Denis Leary, Ian Hart, Jason Barry, Colm Meaney, Famke Janssen
Der Stadtteil Charlestown in Boston, Massachusetts, zur Stunde der Abenddämmerung: Der irischstämmige Bobby O’Grady (Denis Leary) rast in einem gestohlenen roten BMW über den regennassen Asphalt; sein Cousin “Mouse“ (Ian Hart) ist ihm in einem dunklen Porsche 911 dicht auf den Fersen. Sie überholen waghalsig und an einem einsamen, unterhalb einer Brücke gelegenen Abschnitt sieht Mouse den BMW plötzlich am Straßenrand stehen. Er steigt aus, nähert sich der Fahrertür des Wagens, als er hinter sich seinen Posche ausscheren hört und die Straße entlangbrausen sieht. Er springt in den BMW und folgt seinem Cousin Bobby zu jener einsam in einem Industriegebiet gelegenen Werkstattanlage, wo sie die Autos in eine Garage fahren und Skunk (Lenny Clarke) treffen, den Betreiber auf der Lohnliste des irischen Mobsters Jackie O’Hara (Colm Meaney). Auch Mouse und Bobby arbeiten für Jackie, und Skunk zahlt 1200 US-Dollar einer Sportwette an Bobby aus, nicht ohne sich darüber zu wundern, auf was für Risiken Bobby sich einlasse. Letzterer weigert sich, eine Pistole für seinen kaum erwachsenen Cousin Seamus (Jason Barry) zu kaufen, der kürzlich aus seiner Heimatstadt Dublin nach Boston kam und den Bobby inzwischen unter seine Fittiche nahm… In ihrer Stammkneipe legt der Wirt (Jackie Sullivan) eine brennende Zigarette in die Kuhle der aneinander gepressten Unterarme von Mickey Pat (Kevin Chapman) und Fitzie (Lyndon Byers), gerade als Bobby, Seamus und Mouse zur Tür hereinkommen…
“Monument Ave. carefully lays out the social complexity of its setting, and (…) Ted Demme keeps it darkly funny while exposing raw nerves in a buildup to unexpected tragedy”, schrieb Peter Stack anlässlich der Premiere des Films für den San Francisco Chronicle. Tatsächlich gehört der Neo Noir des gebürtigen New Yorkers Ted Demme (Blow, USA/MEX 2001), der im Januar 2002 im Alter von 38 Jahren an einem Herzinfarkt starb, zu den zu Unrecht vergessenen Perlen des Thrillerkinos der 90er Jahre. Exakt 25 Jahre zuvor hatte Martin Scorsese mit seinem Hexenkessel (USA 1973), in den Hauptrollen Harvey Keitel und Robert de Niro, die Traditionen und Familienbande der italienischen Mafia in New York unter die Lupe genommen und als Drama aufbereitet. In Monument Ave., der auch unter den Titeln Snitch oder Noose seinen Weg ins internationale Kino fand und in der Bundesrepublik Deutschland einmalig im Fernsehen lief, widmen sich Autor Mike Armstrong und Regisseur Ted Demme dem irischen Mob in Boston, Massachusetts. Der Bostoner Stadtteil Charlestown, seit jeher in der Hand einer überwiegend irischstämmigen und weißen Bevölkerung, hat eine in den USA weithin bekannte Historie der organisierten Kriminalität, die in den Bandenkriegen der 60er Jahre und in einzelnen, für ihre Skrupellosigkeit populären Gangsterpersönlichkeiten kulminierte. Was Monument Ave. in einer mit den besten Filmwerken und TV-Serien zur italienischen Mafia vergleichbaren Weise gelingt, ist die Darstellung der Verwicklungen von Familientradition, Berufsleben und Kriminalität, einer in bedingungsloser Loyalität gipfelnder und im stolzen Selbstverständnis der “Townies“ wurzelnden Identität jedes Einzelnen der irischen Gemeinde. Doch wer einen Fehler begeht, muss mit gnadenlosen Konsequenzen rechnen, denn der Herrscher über dieses Schattenreich regiert mit eiserner Hand.
“When the cops gonna learn, huh? This town don't talk. Especially this kid right here.” Als die eiserne Hand sich gegen seine Familie zu richten beginnt, gerät der willensstarke und mit Katy (Famke Janssen), der Freundin des mächtigen Jackie O’Hara heimlich liierte Bobby O’Grady zwischen die Stühle und muss eine Entscheidung treffen. Denis Leary trägt solche Bürde durch den Film und macht letzteren zu seinem, ungeachtet der Tatsache, dass Demme aus dem gesamten Ensemble fantastische Leistungen herausholt. Dieser Neo Noir überzeugt mit einer Unmittelbarkeit und Authentizität, die im Kino selten ist und mich persönlich an James Foleys Auf kurze Distanz (USA 1986) und an John Slatterys God’s Pocket (USA 2014) erinnerte, zwei ebenfalls nicht im Langzeitgedächtnis der bundesdeutschen Filmrezeption verankerte Meilensteine US-amerikanischen Kinos abseits vom Hollywood-Mainstream. Die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts waren ein fruchtbarer Boden für den Neo Noir und werden retrospektiv zu sehr auf die Erfolge Quentin Tarantinos plus Curtis Hansons L.A. Confidential (USA 1997) reduziert. Monument Ave. erschien in Deutschland nie als BD oder DVD, indessen hiesige Filmkritiker des Lobes voll waren, als Martin Scorsese mit Departed – Unter Feinden (USA/HK 2006) und Ben Affleck mit The Town – Stadt ohne Gnade (USA 2010) ihrerseits den irischen Mob in Boston, Massachusetts, in den Mittelpunkt eines Neo-Noir-Thrillers rückten. Für mich jedoch ist klar, dass Monument Ave. von diesen der eindeutig anspruchsvollste und damit beste Film ist. Unbedingt zu empfehlen!
In den USA erschien via Buena Vista Home Entertainment, Inc. eine exzellente DVD-Ausgabe (1999) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch einwandfrei, dazu gibt es den original englischen Ton mit optional englischen Untertiteln, nur Extras finden sich keine.