Strike – Staffel 1

London, England: Supermodel Lula Landry (Elarica Johnson), uneheliches Kind eines aus Ghana stammenden Studenten und einer Londoner Prostituierten und als Baby von der reichen Landry-Familie adoptiert, ist mit ihrer Kollegin Ciara Porter (Amber Anderson) auf einer Party des renommierten Modeschöpfers Guy Somé (Kadiff Kirwan). Es hat zu schneien begonnen, die Fotografen umschwärmen sie, und nur in einem roten Pailettenkleid setzt sich Lula schließlich auf die Rückbank der Mercedes-Limousine ihres Lieblingsfahrers Nico (David Avery) und lässt sich nach Hause chauffieren, indessen sie ihren ex-Freund Evan Duffield (Bronson Webb) mit seiner Wolfskopf-Maske auf den Schultern am Straßenrand stehen sieht… Vor ihrem luxuriösen Haus in Kensington Gardens hält ihr der Pförtner Derrick Wilson (Brian Bovell) die Haustür auf und Lula betritt kurz darauf ihr im dritten Stock gelegenes Apartment. Sie zieht sich bequeme Kleidung an, einen Strickpullover und eine Jeans, und eben steht sie noch vor dem Spiegel und betrachtet sich, als es plötzlich an ihrer Wohnungstür klingelt. Lula begibt sich in den Korridor, um dem späten Gast zu öffnen… Die Wohnung liegt verlassen, all die teuren Accessoires an ihren Plätzen, und Guy Somé versucht Lula auf ihrem Mobiltelefon zu erreichen. Die Tür zum Balkon steht offen; noch immer schneit es. Aber strotz der vorgerückten Stunde ist unten auf der Straße reger Betrieb. Die Polizei hat die Zufahrt gesperrt, ein Mann der Spurensicherung steht neben Lula Landrys Leiche…

”There’s usually something quite sad, at the back of it all.” Die mit ihren Romanen um den Zauberlehrling Harry Potter zu Weltruhm gelangte, britische Autorin J.K. Rowling veröffentlicht seit April 2013 unter dem Pseudonym Robert Galbraith Kriminalromane um den Londoner Privatdetektiv Cormoran Strike und dessen Assistentin und rechte Hand Robin Ellocat. Als der Erstling The Cuckoo’s Calling (auf Deutsch als Der Ruf des Kukucks) im November 2013 auf Deutsch erschien, war das Geheimnis um den ominösen Mr. Galbraith durch eine von der Sunday Times in Auftrag gegebene Analyse des Schreibstils solchen Romans bereits aufgedeckt worden, wovon wiederum Rowling enttäuscht war. Dennoch setzte sie die Serie fort und präsentierte im Folgejahr mit The Silkworm (auf Deutsch als Der Seidenspinner, EA 2014) den zweiten Fall des Detektivs. Die BBC begann die Romane fürs Fernsehen zu adaptieren und im August 2017 lief der erste Teil von The Cuckoo’s Calling mit Tom Burke und Holliday Granger in den Hauptrollen. Man sollte denken, dass ein Privatdetektiv aus der Feder J.K. Rowlings von den abgehalfterten Bewohnern in Schattenzonen jener Großstadt namens Noir City, die sich als Private Eye kaum über Wasser halten, weit entfernt läge. Man vermutet einen egozentrischen Nachfahren Sherlock Holmes‘, einen Millionär und Privatier, der aus Neigung und Menschlichkeit nebenher Kriminalfälle löst… Weit gefehlt! Cormoran Strike ist ein vom Krieg in Afghanistan traumatisierter und verkrüppelter Enddreißiger mit einer Neigung zum Alkohol und partout ohne Glück in der Liebe, dessen Mutter ermordet wurde und dessen Vater, ein in die Jahre gekommener Rockstar, den Kontakt zu ihm abbrach. Er ist notorisch pleite, lebt von Junkfood, Kaffee und Zigaretten; mitunter hat er nicht mal eine eigene Wohnung. Dass seine Vergangenheit noch einige andere Geheimnisse birgt, erfahren die Zuschauer erst nach und nach. Aber auch Robin Ellocat, seine junge Assistentin, die über eine Zeitarbeitsagentur bei ihm aushilft und sich entschließt zu bleiben, ist keineswegs der harmlose Spross britischen Bildungsbürgertums, der sie eingangs zu sein scheint.

“On screen, all the hallmarks of Bogart’s film noir mysteries are in place, right down the frosted glass in the detective’s office door and his name picked out in peeling letters", schrieb Christopher Stevens für die Daily Mail. Die beiden ersten Verfilmungen der Cormoran-Strike-Romanserie wurden 2017 ausgestrahlt und, etwas willkürlich, wie mir scheint, als deren Staffel 1 betitelt. Obgleich beide Bücher ähnlich umfangreich sind, hat The Cuckoo’s Calling eine Spielzeit von 3 Stunden, indessen The Silkworm um ein Drittel kürzer ist. Nicht zuletzt deshalb ist jener erste Fall der bessere, da die Rollencharaktere im Detail porträtiert werden und der Kriminalfall mit Cormoran Strikes Jugendjahren verknüpft wird. Die Tendenz ist konsequent dunkel und reicht tief in Großbritanniens gesellschaftliche Verhältnisse, darin Klassenunterschiede und ethnische Grabenkämpfe so signifikant sind. Zudem weiß man bei der BBC, wie man mit Serienformaten aus den USA und aus Skandinavien Schritt halten kann. Die Produktion ist erstklassig und das gilt für die Drehorte im Herzen Londons, für die Kameraarbeit und für die Darsteller, welche bis in Nebenrollen hochkarätig sind. Tom Burke ist mir seit seiner Beteiligung an Jericho (UK 2005) ein Begriff und Holliday Granger ist ein fulminantes Nachwuchstalent – das Casting ist brillant. Indessen Cormoran Strike an seine Vorbilder in Robert D. Webbs The Spider (USA 1945), in Howard Hawks‘ Tote schlafen fest (USA 1946) und in Jacques Tourneurs Goldenes Gift (USA 1947) erinnert, kommt ihm im zeitgenössischen Format der TV-Produktionen besonders Jack Irish (AUS 2012 - 2021) mit Guy Pearce (und Marta Dusseldorp) sehr nahe.

Es gibt eine bild- und tontechnisch exzellente deutsche 2-DVD-Box (2018) - keine BD - der Warner Bros. Entertainment GmbH inklusive der dritten, ebenfalls zweistündigen Verfilmung namens Die Ernte des Bösen (UK 2018), die in Deutschland als Staffel 2 gehandelt wird, ungekürzt im Originalformat mit der original englischen Tonspur sowie der deutschen Synchronisation, jedoch einzig mit polnischen Untertiteln, nicht mit englischen oder mit deutschen UT. Diese deutsche Edition erhielt den Aufdruck Die komplette Serie, was irreführend ist, weil inzwischen Lethal White (UK 2020) und Troubled Blood (UK 2022) als jeweils vierstündige Staffeln 3 und 4 der Verfilmungen von J.K. Rowlings Cormoran-Strike-Reihe vorliegen.