Martin Růžek, Alena Vránová, Vladimír Ráẑ, Rudolf Deyl, Eva Klépačová
Im Jahr 1947 ist an der tschechisch-deutschen Grenze inmitten der weiten Landschaft ein Mann (Adolf Král) auf der Flucht vor zwei Beamten der tschechoslowakischen Grenzpolizei. Es gelingt ihm, einen mit seiner Pistole zu erschießen. Doch der zweite, von einem Spürhund geführt, kann ihn von einer Brücke aus ins Visier nehmen und erschießt ihn seinerseits. Als der Grenzer bei dem Sterbenden ankommt, ist „Lachman.“ das letzte Wort, das jenem über die Lippen kommt… Nach 12 Jahren Haft wird Josef Lachman (Martin Růžek), der Fluchthelfer gesuchter, einstiger SS-Soldaten, wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen. Der Direktor (Bohus Záhorský) persönlich verabschiedet ihn und erkundigt sich nach seinen Plänen für den weiteren Lebensweg. Josef Lachman wünscht zu seiner alten Arbeitsstelle zurückzukehren und im grenznahen Gebiet bei Errichtung eines gewaltigen Staudamms als Lkw-Fahrer beschäftigt zu sein. Der Direktor wundert sich, schließlich kennt ihn dort jeder, aber er lässt den Mann ziehen… In Prag angekommen, begibt sich der Mitt-Fünfziger im Nu zu seiner Tochter Eva Kostková (Alena Vránová), die längst erwachsen ist und mit Jindra Kostka (Vladimír Ráẑ), dem Angestellten im Vertrieb einer Textilfirma, verheiratet ist. Der Rückkehrer gibt sich zurückhaltend und erkundigt sich nicht nach dem Leben der Eheleute. Was ihn interessiert, ist sein Koffer aus alter Zeit und die darin enthaltene Korrespondenz. Denn Lachman wurde für seine Fluchthilfe einst fürstlich entlohnt…
Dank einer einmaligen Vorführung des Films auf dem Noir Film Festival in Křivoklát, Tschechien, ist möglich, diesen überraschend dunklen Thriller aus der einstigen Tschechoslowakei hier vorzustellen. Ex-Häftling Josef Lachmann, welcher nach seiner Entlassung mit seiner Tochter in Prag kooperiert und versucht, den vor 12 Jahren vergrabenen Geldkoffer voller englischer Pfundnoten in ein lukratives und zugleich legales Gewerbe zu transferieren, ist durch und durch ein Film-Noir-Charakter. Ebenso tragisch wie skrupellos, heimgesucht von seiner Vergangenheit und das eigene Leben auf eine einzige Karte setzend, führt uns Lachmann durch die verschiedenen Stationen dieses Dramas – gehetzt von der Polizei und von seiner Schuld, alt und neu. Er ist kühl und berechnend, vorsichtig und aus Erfahrung klug, aber sein Kollege Rokos (Rudolf Deyl), auf dessen Mithilfe bei der Bergung des Geldes aus dem mit Sprengkörpern gesicherten Versteck Lachmann angewiesen ist, droht ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Indessen seine Tochter Eva ihrerseits von einer brennenden Sehnsucht nach Wohlstand und Luxus beflügelt ist, die sie im Nu in kriminelle Energie umzumünzen weiß, ist ihr Ehemann Jindra ein Bürger voller Zweifel und Angst, der gleichermaßen das wagemutige Unternehmen von Vater und Tochter zu gefährden droht. Aus der Konstellation dieser vier unterschiedlichen Charaktere zieht der Film seine Spannung, indessen er zugleich – gemäß den Zeichen der Zeit! – die Arbeit der Polizeibehörden glorifizieren muss, die der Bande auf die Spur kommen, als bei Einwechslung der ersten Pfundnote im Prager Kaufhaus Tuzex herauskommt, dass es sich bei den Scheinen im Koffer um Falschgeld handelt. Ist solche Seite des Films (vergleichbar den semidokumentarischen Film Noirs am Vorabend der US-amerikanischen McCarthy-Ära) auch fade und vorhersehbar, gelingt sowohl den Darstellern als auch dem Kameramann Václav Hunka das Werk übers Mittelmaß hinaus wachsen zu lassen.
“A lot of night scenes are set in the interesting scenery of a dam under construction in an industrial region, but Wenceslas Square lit by neon lights also gives the film the noir feel”, schreibt Veronika Zýková im Katalog zum Noir Film Festival im August 2020, und es stimmt. Der tschechoslowakische Film hatte in den 40er und 50er Jahren einen hohen Standard, technisch und dramaturgisch, und die auch mich hin und wieder ergreifende Überraschung liegt darin begründet, dass er einem westeuropäischen großteils vorenthalten blieb. Auch im 21. Jahrhundert führten Einzelerfolge à la Klopka – Die Falle ( SRB/GER/HUN 2007) oder Beiträge auf bundesdeutschen Filmfestivals wie der unterm internationalen Titel der Romanvorlage als A Grain Of Truth gezeigte Ziarno Prawdy (POL 2015) und die inzwischen via Magenta TV auch in Deutschland publizierte HBO-Produktion Wasteland: Verlorenes Land (CZ 2016) bis dato nicht zu einer Auseinandersetzung mit der osteuropäischen oder gar der russischen Filmklassik. So bleibt zu hoffen, dass die Mühsal solcher Titel habhaft zu werden, früher oder später einmal durch eine systematische und sachkundige Öffnung solcher Archive abgelöst werden und zu einer Neubewertung auch der Thriller- und Kriminalfilmtradition anleiten wird.
Es gibt bis heute (2020) weltweit noch keine offizielle BD oder DVD dieses Klassikers, und auch in Online-Portalen finden sich lediglich einige Auszüge des Films, stets mit der tschechischen Tonspur ohne Untertitel.