Ryô Ikebe, Mariko Kaga, Takashi Fujiki, Naoki Sugiura, Shin'ichirô Mikami
Tokio, Japan: Weil er den Gangster Kijima aus der Yakuza-Bande von Yasuoka (Eijirô Tôno) tötete, saß Muraki (Ryô Ikebe), selbst Mitglied der Bande von Funada (Seiji Miyaguchi), für drei Jahre im Gefängnis. Als er heute Morgen mit dem Zug am Bahnhof Ueno in Taitō, Tokio, eintrifft, wundert es ihn, dass ein Mensch starb und das Leben weiterläuft, als sei nichts geschehen. All die Leute in der Stadt, denkt sich Muraki, tragen tote Gesichter und mimen in ihrer Verzweiflung voreinander, dass sie am Leben seien… Am Abend betritt er einen geheimen Spielsalon, den er gut kennt. Hier spielen Yakuza regelmäßig mit Hanafuda-Karten Tehonbiki um hohe Einsätze. Am Eingang trifft er auf den jüngeren Reiji (Shin'ichirô Mikami), der sich darüber freut, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Der Spielleiter und Verwalter der Bank eröffnet und schließt die Spielrunden, indessen Muraki auf eine Frau (Mariko Kaga) aufmerksam wird, die sehr risikofreudig mit ihren Einsätzen umgeht und heute Abend eine Glückssträhne zu haben scheint. Er beobachtet sie und entschließt sich mitzuspielen und gegen sie anzutreten. Aber Muraki hat kein Glück heute Nacht, wie auch Reiji ihm in Erinnerung ruft, als sie später die spärlich beleuchtete Gasse entlang zu dessen Motorrad schlendern. Muraki erkundigt sich nach der weiblichen Spielerin, und Reiji mutmaßt, jener könne ein ernsthaftes Interesse an ihr haben. Eine Einladung Reijis in ein Freudenhaus lehnt Muraki ab und besucht stattdessen seine Geliebte (Chisako Hara) aus den alten Tagen…
Wer sich als Cineast mit dem klassischen Film Noir befasst, kommt an Masahiro Shinodas Pale Flower früher oder später nicht vorbei. Ungeachtet des harmlosen Titels ist dieser Film einer der schwärzesten der Schwarzen Serie, unabhängig auch vom Land seiner Herkunft und der Zeit seiner Entstehung. Anhand der Charaktere von Muraki und Saeko zelebriert die Verfilmung einer Erzählung von Shintarô Ishihara (I Am Waiting, JPN 1957), damals preisgekrönter Schriftsteller und Kultfigur von Japans Jugend, einen Nihilismus, der mich an Sándor Márais‘ erst posthum erschienenen Roman Die Fremde (verfasst 1934, EA 2003) erinnert, darin ein von der eigenen Biografie durch die flüchtige Begegnung mit einer Frau vollends entfremdeter Mann im Rausch des Tötens eine Katharsis erlebt. Auch die beiden aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Klassen, nur scheinbar einer Lebenswelt angehörenden Protagonisten in Shinodas Film, die sich durch einen Zufall begegnen und sofort einander im Anderen erkennen, sind vom profanen Leben im Japan des 20. Jahrhunderts gelangweilt und teils gar angewidert. Sie finden sich nicht im Kodex von Alltag oder Politik und sehen sich als Einzelgänger in einem Land, dem sie nur qua Geburt angehören. Mit den Grundlagen ihrer Existenz verbindet sie keinerlei emotionale Resonanz und sie spüren den Reiz des Lebens einzig und allein in den größten aller denkbaren Risiken, darin sie die gesellschaftliche Norm und sich selbst maximal in Frage gestellt finden. Durch Muraki erhält Saeko als Frau Zugang zu Zirkeln des illegalen Glücksspiels, darin Herren unterschiedlicher Herkunft und allesamt von der Spielsucht infiziert, um höchstmögliche Einsätze spielen. Saeko erklärt Muraki, dass er ihr egal sei, ob sie dabei verlöre oder gewänne, da es ihr nur aufs Erleben der Gefahr ankomme, die allein sie der Monotonie des Daseins enthöbe und sich selbst spüren lasse. Muraki, ein wie aus Stein gemeißelter Yakuza über 40, kommentiert das nicht. Er versteht im Nu, worum es ihr geht, denn er ist aus dem gleichen Stoff gewebt. Seine Gleichgültigkeit allem und jedem gegenüber, ob lebendig oder tot, wird dadurch brüchig und er beginnt an Saeko zu leiden.
“Pale Flower is one of the most haunting noirs I've seen, and something more; in 1964 it was an important work in an emerging Japanese New Wave of independent filmmakers, an exercise in existential cool”, schreibt Roger Ebert, der selbst nicht nur zahllose Film Noirs sah, sondern auch über die Coolness als Stilmittel im Film so einiges zu sagen wusste. Ganze neun Monate hielt das Studio den bereits 1963 fertiggestellten Film zurück. Zum ersten hatte sich Drehbuchautor Masaru Baba darüber beklagt, dass Masahiro Shinoda die visuelle Gestaltung seines Werks gegenüber den zugespitzten Dialogen seines Drehbuchs in den Vordergrund gestellt habe. Zum zweiten, und hierin mag der wahre Grund dafür liegen, waren die Darstellung der Yakuza und ihres Glücksspiels Tehonbiki mit Hanafuda-Karten von einem Realismus und einer Intensität, dass man nicht zu entscheiden wusste, ob man solches einem Kinopublikum zugänglich machen wolle. International gilt Pale Flower längst als Meisterstück und Meilenstein des japanischen Kinos der 60er Jahre. In Deutschland ist das Werk Masahiro Shinodas ebenso wie jeweils dasjenige von Shôhei Imamura oder Nagisa Ôshima bis heute nur einer Handvoll Cineasten ein Begriff. Neben Schweine, Geishas und Matrosen (JPN 1961) und Das Grab der Sonne (JPN 1960) zählt Pale Flower für mich zu den besten Beispielen eines Film Noirs aus Japan überhaupt.
Die definitive Edition ist die US-amerikanische Blu-ray (2011) der Criterion Collection in einer bild- und tontechnisch fantastisch restaurierten Fassung, ungekürzt und im Originalformat, dazu mit dem japanischen Originalton und englischen Untertiteln. Die Extras beinhalten den Kinotrailer in HD, ein 20-minütiges Interview mit Regisseur Masahiro Shinoda, einen Audiokommentar von Filmwissenschaftler Peter Grilli sowie ein 20-seitiges Booklet mit Filmessay des Filmjournalisten Chuck Stevens. Eine US-DVD (2003, RC1 ) der Home Vision Entertainment bringt den Film ebenfalls in einer qualitativ hochwertigen Fassung, ungekürzt im Originalformat und mit englischen UT, die Extras beschränken sich auf ein früheres Shinoda-Interview, dessen Filmografie sowie einen Aufsatz von Chris Desjardins, einst Programmierer der American Cinematheque in Los Angeles.