blonde Skorpion, Der

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Ça n'arrive qu'aux vivants
Kategorie
Post Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1959
Darsteller

Raymond Pellegrin, Magali Noël, Gisèle Pascal, Marc Valbel, André Valmy

Regie
Tony Saytor
Farbe
s/w
Laufzeit
80 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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Auf einer Landstraße in Richtung Paris hat die edel gekleidete Gloria Selby (Magali Noël) mit ihrem Jaguar Cabriolet am Abend eine Motorpanne. Wie zufällig kommt der Automechaniker und Werkstattinhaber Henri Brunier (Raymond Pellegrin) mit seinem Abschleppwagen von einem Kundenbesuch zurück und bietet der jungen Frau seine Hilfe an. Den Defekt kann er in der Dunkelheit nicht finden. Also nimmt er Mademoiselle Selby im Wagen mit und schleppt den Jaguar nach Paris. Als sie eine Tankstelle passieren, wird dort eine Limousine betankt. Ein Schäferhund wartet, bis ihn der Fahrer (Marc Valbel) zum Einsteigen auffordert, und fortan hält sich auf der Straße in die Metropole jene Limousine direkt hinter Bruniers Abschleppwagen. Der Mechaniker hat an seiner attraktiven Begleiterin Gefallen gefunden und begonnen, ihr von seinen beruflichen Problemen zu erzählen. Der Ausbau seiner Garage und die Aufrüstung zur Tankstelle haben ihn mit Schulden belastet; so steckt er aktuell in finanziellen Schwierigkeiten. Gloria Selby deutet an, dass sie ihm helfen könne, und lässt sich vor ihrem noblen Apartmenthaus absetzen. Brunier fährt davon und kurz darauf hält die Limousine vor dem Eingangstor. Der Schäferhund huscht hindurch: er kennt den Weg… Brunier lässt den Abschleppwagen und den Jaguar in der Werkshalle stehen und geht treppauf in die Wohnung zu seiner Frau Anne (Gisèle Pascale), die sich schon Sorgen machte. Henri erzählt, dass er auf der Rückfahrt einen Kunden gewonnen habe…

 

Unter seinem deutschen Titel Der blonde Skorpion liegt dieser heute obskure französische Film Noir seit Juni 2019 in einer mit viel Liebe restaurierten deutschsprachigen Fassung auf einer DVD von 80 Minuten Spielzeit vor: ohne den französischen Originalton, ohne Untertitel und ohne Extras. Diese Version ist Grundlage meiner Rezension. Die DVD gibt auf dem Waschblatt eine 82-minütige Spieldauer an, diverse internationale Online-Quellen wiederum verzeichnen die Spieldauer der originalen Kinofassung als entweder 86 oder 100 Minuten. Inwieweit die auf dem deutschen Original-Negativ basierende DVD-Version der Media Target Distribution GmbH auf eine seit jeher auf knapp unter 80 Minuten gekürzte deutsche Kinofassung zurückgreift, kann ich nicht beurteilen. Demgegenüber leidet diese Adaption des Romans The Things Men Do (EA 1953) - auf Deutsch Der Mann mit dem blauen Gesicht (EA 1969) - des englischen Schriftstellers James Hadley Chase, der in Frankreich in der legendären Série Noire erschien, unter ihrer deutschen Kinosynchronsation, die den Zeitgeist spiegelt und heute teils grotesk wirkt: „Wir schießen nicht mit Mottenkugeln, klar? Der blonde Skorpion ist soeben gestartet. Also behalt‘ die Nerven.“ Diese und andere krude Dialogsequenzen des Films bewegen sich auf dem Niveau bundesdeutscher Kriminalkomödien oder Fernsehkrimis jener Jahre und es stört ungemein.

 

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Die Geschichte des Films und deren schrittweise Entwicklung weisen trotz Hinweises auf die Adaption des Buchs von James Hadley Chase verblüffende Parallelen zu Richard Quines Drive A Crooked Road (USA 1954) auf. Der blonde Skorpion beinhaltet ein in der Theorie durchdachtes Verbrechen. In der Praxis jedoch wirken seine Bösewichte teils hölzern und die Ausführung ihres Coups wird (zumindest in der deutschen Kinofassung) überhaupt nicht gezeigt. Es ist die schwerwiegendste unter einigen anderen Leerstellen. Handlungsrelevante Aspekte werden erzählt, bleiben für den Zuschauer aber unsichtbar, so dass auch in Anbetracht einiger abrupter Schnittfolgen der Verdacht einer gekürzten deutschen Fassung naheliegt. Die Femme fatale Gloria Selby, von Magali Noël mit geradezu amüsamtem Manierismus verkörpert, spielt in der ersten Filmhälfte eine zentrale Rolle und verschwindet dann plötzlich. Bemerkenswert ist demgegenüber, mit welcher Kälte und amoralischer Konsequenz Henri Brunier seine Rache verübt, zumal er großteils durch eigenes Verschulden erpressbar wurde und Andere mit sich ins Verderben zog. Dies nimmt fast schon das Kino Jean-Pierre Melvilles vorweg, der nur wenige Jahre später mit Der Teufel mit der weißen Weste (FRA/ITA 1961) ein Meisterstück des französischen Post Noirs ablieferte. Der blonde Skorpion hätte das Zeug zu einem erstklassigen französischen Film Noir. In der deutschen Kinofassung ist er genau das jedoch nicht. Schade!

 

Die als Film Club Edition Nr. 53 erschienene deutsche DVD-Ausgabe (2019) von Der blonde Skorpion via Media Target Distribution GmbH ist ungeachtet der Mängel dieser deutschen Kinofassung eine Pioniertat und die bis dato einzige Edition des Werks weltweit. Bild- und tontechnisch gibt es trotz eines vorangestellten Hinweises auf einen Wasserschaden des deutschen Negativs nichts auszusetzen – die Restauration ist mehr als bemerkenswert. Wer als Connaisseur des Film Noirs diese Obskurität ansehen will, dem rate ich davon keineswegs ab.

 


Post Noir | 1959 | France | Tony Saytor | James Hadley Chase | Daniel Cauchy | Raymond Pellegrin | Magali Noël

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