City & the City, The

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
The City and the City
Kategorie
Neo Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
2018
Darsteller

David Morrissey, Mandeep Dhillon, Lara Pulver, Christian Camargo, Maria Schrader

Regie
Tom Shankland
Farbe
Farbe
Laufzeit
240 min
Bildformat
Widescreen

 


 

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Der in der Polizeieinheit Extreme Crime Squad arbeitende Inspektor Tyador Borlú (David Morrissey) wird im Schlaf von Alpträumen heimgesucht, die ihn in jene Nacht in der GúnterStrasz zurückversetzen, wo er einst seiner Ehefrau Katrynia Perla (Lara Pulver) das Leben rettete… Aber heute ist es nicht Katrynia, schon seit Jahren als vermisst geltend, die den Ermittler im Polizeidienst beschäftigt, sondern eine nahe der GúnterStrasz gefundene Frauenleiche (Andrea Deck). Es ist ein verwahrlostes, für Prostitution und illegale Geschäfte bekanntes, kaum besiedeltes Viertel der Stadt Beszél, an der Grenze zu der auf dem gleichen Terrain gelegenen Stadt Ul Qoma. Die beiden Metropolen, die sich an dem inmitten der Stadt gelegenen, einzig legalen Grenzübergang sogar das Rathausgebäude teilen, sind strikt voneinander getrennt. Nur in Einzelfällen ist gestattet, von der einer in die andere Stadt zu reisen, was auch Tyador Borlú vor langer Zeit vergönnt war. An der GúnterStrasz ist die Grenze zwischen Beszél und Ul Qoma dünn und durchlässig. Aktivisten des politischen Untergrunds, die eine Trennung der Städte ablehnen, sollen trotz der in Beszél gefürchteten Agenten der Grenzpolizei namens Breach genau hier regelmäßig von einer Welt in die andere übertreten. Als Borlú am Tatort die Tote inspiziert, muss er an seine verschwundene Ehefrau denken… Eine Polizeibeamtin in Uniform, Constable Lizbyet Corwi (Mandeep Dhillon), soll den erfahrenen Inspektor in dem Mordfall unterstützen…

 

Mit vier Folgen à 60 Minuten erweist sich Tom Shanklands Mini-TV-Serie um die Mordermittlungen jenes Inspektors Tyador Borlú von der Extreme Crime Squad aus der Stadt Besźel, Verfilmung des Romans Die Stadt und Die Stadt (EA 2009) von China Miéville, als eine ebenso stringent wie effektiv umgesetzte Skizze des Lebens im Absolutismus. Der Kommunismus, der Faschismus und auch religiöse Gruppierungen seien als politische Parteien für ideologische Akteure in Ul Qoma verboten, so Senor Detective Quissima Dhatt (Maria Schrader) zu ihrem aus Besźel stammenden Berufskollegen Borlú. Aber die Serie illiustriert über weite Strecken beeindruckend und mitunter perfekt, wie Suche und Streben nach einem Staatswesen, das Inklusion und Identität garantieren soll, für skrupellose Politiker, für elitäre Wirtschaftsmächtige und für manipulative Heilsprediger anfällig wird und wider bessere Absichten in ein totalitäres Regime münden kann. The City & the City, die Geschichte zweier unmittelbar benachbarter Städte, deren Grenzen zwar strikt getrennt, für Rebellen, die eine Einigung anstreben, dennoch durchlässig sind, ist explizit vom Ost-West-Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg und zugleich von der britischen Kolonialgeschichte beeinflusst. So erinnern Zeitgeist-Interieur und Architektur an die Jahrzehnte von West- und Ost-Berlin unter Vorherrschaft jeweils der Sowjetunion und der westlichen Allierten, als sich Alltagskultur und Straßenbild so rapide entwickelten und nach 40 Jahren die Stadtteile grundverschieden wirkten. Zugleich ist beides vom London des Hier und Heute geprägt, von der multikulturellen Vielfalt und der Klassenzugehörigkeit indischer und afrikanischer Traditionen (Besźel) und von der kühlen bis eisig kalten Hi-Tech-Ästhetik des rigiden Banken- und Börsenkapitalismus‘ im 21. Jahrhundert (Ul Qoma). Mit Blick auf die Handlung und ihre Entfaltung über eine Dauer von 4 Stunden ist The City & the City ebenso eine beänstigend naheliegende Dystopie wie zugleich Neo Noir par excellence.

 

Ein von seiner Vergangenheit heimgesuchter Ermittler, der zugleich die Stimme des Erzählers ist und uns durch eine narrative Struktur voller Rückblenden leitet, mitten hinein in ein komplexes Netz politischer Intrigen und ihre durchs Machtstreben motivierter Ränkespiele: diese britische Fernsehproduktion mit einer beeindruckenden, doch nie überfrachteten Kameraaarbeit in Szenarien regengepeitschter und oft des Nachts spielenden Urbanität lässt nichts aus. Schon in Jamie Paynes The Driver (UK 2014) hatte David Morrissey auf eindrückliche Weise den vom Schicksal geprügelten Film-Noir-Protagonisten gemimt. Auch hier spielt er seinen Mordermittler Borlú mit allen Insignien eines Klassikers seiner Art, ohne dabei in Klischees zu versinken, wird hin und wieder auch etwas viel bedeutungsschwanger gemurmelt, was der Schwere des Stoffs ein Übermaß an inviduellem Pathos verleiht. Dessen bedürfte die Geschichte nicht; sie berührt den Zuschauer ohnehin. Auch dank einer Riege exzellenter weiblicher Datsellerinnen – Lara Pulver, Mandeep Dhillon, Maria Schrader, Paprika Steen – in zentralen Rollen beweisen Drehbuchautor Tony Grisoni und Regisseur Tom Shankland, dass man heute in England den Neo Noir ins Format hochwertiger TV-Serien zu überführen weiß und somit ans Niveau der USA, Australiens, Tschechiens und der skandinavischen Länder anzuschließen vermag. Empfehlenswert!

 

Es gibt eine sehr gut editierte deutsche 2-DVD-Edition (2019) der Pandastorm Pictures GmbH mit der TV-Serie ungekürzt im Originalformat und zwar in vier Teilen à 60 Minuten, dazu den englischen Originalton plus optional deutsche oder englische Untertitel sowie auch eine deutsche und eine französische Tonspur (selbtverständlich sollte man die Serie aber mit Originalton sehen), zudem ein 5-minütiges Making Of sowie einige Interviews als Extras.

 


Neo Noir | 2018 | UK | Tom Shankland | Danny Webb | David Morrissey

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