Bridget Fonda, Russell Crowe, Jim Broadbent, D.W. Moffett, Kenneth Mars
Los Angeles im Jahr 1952: Als der Multimillionär und konservative Politiker Cliff Wyatt (D.W. Moffett) in den Fahrstuhl steigt, sehen er, sein Assistent Marvin Higgins (Richard Schiff) und sein politischer Freund Clayton (Andy Romano) plötzlich ein weißes Kaninchen zwischen ihren Füßen herumhoppeln. Schon stürzt in ihrem Kostüm auch die Varieté-Künstlerin Myra Shumway (Bridget Fonda) herein, fischt aus den Taschen aller Gehröcke der Honoratioren weitere Kaninchen, die sie in ihren Zylinder stopft, und entschuldigt sich für deren peinliches Betragen, indessen sie Visitenkarten von Rough Magic hinterlässt, der Zaubershow ihres Mentors und Lehrmeisters (Kenneth Mars). Kaum haben sich die Türen des Aufzugs geschlossen, hält sich Cliff Wyatt eine grün gefärbte Straußenfeder, die aus Myras Kostüm sich löste und in der Fahrstuhltür hängenblieb, unter die Nase und lächelt verzückt… In den Ruinen eines antiken Tempels, inmitten des Dschungels Mexikos auf einem Vulkan gelegen, singt eine Priesterin (Euva Anderson) in der Dämmerung wie jeden Abend ihr Lied für Ocota, die Schwester des Mondes, welche sie um Hilfe für die vom Menschen geschundene Erde bittet. So erfährt es Doc Ansell (Jim Broadbent), der ohne Wissen der Priesterin ihren Gesang auf Tonband aufnimmt, von einem Touristenführer (Roberto Ruy), der ihm hier in der Wildnis assistiert. Tatsächlich ist Ansell jedoch an einem Zaubertrank interessiert, den die Priesterin sich just einflößt und der eine magische Wirkung haben soll…
“The first half or so of the film follows familiar patterns of some of the breezier noir offerings”, heißt es bei Film Noir of the Week, woraufhin dieser Film der Autorin und Regisseurin Clare Peploe, Ehefrau von Bernardo Bertolucci (Der Konformist / Der große Irrtum, ITA/FRA/GER 1970), dann mit Don Siegels Die rote Schlinge (USA 1949) verglichen wird, was durchaus seine Berechtigung hat. Eins vorab für diejenigen, die sich bereits wundern, dieses Werk der 90er Jahre überhaupt als Eintrag im Segment Neo Noir hier im Portal gefunden zu haben: Wilder Zauber ist kein Film Noir und ist kein Neo Noir. Warum taucht er also hier auf? Nun, dafür gibt es mehrere Gründe. Zum ersten basiert der Film auf dem Roman Miss Shumway Waves a Wand (EA 1944, auf Deutsch Blondine unter Banditen, EA 1977) von James Hadley Chase (bei Erstauflage unterm Pseudonym Raymond Marshall), der im Jahr 1948 als Miss Shumway Jette un Sort als die Nr. 16 der legendären Série Noire der Edition Gallimard erschienen war. Im gleichen Jahr hatte mit König der Unterwelt (UK 1948) die erste Verfilmung eines James-Hadley-Chase-Buches ihre Premiere, nämlich diejenige von No Orchids for Miss Blandish (EA 1939, auf Deutsch Keine Orchideen für Miss Blandish, EA 1954). Unter dem Titel Une blonde comme ça (FRA/ARG 1963) wurde via Jean Jabely dann auch Miss Shumway Waves a Wand in Schwarzweiß verfilmt, seinerzeit mit Tanya Béryl und Robert Manuel in den Hauptrollen.
© Studiocanal GmbH
Der Hauptgrund für den Eintrag hier ist aber im o.a. Zitat der Rezension für Film Noir of The Week zu finden: Die Varieté-Künstlerin und begabte Taschendiebin Myra Shumway, die in einer Zaubershow namens Rough Magic ihres Mentors und Lehrers auftritt, wird zum Zeugen eines Mordes, den sie zufällig fotografiert, und flieht Hals über Kopf nach Mexiko. Dort trifft sie auf einen abgehalfterten Verkäufer von Wundermitteln namens Doc Ansell, der seinerseits von den Künsten der jungen Frau angetan ist. Aber so leicht entkommt sie jenem Mörder aus Los Angeles nicht. Cliff Wyatt ist auch ihr Verlobter, ein Multimillionär und als aufstrebender Politiker der republikanischen Partei für höhere Weihen einer politischen Karriere in den USA der McCarthy-Ära auserwählt. Er setzt den traumatisierten Kriegsveteranen und Privatdetektiv Alex Ross (Russell Crowe) auf sie an… Wie man derart viel Potential für einen gelungenen Neo-Noir-Thriller in den Teich setzen kann, ist eine Frage, die an Clare Peploe adressiert werden muss. Film Noirs im Bereich der magischen Künste und des Illusionstheaters hatten durchaus Tradition: The Great Flamarion (USA 1944), Der Scharlatan (USA 1947) und Die Nacht hat tausend Augen (USA 1948) sind nur einige, und letzterer teilt mit Wilder Zauber die für einen Film Noir ungewöhnliche Zutat eines übernatürlichen Elements. Aber das ist nicht, was den Film schließlich ruiniert, sondern der Klamauk, in den er im letzten Drittel abdriftet, wenn er seine Figuren und sich selbst der Lächerlichkeit preisgibt. Finale und Schluss sind vollends missraten, eine miserabel inszenierte Farce ohnegleichen, über die ich mich regelrecht ärgerte. Kompetente Schauspieler, teils grandiose Drehorte und gute Kameraarbeit, dazu ein solider Auftakt – die Regisseurin schmeißt all das in den letzten 20 Minuten über Bord, darin ihre plötzlich burleske Komödie weder lustig noch lehrreich oder anrührend ist. Nicht weil es kein Neo Noir ist, sondern weil es damit ein schlechter Film wird, erhält Wilder Zauber hier mit Wohlwollen noch zwei Sterne.
Es gibt eine bild und tontechnisch sehr gute DVD-Edition (2009) der Kinowelt Film Entertainment GmbH, inzwischen StudioCanal, mit dem Werk ungekürzt und im korrekten Bildformat, dazu die englische Tonspur und eine die Originalstimmen und Atmosphäre leider völlig verfälschende und damit vollauf missglückte deutsche Synchronisation, optional deutsche Unteritel, obendrein eine Fotogalerie, den Kinotrailer und das Presseheft als Extras.