Matt Damon, Edward Norton, John Turturro, Gretchen Mol, John Malkowich
New York: Es ist spät in der Nacht und seine Freundin Jo (Gretchen Mol) schläft, als der Jurastudent und semiprofessionelle Pokerspieler Mike McDermott (Matt Damon) sich anzieht und aus vielen Verstecken in der Wohnung seine Geldbündel zusammensucht, die er beim Spiel gegen Teddy KGB (John Malkovich) einsetzen will. Er begibt sich in den illegalen Spielkub des für seine Kontakte zur russischen Mafia und nach ihnen benannten Kriminellen und lässt sich Chips in Höhe jener 30.000 US-Dollar auszahlen, die er als Einsatz mitgebracht hat und die seine gesammelten Ersparnisse darstellen. Teddy KGB mustert ihn, denn Mike wirkt angespannt. Es ist klar, dass er heute Nacht auf den großen Gewinn aus ist, was man in New York in keinem anderen Club anstreben kann. Als Mike seinen Kumpel Joey Knish (John Turturro) erspäht, seit seinem 19. Lebensjahr ein professioneller Pokerspieler, versucht er, die Chips unter seiner Mütze zu verbergen, aber Knish spürt sofort, was Mike im Schilde führt. Er weiß, dass McDermott ein guter Spieler ist, aber er weiß auch, dass er sich trotz seines Talents nicht mit den Haifischen um Teddy KGB anlegen sollte. So versucht er, Mike von seinem Vorhaben abzubringen, aber der lässt sich nicht beirren und Knish wünscht ihm alles Gute. Es ist erneut Joey Knish, der Mike McDermott die Hand auf die Schulter legt und auf die Straße begleitet, nachdem der seine Ersparnisse an Teddy KGB verlor und statt auf dem Weg nach Las Vegas zu sein, lediglich vollends pleite ist…
“Rounders sometimes has a noir look but it never has a noir feel, because it's not about losers”, schreibt Roger Ebert über dieses Werk des für den Neo Noir der 90er Jahre so wichtigen John Dahl (Die letzte Verführung, USA 1994), aber ich sehe es anders. Allerdings hat Ebert einen zentralen Punkt berührt, und der betrifft Hauptdarsteller Matt Damon und seine Figur Mike McDermott. Er verliert sogleich zu Beginn seine gesamten Ersparnisse an einen Gangster und er liefert als Jurastudent eine bescheidene Vorstellung ab, was seine Freundin Jo gegen ihn aufbringt, denn Mike erscheint undiszipliniert und spielsüchtig, und im Grunde ist er es. Aber stempelt ihn die Geschichte deshalb zum Verlierer? Der interessantere und echte Film-Noir-Charakter dieser Erzählung ist Lester Murphy (Edward Norton), schon seit Schulzeiten von allen “Worm“ genannt, der Sohn des Hausmeisters an jener College-Prepratory School, die der ebenfalls aus kleinen Verhältnissen stammende Mike McDermott besuchte. Kleine Tricks und Betrügereien, mit denen die Freunde all die reichen Zöglinge übers Ohr hauten, wuchsen sich zu ernsthaft kriminellen Aktivitäten aus. Murphy wurde geschnappt und erhielt eine Haftstrafe. Doch letztere bekam er vor allem deshalb, weil er seinen Kumpel McDermott nicht verpfiff… Und so beginnt die Geschichte überhaupt erst, wenn nach 19 Minuten im Film der im Gefängnis vollends in ein Dasein als Krimineller eingewachsene “Worm“ auf freien Fuß kommt, so wie sein Freund Mike ein As im Pokerspiel.
“If you had it to do all over again, knowing what would happen, would you make the same choice?" – “What choice?” In jenen 40er Jahren des letzten Jahrhunderts waren Cary Grant, Errol Flynn oder Gene Kelly jeweils das Gegenteil eines Darstellers, der für die undurchsichtigen Protagonisten des Film Noirs geeignet schien. Im ausgehenden 20. Jahrhundert darf man Tom Cruise, Tom Hanks und Matt Damon zu jenen rechnen, deren Erscheinen in einem Neo Noir mindestens seltsam hätte wirken müssen. Womöglich war es auch diese Frage der Besetzung, die Roger Ebert zu dem fehlenden “noir feel“ inspirierte, demgegenüber in der Konstellation mit Norton und Malkovich dieser Mangel für mich ausgeglichen wird. Was aber den Wert des Films ausmacht, ist seine Entscheidung zuungunsten bürgerlichen Glücks im Hafen von Ehe und Staatsdienst. Dass Teddy KGB und Lester “Worm“ Murphy bis ins Mark korrumpiert und amoralisch sind, wird mit deren erster Szene jeweils klar. Aber Mike McDermott verabschiedet sich sukzessive von Freundin und Freund, insofern Geld und Ruhm für ihn einen höheren Stellenwert einnehmen und die Wahl zwischen dem einen und dem anderen plötzlich sowenig schwerfällt wie der Abschied. Im Grunde zeigt der Handlungsverlauf viele Verluste und bis in Nebenrollen Verlierer. Ob es außer den Systemen des Mammons und der Manipulationen einen Gewinner geben wird, lässt John Dahl hingegen offen. Das macht Rounders zu einem vielschichtigen Film und vielleicht, dies möge jeder für sich entscheiden, zu einem Neo Noir in der Tradition von Karel Reisz‘ Spieler ohne Skrupel (USA 1974), David Mamets Haus der Spiele (USA 1987) und Paul Thomas Andersons Last Exit Reno (USA 1996).
Es gibt eine jeweils erstklassige deutsche BD- und DVD-Edition der StudioCanal GmbH (2015) mit dem Film ungekürzt im Oroiginalformat, bild- und tontechnisch erstklassig, dazu den original englischen Ton und auch eine deutsche Synchronisation, optional deutsche Untertitel, obendrein Audiokommentare, geschnittene Szenen, ein alternatives Ende, den Kinotrailer und einige Features zum Pokerspiel als Extras. Empfehlenswert!