Mario Casas, Ana Wagener, José Coronado, Bárbara Lennie, Francesc Orella
Barcelona, Katalonien, Spanien: Die Staranwältin Virginia Goodman (Ana Wagener) besucht spät am Abend in dessen Luxusapartment den von ihrem Kollegen Félix Leiva (Francesc Orella) verteidigten, erfolgreichen Jungunternehmer Adrián Doria (Mario Casas), der des Mordes an seiner Geliebten Laura Vidal (Bárbara Lennie) angeklagt ist. Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, in etwa drei Stunden einen neuen Zeugen vorzustellen, dessen Identität geheimgehalten wird. Virginia Goodman macht Doria eindringlich klar, dass er innerhalb dieser Zeitspanne die Geschehnisse um den Mord an Laura nochmals wahrheitsgetreu reflektieren müsse, um eine überzeugende Verteidigung aufbauen zu können. Der Angeklagte ist anfangs nicht davon überzeugt. Er habe alles schon x-mal zu Protokoll gegeben, moniert er. Aber Goodman verdeutlicht ihm den Ernst seine Lage. Also schildert Doria erneut, wie er und Laura von einem Unbekannten dazu aufgefordert wurden, sich mit ihm in dem abgeschiedenen Hotel Bellavista in den Bergen zu treffen, 300 Kilometer von seinem Wohnort entfernt. Adrián Doria ist nicht nur beruflich ein Erfolgsmensch, er hat auch Familie, bestehend aus seiner Ehefrau Sonia (San Yélamos) und dem noch kleinen Alex (Martina Hurtado), die er beide liebt. So sah er sich plötzlich erpresst, denn der Unbekannte forderte die Summe von 100.000 Euro für sein Schweigen, was sich eindeutig auf sDorias Liebschaft beziehen musste. Als er wie vereinbart mit Laura im Zimmer wartete, geschah etwas Unerwartetes…
“Part film-noir, part genre-trash, The Invisible Guest draws from the best influences in cinematic suspense“, schrieb Christian Long im Oktober 2016 für The Glide Magazine und wies damit bereits in die Richtung der Filmklassik, von der Oriol Paulos Thriller eindeutig beeinflusst wurde. Der erste und offensichtliche Trick, dem dieser Thriller seine Spannung verdankt, ist die Unzuverlässigkeit des Erzählers. Kurzum, der Zuschauer bekommt etwas zu sehen, das er nur aufgrund der Tatsache, dass er es mit eigenen Augen sehen kann, für die Wahrheit halten muss, doch de facto wird er getäuscht. Denn solcher Zuschauer vergisst, dass die gezeigte Rückblende nur die sichtbar gewordene Version des Erzählers darstellt und nicht mehr. Zwei weltberühmte Regisseure hatten einst im gleichen Jahr, geografisch fern voneinander, genau solchen Trick der subjektiven Rückblende und ihres Erzählers für sich zu nutzen gewusst. Sowohl in Alfred Hitchcocks Die rote Lola (UK/USA 1950) als auch in Akira Kurosawas Rashomon (JPN 1950) können wir dem Erzähler nicht vertrauen. Jede neue Fassung der Wirklichkeit widerspricht der vorherigen, anstatt sie zu belegen: Fiktion und Wahrheit verschmelzen miteinander. Neben solcher formalen Komponenten, denen Oriol Paulo als Autor und als Regisseurs dieses Thrillers zugeneigt ist, spürt Arun für Creofire – An Infotainment Leisure Portal auch inhatlich die Inspirationsquellen des cleveren und nervenzehrenden Katz-und-Maus-Spiels auf: “The Invisible Guest’s basic plot mixes up the narrative ingredients of The Usual Suspects (USA/GER 1994) and Spanish Noir Death of a Cyclist (ESP/ITA 1955).“
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Spanien ist nicht unbedingt für seine Tradition im Segment des Film Noirs bekannt. Außer dem in der Rezension via Creofire – An Infotainment Leisure Portal angesprochenen Der Tod eines Radfahrers ((ESP/ITA 1955) sind in der klassischen Ära kaum Produktionen auch international aufgeführt worden. Der Autor und Regisseur von Der unbekannte Gast, Oriol Paulo, war seit 2004 als Drehbuchautor fürs spanische Fernsehen tätig, bevor er sich in der Funktion auch für Guillem Morales‘ Thriller Los ojos de Julia (ESP 2010) eine Reputation erwarb. Zwei Jahre später überraschte er als Autor und Regisseur mit seinem Neo Noir The Body (ESP 2012), der neben Belén Rueda in einer zentralen Rolle jenen spanischen Schauspieler präsentierte, der am ehesten mit dem dortigen Neo Noir in Verbindung gebracht werden kann: José Coronado. Weitere vier Jahre später folgt Der unsichtbare Gast dem Debüt Oriol Paulos sowohl atmosphärisch als auch mit Blick auf die Erzähltechnik und die beinhalteten Überraschungen bis in Details. Anders ausgedrückt: Der Autor erzählt seine Geschichte ein zweites Mal, nur dass es nochmals besser gelingt, er die geringfügigen Schwächen und Stolperfallen des Erstlings fast vollends ausbügelt. Der unsichtbare Gast ist ein fantastischer Old-School-Thriller im Look des Hier und Heute. Wenn der Abspann läuft, wissen wir Zuschauer, dass es in der Wirklichkeit nie und nimmer so vonstatten ginge. Aber wir können unsere Begeisteriung über solches Spiel der Möglichkeiten, das Oriol Paulo gekonnt auf die Leinwand bannt, nicht im Zaum halten und werden vom Selbstbewusstsein seines Kammerspiels mitgerissen. Großes Kino!
Erstklassige BD- und DVD-Editionen (2017) der Koch Media GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu den original spanischen Ton und optional deutsche Untertitel, zudem gibt es auch eine deutsche Synchronisation. Als Extras sind ein Making Of, Interviews mit Crew und Darstellern, zwei Musikvideos und der Kinotrailer plus Teaser beinhaltet. Für den Freund des europäischen Neo Noirs ein Muss!