Andy Lau, Ching Wan Lau, YoYo Mung, Waise Lee, Shiu Hung Hui
Der Gangster Cheung Wah (Andy Lau) erhält von dem ihn behandelnden Krebsspezialisten (Sau-Kei Lee) die Diagnose, dass er noch 4 Wochen zu leben habe. Cheung Wah lässt sich von dem Arzt mit Schmerzmitteln versorgen und verabschiedet sich. In einem Lokal isst er ein Sandwich. Zeitgleich nimmt dort auch der Police Inspector Ho Sheung-sang (Ching Wan Lau) sein Mittagsmahl zu sich, bevor er von seinem Vorgesetzten, Chief Inspector Wong Kai-fat (Shiu Hung Hui), zu einem Banküberfall mit Geiselnahme gerufen wird. Ho Sheung-sang ist Spezialist für Verhandlungen mit Verbrechern, ein Police Negotiator, und er hört sich die 20 Minuten zurückliegende Konversation Wongs mit einem der Gangster in der Bank genau an. Wong verhielt sich dabei ungeschickt und teilte mit, dass die Bank umstellt und er für Freinlassung der Geiseln und Auslieferung seiner selbst 3 Minuten Zeit habe. Der Gangster ist völlig ruhig und verlangt zur Flucht einen Helikopter, andernfalls würde er die Geiseln sukzessive umbringen. Er gibt Wong 30 Minuten Zeit… Ho Sheung-sang nimmt ein Funksprechgerät und betritt ohne Waffe die Bank. Dort teilt er dem im Kreis der am Boden kauernden Geiseln, maskierten Bankräuber (Man Shing Yau) mit, dass er die Situation friedlich zu lösen beabsichtige und man die verletzten Geiseln freilassen solle. Der Mann ist aufgebracht, weil sein ebenfalls maskierter und bewaffneter Bruder (Tin-hung Yee) ihn mit Vornamen anspricht. Im Nu entspinnt sich zwischen den beiden ein erbitterter Streit…
“In contrast to earlier Milkyway Image films, (…) it can be argued that this film's success started Johnnie To and company on what is proving to be a rather steep decline”, schreibt John Charles für Hong Kong Digital und liegt damit nach meiner Meinung richtig. Dieser Erstling des französischen Autorenduos Laurent Courtiard und Julien Carbon, die ihr Drehbuch in Kooperation mit dem aus Hongkong stammenden Nai-Hoi Yau (Drug War, HK 2012) verfassten, ist ein für die Zeit seiner Entstehung typischer Mainstream-Thriller. Die beiden Kontrahenten, der erste ein Gangster und der zweite ein Polizeibeamter, sind je über alle Maßen clever, durchtrieben und scheinbar auch unverwundbar. Es spielt keine Rolle, in welcher Situation sie sich befinden, stets und immerdar fliegen die Kugeln um sie herum und noch aus der kniffligsten Situation findet sich ein Ausweg. Indessen der krebskranke Cheung Wah hin und wieder Blut spuckt und von Hustenreiz greschüttelt wird, übersteht er einen Autounfall bei hoher Geschwindigkeit ohne Kratzer und schlägt auch mal zwei, drei Widersacher locker über den Haufen. Inspector Ho Sheung-sang ist ein zerstreutes Genie, das sich überall Zutritt verschafft und dem Chief Inspector Wong Kai-fat, einem paragraphentreuen Trottel, pausenlos auf der Nase herumtanzt. Der daraus resultierende Hunor ist flach und offenbart in mehreren Szenen Anzeichen einer kaum versteckten Homophobie: “You know, many colleagues say you're gay.“ Letzteres äußert eine Kollegin von Interpol (Ruby Wong), die offensichtlich an Ho Sheung-sang Gefallen findet und ihre Einschätzung eindeitig nicht nur aus persönlichen Motiven sondern grundsätzlich als negativ bewertet. In einer späteren Szene scheint sich ihr Verdacht zu bestätigen, und sowohl die Autoren als auch Johnnie To kosten den peinlich-doofen Humor der Sequenz voll aus.
Johnnie Tos Neo Noir mit komödiantischen Einlagen ist so slick und dramaturgisch dicht wie auch andere seiner im kommenden Jahrtausend sich anschließenden Werke. Allemal lässt der Film über die gesamte Laufzeit kaum Langeweile aufkommen. Besonders die Figur des Gangsters Cheung Wah wird von Andy Lau (Infernal Affairs - die achte Hölle, HK 2002) mit subtiler Finesse poprträtiert, was ihm bei den Hong Kong Film Awards den Preis als bester Hauptdarsteller einbrachte. Er ist es, der das Werk in den Kanon des Neo Noirs aus Hongkong einreiht - der von der Diagnose seines nahen Todes zur Eile verdammte Verbrecher mit seiner ausgeklügelten Strategie. Eine feinsinnige Liebesgeschichte, die sich an Bord eines Linienbusses zwischen ihm und der hübschen Leung Yuen Ting (YoYo Mung) entspinnt, erweist sich als fein ausbalancierter Nebenstrang. Demgegenüber ist das Finale so konventionell und mit Blick auf die vorherige Anlage der Rollencharaktere so enttäuschend, wie man es erwarten konnte. Für mich ist nicht nur Running Out Of Time einer der am meisten überschätzten Hongkong-Filme, der nach 22 Jahren obendrein schon Staub ansetzt, sondern auch Johnnie To der wohl am meisten überschätzte Regisseur seiner Stadt.
Es gibt via Sunfilm Entertainment (= Tiberius Film GmbH) eine bild- und tontechnisch gute deutsche DVD-Edition (2004), ungekürzt und im Originalformat, deren unverzeihlicher Schönheitsfehler darin besteht, dass sie einzig die deutsche Tonspur bietet, d.h. keinen Originalton und keine Untertitel. Die deutsche Blu-ray und neue DVD (2019) der WVG Medien GmbH machen es nicht besser. Sie enthalten alternativ die technisch miderwertige und nicht zu den Lippenberwegungen passende englische Synchronspur (ebenfalls ohne Untertitel), aber eben nicht den chinesischen Originalton. Insofern sollte man unbedingt auf eine internationale BD oder DVD mit ggf. englischen Untertiteln zugreifen, denn die Synchronisationen verfälschen die Originalstimmen der Figuren in beiden Fassungen. Als Extra gibt es bei den hier beschriebenen deutschen Ausgaben jeweils den Kinotrailer.