Sofia Helin, Kim Bodnia, Dag Malmberg, Ellen Hillingsø, Christian Hillborg
Die über eine Strecke von acht Kilometern über eine Meerenge führende Öresundbrücke verbindet Dänemarks auf der Insel Seeland gelegene Hauptstadt Kopenhagen mit der schwedischen Stadt Malmö in der Provinz Schonen. Heute Nacht fällt auf der berühmten Schrägseilbrücke plötzlich der Strom aus und alle Laternen erlöschen, indessen ein Cadillac Escalade mitten auf der Brücke hält, exakt auf der Grenze zwischen Dänemark und Schweden. Der Fahrer, die Hände in schwarzen Lederhandschuhen, steigt aus und öffnet die Heckklappe… Etwa 45 Sekunden dauerte der Stromausfall. Der dunkle Wagen ist verschunden und auf dem Fahrstreifen in Richtung Dänemark liegt die Leiche einer schwedischen Politikerin (Mia Blihagen), Vorsitzende des Stadtrats von Malmö. Aus Kopenhagen kommt Hauptkommissar Martin Rohde (Kim Bodnia) als erster zum Tatort gefahren, von schwedischer Seite ist es Hauptkommissarin Saga Norén (Sofia Helin). Letztere ist der Ansicht, dass sowohl die Tote als auch der Wagen, der sie heute Nacht dorthin brachte, aus Schweden kamen und daher sie für den Fall zuständig sei. Ein Polizist in Uniform (Jörgen Thorsson) spricht Saga darauf an, dass jemand im Stau sie dringend zu sprechen wünsche. Die Hauptkommissarin sieht sich Charlotte Söringer (Ellen Hillingsø) gegenüber, die ihren Ehemann Göran (Dietrich Holiinderbäumer), einen reichen Industriellen, per Ambulanz in ein dänisches Hospital zu transportieren hofft, wo er sofort einer Herztransplantation unterzogen werden soll...
Nordic Noir – so lautet ein vom Film Noir und vom Neo Noir abgeleiteter Begriff für eine besondere Sparte der Kriminalliteratur und des Filmschaffens in Ländern Skandinaviens. Dessen Ursprünge gehen in der Literatur bis in die 60er Jahre zurück, vor allem auf die gesellschaftskritischen Werke des schwedischen Autorenduos Per Fredrik Wahlöö und Maj Swöjall mit deren Kriminalkommissar Martin Beck. In den frühen 90er Jahren schuf Theaterregisseur und Schriftsteller Henning Mankel die Figur des in einer schwedischen Kleinstadt tätigen Kriminalkommissars Kurt Wallander. Seine Bücher wurden mit Mankells Wallander (SWE 2005-2013) für das Fernsehen adaptiert. Parallel entstanden die TV-Produktionen Kommissarin Lund (DNK/NOR/SWE/GER 2007-2012), die Verfilmung von Stieg Larssons Millenium-Trilogie (SWE/DNK/GER/NOR 2009) und Adaptionen der Romane Gunnar Staalensens um den norwegischen Privatdetektiv Varg Veum (NOR/SWE/GER 2007-2012). Der Nordic Noir hatte im Kino und vor allem im Fernsehen Einzug gehalten und erwies sich US-amerikanischen TV-Produktionen von HBO oder Showtime Networks Inc. als ebenbürtig. Die hierzulande 2012 ausgestrahlte, erste Staffel von Die Brücke – Transit in den Tod brachte dem dramaturgisch und stilistisch eigenwilligen Nordic Noir auch in Deutschland endgültig den Durchbruch. Dabei liegt das Geheimnis seiner Rezeptur offen zutage, nämlich ein Fokus auf glaubwürdige und vielschichtige Rollencharaktere diesseits und jenseits der Gesetzestreue. Anders formuliert: Der Nordic Noir kehrt einem auf Tempo und Effekt ausgerichteten Action-Kino, zu dem der (US-amerikanische) Thriller seit der Jahrtausendwende verkommen ist, den Rücken. Er nutzt Stimittel klassischen Erzählkinos, demgegenüber er seine Rollencharaktere von Klischees möglichst freihält und die Erwartungshaltung eines Publikums, das mit den 08/15-Krimiserien der TV-Geschichte aufwuchs, erfolgreich unterläuft. Nichts ist, was es zu sein scheint – aus solcher Prämisse zog bereits der klassische internationale Film Noir der 40er und 50er Jahre manchen Reiz.
Obdachlosigkeit, Kinderarbeit, Medienmacht, die Korruption in Wirtschaft und Politik sowie Migration und Rassismus – die von dem Schweden Hans Rosenfeldt erdachte und großteils verfasste erste Staffel von Die Brücke – Transit in den Tod ist reich an Themen, die westeuropäische Industrienationen von einer Dekade in die nächste schleppen. Das Schauspiel Sofia Helins ist grandios, aber auch Kim Bodnia, Dag Malmberg und Magnus Krepper stechen in ihrer Darstellungskunst heraus. Persönlich fand ich in der Handlungsentwicklung der ersten Hälfte einige Details etwas forciert. Die zweite Hälfte ist jedoch zupackend, enorm spannend und mit der Zuspitzung des Falls, an dem die dänische und die schwedische Polizei gemeinsam arbeiten, zu 100% konsequent. Die Filmerzählung folgt inhaltlich und formal explizit dem von Kommissarin Lund (DNK/NOR/SWE/GER 2007-2012) gesetzten Standard und überrascht ihre Zuschauer mit harten und tragischen Entwicklungen. Nicht zu Unrecht für Film- und Fernsehpreise nominiert und mit solchen ausgezeichnet sowie bis heute wertgeschätzt, hat die zum Kernbestand des Nordic Noir gerechnete erste Staffel der in drei weiteren Staffeln bis 2018 fortgesetzten TV-Serie Die Brücke – Transit in den Tod über 10 Jahre nach Erstausstrahlung nichts von ihrer Faszination und Prägnanz verloren. Unbedingt empfehlenswert!
Es gibt eine bild- und tontechnisch exzellente deutsche 3-BD- oder eben 5-DVD-Box (2012) der Edel Germany GmbH als Lizenz der ZDF Enterprises GmbH / Filmlance International AB mit der Serie ungekürzt im Originalformat inklusive der original jeweils dänischen oder schwedischen Tonspuren sowie der deutschen Synchronisation, leider ohne jedwede Untertitel. In der deutschen Fassung wurden die im schwedisch-dänischen Original knapp einstündigen Episoden zu je zweistündigen Filmen zusammengefasst. Die Extras beinhalten ein Hinter den Kulissen sowie Interviews mit Sofia Helin, Kim Bodnia, Sarah Boberg und Dag Malmberg, mit den Produzenten, den Regisseurinnen und Regisseuren sowie mit Kameramann Olof Johnson.