Richard Dix, Barton MacLane, Nina Vale, Regis Toomey, Helen Mowery
© Columbia Pictures Corporation
“I am the Whistler, and I know many things, for I walk by night. I know many strange tales, many secrets hidden in the hearts of men and women who have stepped into the shadows…” An dem heutigen Abend ist es der Musikalienhändler Edward Stilwell (Paul E. Burns), ein unscheinbarer, älterer Herr mit schlurfendem Gang, der sich durch die einsam liegende Straße bewegt, um Privatdetektiv Don Gale (Richard Dix) aufzusuchen. Stilwell tritt ins Vorzimmer, wo Gales Mitarbeiterin Joan Hill (Nina Vale) ihn begrüßt, indessen er sich für den Termin zu später Stunde ausdrücklich bedankt. Der eine Zigarre rauchende Detektiv sitzt selbst im dunklen Büro, in einem großen, fast leeren Raum mit einem Fenster, darin die von elektrischem Licht erleuchtete, über den East River von Manhattan nach Queens führende New Yorker Queensboro Bridge sichtbar ist. Er bittet seinen Gast Platz zu nehmen, und Stilwell erklärt, dass er sich auf der Suche nach der vor 7 Jahren aus seiner Nachbarschaft verschwundenen, damals 14-jährigen Elora Lund (Pamela Blake) befände. Das Mädchen sei aus Schweden kommend mit ihrer verwitweten Mutter in New York ansässig und ihr verstorbener Vater ein Violinist gewesen. Für ihr Alter groß, blauäugig und durch ihre blonden Locken auffallend sei sie gewesen, erläutert Stilwell, aber wohin sie nach dem Tod der Mutter verschwand, weiß er nicht. Als er Don Gale für die Suche nach Elora 100,- US-Dollar bietet, muss der Detektiv kurz lachen, obgleich er längst begriffen hat, dass Stilwell mittellos ist…
Es ist die fünfte aus einer insgesamt acht Produktionen umfassenden Serie von Spielfilmen der via Columbia Pictures Corporation initiierten Adaptionen der an der Westküste der USA gesendeten Hörspielreihe The Whistler, die es von 1942 bis 1955 auf insgesamt 692 Episoden brachte. Vor dem Siegeszug des Fernsehens in jener zweiten Hälfte der 50er Jahre waren im Rundfunk ausgestrahlte Serien in den USA enorm erfolgreich. Hinter dem Titel The Whistler verbarg sich ein Erzähler, der aus allwissender Perspektive stets eine Kriminialerzählung von dunkler Natur auftischte, oft mit einem biestig ironischen, womöglich tragischen Ende gesegnet. Die einleitenden, in jeder Folge gleichen Zeilen, mittels derer The Whistler sein Publikum begrüßte, hatte die Filmreihe ab 1944 von der Rundfunkserie übernommen. Im Film ist der Erzähler jedesmal kurz als Schattenriss zu sehen, bevor die handelnden Figuren in Erscheinung treten. In sieben der bis 1948 produzierten Filme verkörperte jeweils Richard Dix unterschiedliche Rollencharaktere; nur im letzten Teil mit dem Titel The Return Of The Whistler (USA 1948) trat Michael Duane an seine Stelle. In Mysterious Intruder ist Dix ein New Yorker Privatdetektiv namens Don Gale. Die Erzählung und das Drehbuch stammen von Eric Taylor, der seit 1936 neben diversen Horrorfilmen regelmäßig für Spielfilmserien um populäre Detektive à la Ellery Queen, Dick Tracy und The Crime Doctor geschrieben hatte. Trotz des von mir geschätzten William Castles auf dem Regiestuhl erwartete ich von The Mysterious Intruder nicht allzu viel und wurde von Anbeginn positiv überrascht.
© Columbia Pictures Corporation
”I may not be the greatest detective in the world, but… I am the most unusual.” Nach dem Erfolg der beiden Raymond-Chandler-Verfilmungen Murder, My Sweet (USA 1944) und Tote schlafen fest (USA 1946), welche dem internationalen Kinopublikum den Antihelden Philip Marlowe bescherte, einen hardboiled Privatdetektiv, wimmelte es im Jahr 1946 von B-Produktionen, die sich ihrem Kielwasser zu platzieren hofften. The Last Crooked Mile (USA 1946), Feind im Dunkel / Der weiße Schatten (USA 1946), The Inner Circle (USA 1946) und Mysterious Intruder steuerten mit einem Private Eye in der Hauptrolle ihr Ensemble ins Fahrwasser des Film Noirs. Und genau das versteht William Castle, der hier seinen vierten und letzten Film in der Reihe um The Whistler inszenierte, geradezu meisterhaft. Wie Edgar G. Ulmer mit Detour (USA 1945) gelingt es Castle, sein Werk trotz begrenzten Budgets auf den Punkt zu inszenieren. Hollywoodveteran Richard Dix spielt im dreißigsten Jahr seiner Karriere auf, als gälte es einen Oscar zu gewinnen und das teils hochkarätige Ensemble unterstützt ihn nach Kräften. Regis Toomey, Barton MacLane, Mike Mazurki und Helen Mowery sind sichtbar gut aufgelegt; Kameramann Philip Tannura (Night Editor, USA 1946) sorgt für einen Filmstil à la Noir par excellence. Wer sich als langjähriger Freund des Film Noirs folglich mit einem etwas außer Sicht geratenen B-Film der klassischen Ära einen kurzweiligen Abend gönnen will, ist mit William Castles Mysterious Intruder bestens bedient. Sehenswert!
Der in Deutschland 1980 einmalig als Der geheimnisvolle Gast im Fernsehen gezeigte Film erschien via Sony Pictures Entertainment in deren Choice Selection (USA) in einer (inzwischen vergriffenen) Edition als DVD-R (2015) und zwar in in einer bild- und tontechnisch erstklassigen Fassung, ungekürzt und im Originalformat mit der original englischen Tonspur ohne Untertitel und ohne Extras. Eine in England bei Onesmedia erschienene 4-DVD-Box (2017) mit allen acht Filmen der Spielfilmreihe The Whistler (USA 1944-1948) ist sowohl bild- als auch tontechnisch miserabel, de facto von Bootleg-Qualität, und ist daher keinesfalls zu empfehlen. Die in den USA via Mill Creek Entertainment, LLC. in deren Serie The Critics' Choice erschienene 2-DVD-Box (2020, Regionalcode 1) mit dem Titel The Whistler - The Film Noir Collection enthält 7 der 8 Originalfilme in jeweils exquisit restaurierten Fassungen und ist im Grunde die bis dato beste Wahl.