen seiner Tat nachzujagen und ihn ebenfalls auszuschalten, wobei er zufällig eine Entdeckung macht… Nun, genau diese Entdeckung, die das abschließende Viertel des Films in eine andere Richtung lenkt, war mir persönlich eine Wendung zuviel. Dass somit eine islamistische Terrorzelle in die Handlung involviert ist und dem Antihelden Santos Trinidad eine Note der Tragik verliehen werden soll, wirkt aufgesetzt und relativiert das Verbrechen des Beginns in einer Weise, die einen merkwürdigen Beigeschmack hat. Wenn der Abspann läuft, hinterlässt einen das Werk trotz des über weite Strecken dramaturgisch pointierten Aufbaus ein wenig ratlos und (womöglich) sogar enttäuscht.
Via Warner Bros. Entertainment España S.L. gibt es eine jeweils bild- und tontechnisch exzellente BD- und DVD-Edition (2012) des Werks mit dem spanischen Originalton und optional spanischen oder auch englischen Untertiteln. Der Film ist ungekürzt und im Originalformat, und als Extras sind der spanische Kinotrailer und ein Making Of beinhaltet.