Tom Long, Claudia Karvan, Bryan Brown, Jason Clarke, Melissa Madden-Gray
Sydney, New South Wales, Australien: Der Versicherungsangestellte Ben Madigan (Tom Long) irrt durch die brennenden Wracks einer Massenkarambolage und erinnert sich daran, wie er in die Großstadt zog und dort bei der Versicherungsgesellschaft UAI eine Anstellung fand. An jenem ersten Morgen vor der Arbeit stach er sich mit einer Nadel des neuen Hemdes in den Hals und blickte die Fassade jenes Wolkenkratzers empor, darin die ehrwürdige Firma UAI ihren Sitz hat. Noch auf dem Gang steht Madigan auf der oberen Sprosse der Rolltreppe der Rechtsanwältin Louise Roncoli (Claudia Karvan) im Weg. Sodann wird die Riege der Neulinge an ihrem ersten Arbeitstag in einen Besprechungsraum geführt, wo Abteilungsleiter John Kriesky (Bryan Browen) und ein Kollege (Brian Meegan) sie bereits erwartet. Kriesky hält seine Rede kurz und kündigt ledglich an, dass sie zwei Wochen Zeit hätten sich in ihrem Beruf als Schadenregulierer für eine Versicherung zu bewähren, und dafür wünsche er ihnen viel Glück. Der Kollege gibt ihnen eine Einführung in die Denkweise von Versicherungen, die den Personenschaden im Falle eines Unfalls einzig in Zahlen bemisst. Ben Madigan und Neuling Chris (Jason Clarke) staunen nicht schlecht darüber, mit welcher Sachlichkeit über fehlende Finger und andere Gliedmaßen geredet wird. Aber John Kriesky hat schnell heraus, dass sowohl die Naivität als auch jene aufrichtige Empathie für die Unfallopfer, die Ben Madigan zeigt, für ihn und sein Nebengeschäft von großem Nutzen sein könnte…
“They say, bad luck comes in threes. This is me, Ben Madigan, well into my third…“ Es sind die erste Sätze des Films, mit denen der Erzähler aus dem Off sein Publikum auf jene Abwärtsspirale vorbereitet, die Ben Madigans Leben seit der Ankunft in Sydney bestimmte und ihn in einen Strudel aus Verbrechen und Leidenschaft tauchen ließ. Das Drehbuch von John Armstrong und Steve Wright basiert auf der Erzählung The Adjuster (EA 1991) aus der Feder der US-amerikanischen Autors und Pulitzerpreisträgers Tracy Kidder und serviert uns ein Trio von Rollencharakteren im Zentrum der Filmhandlung, wie es für einen Film Noir kaum besser geeignet sein könnte. John Kriesky in einer betörend widerwärtigen Darstellung durch Bryan Brown ist die Skrupellosigkeit in Person, ein vollends hemmungsloser und durchtriebener Schmarotzer tief im Getriebe des Versicherungsgeschäfts. Seine Geliebte, die Anwältin Louise Roncoli, die sich ihrer weiblichen Reize bewusst ist und sie exakt so einsetzt wie Linda Fiorentino in John Dahls Die letzte Verführung (USA 1994), ist eine Femme fatale par excellence. Und Ben Madigan ist der Mann mit der Fassade des ewigen Teenagers, der die Handlung ins Rollen bringt. Aber das wird dem Zuschauer überhaupt erst zu Beginn der zweiten Filmhälfte richtig klar, wenn die Balance in der Beziehung des Trios mit seinen Geschäftsinteressen durch eine Verlagerung der privaten Verhältnisse plötzlich außer Kontrolle zu geraten droht… Denn neben den von Madigan verhandelten, echten Versicherungsfällen gibt es auch jene Unfälle, die durch Kriesky und Roncoli überhaupt erst herbeigeführt werden.
“The story is (…) a noir-ish crisis of morals, with a femme fatale in the form of Karvan making it an interesting introduction to the corporate world for Ben“, schreibt Dust For Eyes für die eFilmCritic Reviews. Nun, die Krise ist vor allem eine, die der Zuschauer erlebt, denn die Entwicklung des Rollencharakters Ben Madigan unter dem Einfluss seiner erfahrenen Protegés im Versicherungsgeschäft ist mehr als bemerkenswert. Der Film und seine Geschichte sind gespickt mit sarkastischen Seitenhieben auf die Idee von Erfolg und Glücksstreben in einer Welt, darin Rechtwissenschaft einen Weg zum Reichtum darstellt und nichts anderes. Tief verwurzelt in der Tatsache, dass manche Praktiken der Schadenregulierung zwar moralisch verwerflich anmuten, aber keinesfalls rechtswidrig sind, bewegen sich die Figuren mit der Sicherheit von Reptilien durch Dschungel von Paragraphen und Schlupflöchern der Rechtsprechung. Dabei hilft fantastische Kameraarbeit von Simon Duggan, der später in den USA Karriere machte, und ein Soundtrack, der The Easybeats, 78 Saab und Skulker vereint, um die Ereignisse in der Metropole Sydney in der Spur zu halten. Einer geruhsamen ersten Hälfte folgt eine spannende und zunehmend abgründige Fortentwicklung und auch der Schlusspunkt ist eines Neo Noirs würdig. So bleibt mir ein Rätsel, warum der Film wie viele andere australische Produktionen seiner Zeit nicht nur an der Kinoklasse floppte sondern trotz einer DVD-Veröffentlichung in den USA und in England schnell in Vergessenheit geriet. Für den Freund des internationalen Neo Noirs ist Risk 20 Jahre nach Premiere definitiv ein lohnenswerter Geheimtipp.
Es gibt eine englische DVD-Edition (2001) via Metrodome Distribution Ltd. mit dem Film ungekürzt im Originalformat und inklusive der original englischen Tonspur ohne Untertitel und mit dem Trailer und einem Makinfg Of als Extras. Eine US-amerikanische DVD von Trimark Home Video (2004) bietet zusätzlich sowohl englische als auch spanische Untertitel.