Arlene Dahl, Philip Carey, Herbert Marshall, Michael Goodliffe, Ralph Truman
© Columbia Pictures Corporation
New York: Die Fabrikarbeiterin Kathleen Allenborg (Arlrne Dahl) lebt bei ihrem Stiefvater Frank (Sidney James), einem mittellosen Nachtwächter, in einfachen Verhältnissen. Als sie heute die Fabrik verlässt, steht dort ein Wagen des Modemagazins Stylewear Journal und verkündet einen Schönheitswettbewerb mit der Frage: “Who is Miss Working Girl?“ Der Gewinnerin werden Kleidungsstücke im Wert von 1000 US-Dollar und eine Luxusreise nach Europa versprochen. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen interessiert sich Kathleen dafür nicht, doch Mike Lewis (Marvin Kane), Sohn des Herausgebers und Inhabers Sam Lewis (David Kossoff), rennt ihr hinterher und fragt, ob sie nicht mit ihm bei Tony’s zu Abend essen möchte. Kathy hat nur Geringschätzung für ihn übrig und lässt ihn stehen. Als sie später nach Hause kommt, sitzt ihr Stiefvater mit seinen Freunden Willie (Patrick Allen) und Chuck (Gilbert Winfield) beim Poker. Frank ist mies gelaubt und verlangt von Kathy den Fernseher auszuschalten, indessen Willie seine Augen nicht von der jungen Frau abwenden kann, die ihm droht, ihn mit einer Flasche zu erschlagen, als er sie berührt. Kathy beklagt sich vor den Freunden über die Kleidung, die ihr Stiefvater ihr in der Jugend kaufte, die ihr peinlich gewesen sei und Frank ist sichtlich betroffen. Sie kündigt an, sich eines Tages weit Besseres leisten zu können und überlässt die Männer ihrem Spiel. Willie merkt an, dass Kathy nicht mehr dieselbe sei, nachdem was ihr in jungen Jahren widerfahren sei, doch Frank schnauzt zurück, dass niemand ihn gefragt habe. Indessen trifft Kathleen “Kathy“ Allencort bei Tony’s auf Mike Lewis…
Mit dem Niedergang des Film Noirs in den USA ab 1950 und mit der Krise etablierter Filmstudios in Hollywood durch den Siegeszug des Fernsehens waren viele US-Schauspieler auch in England aktiv. Herbert Marshall war in den 30er und 40er Jahren ein zugkräftiger Name und hatte in vielen A-Produktionen mitgewirkt, Arlene Dahl und Philip Carey waren eher Darsteller aus der zweiten Reihe, doch auch ihre Namen hatten in den USA bereits manches Filmplakat geziert. Der Brit Noir Keiner ging an ihr vorbei spielt in seinen ersten 15 Minuten sogar in New York, wenngleich es sich um Studiobauten in London handelt, und das ist für einen britischen Film jener Zeit ungewöhnlich. Arlene Dahl verkörpert eine Femme fatale nach dem Vorbild von Film Noirs mit Barbara Stanwyck, Audrey Totter, Lizabeth Scott oder Joan Bennett in den 40er Jahren. Eine solche Figur gab es in den USA der 50er nur noch vereinzelt, etwa in Michael Curtiz‘ spätem Film Noir Alle Spuren verwischt (USA 1956) mit Carol Ohmart in einer vergleichbaren Rolle. Aber in beiden Werken kommt explizit ein Aspekt zum Tragen, der die Motivation hinter der skrupellosen Berechnung im Handlungsmuster der Frau zu erläutern sucht und der im Noir der 40er meist fehlt, nämlich die Armut. Kathy Allen nutzt so wie Pauline Nevins (Carol Ohmart) die Waffen der Frau, um im Kontext einer rigiden, männerdominierten und materialistischen Gesellschaft den eigenen Aufstieg zu initiieren und sie ist erfolgreich damit. Reichtum, Macht und Sex sind auch im Film Noir die wesentlichen Bestandteile einer Gesellschaftsordnung im Kapitalismus - das eine führt (fast) automatisch zum anderen. Um dies zu verstehen, bedarf es keines Hochschulstudiums. Und um als Frau aktiv mitspielen zu können, braucht es als Lockmittel einige weibliche Attribute sowie den Willen und das Talent, sie je nach Bedarf auch einzusetzen. Es ist genau, was den Rollencharakter der Kathleen Allenborg aka Kathy Allen auszeichnet.
“Believe it or not, I’m ernjoying myself.“ Wenn Kathy Allen dies ihrem Begleiter des Abends, Tim O’Bannion (Philip Carey), beim Tanz ins Ohr spricht, versucht sie womöglich die Überraschung über solche Lebensfreude vor allem sich selbst zu erklären. Keiner ging an ihr vorbei wartet an seinem Ende mit einer (vorhersehbaren) Enthüllung auf, ein Ergeignis in der Biografie, das in anderer Form im englischen und im US-amerikanischen Film Noir für starke Frauernfiguren à la Jean Kent in Tanz in den Abgrund (UK 1948), Eleanor Parker in Verlorene Frauen / Frauengefängnis (USA 1950) oder Diana Dors in Umfange mich, Nacht (UK 1956) keinesfalls untypisch ist. Auch dieser Stachel einer Schicksalsmacht bleibt dramaturgisch jedoch eigentümlich wirkungslos. Der Film verspricht mit seinem hier rudimentär skizzierten Konzept in der Verfilmung von Bill S. Ballingers Roman Portrait In Smoke (EA 1950, auf Deutsch 1964) weit mehr, als er in seiner fertigen Form zu halten vermag. Dies liegt vor allem an den Ausführenden hinter der Kamera. Sowohl die Bildkompositionen Basil Emmotts als auch die Regie von Ken Hughes bleiben in Anbetracht der komplexen Verhältnisse der Rollenchatraktere eigentümlich uninspiriert. Ein J. Lee Thompson oder ein Basil Dearden auf dem Regiestuhl hätte womöglich mehr aus dem Skript herausgeholt. In der Riege der Darsteller ist der einzig kritische Aspekt, dass Arlene Dahl mit 30 Jahren für die Rolle einer just flügge gewordenen Tochter zu alt erscheint. Trotzdem ist Keiner ging an ihr vorbei kein Ärgernis und für den Connaisseur des Film Noirs eine unterhaltsame britische B-Produktion, die das Bild der Epoche vervollständigt. Ein Muss ist das Werk allerdings nicht.
Meines Wissens gibt es bis dato keine BD oder DVD dieses Films, demgegenüber online eine passable Fassung des Werks kursiert, ungekürzt im Originalformat mit der original englischen Tonspur ohne Untertitel und bild- und tontechnisch allemal auf dem Niveau einer VHS-Videokassette.