Nigel Patrick, Margaret Whiting, Katherine Woodville, Colin Blakely, Derren Nesbitt
London, England: Bei Scotland Yard kündigt der Superintendent Harry Bestwick (Harry Andrews) seinen versammelten Inspektoren an, dass man in Zukunft auf moderne, technisch entwickelte Fahndungsmethoden setzen und auf die unzuverlässigen Informanten aus Verbrecherkreisen verzichten wolle. Er spricht ein Verbot für die Zusammenarbeit mit Spitzeln aus, das vor allem von Chief Inspector John Edward Johnnoe (Nigel Patrick) in Gegenwart seines jovialen Kollegen Smythe (Allan Cuthbertson) mit Ungläubigkeit kommentiert wird. Bestwick kommt zudem auf die erfolgreichen Einbruchserien in Londoner Bankhäusern zu sprechen, die den Gangstern im vergangene Jahr 5 Millionen Pfund einbrachten und die Scotland Yard in Augen der Medien und der Öffentlichkeit zum Gespött mache. Es ist Johnnoe, der gegenüber dem elektronischen Firlefanz seine Skepsis ausdrückt und der Bestwick dennoch versichern muss, dass er sich an dessen Anweisungen zu halten gedenke… Auf einer Themsefähre sind der kleine Ganove Jim Ruskin (John Cowley) und sein Bruder Charlie Ruskin (Colin Blakely) miteinander in einen Streit geraten, denn Jim ist ein Spitzel für Scotland Yard, wie Charlie wohl weiß, der als Schrotthändler inzwischen einer ehrlichen Arbeit nachgeht. Er versucht Jim um dessen Sicherheit willen davon zu überzeugen, sich an der Firma zu beteiligen, als an der Fährstation Charing Cross der Chief Inspector Johnnoe die Fähre besteigt und nach seinem Informanten Ruskin Ausschau hält…
Der Polizeispitzel, jener “stool pigeon“, “snitch“ oder “snout“, wie es im Englischen so schön heißt, ist als Verräter für die ihrem Ehrenkodex verpflichteten Verbrecher schlicht Freiwild. Ob er den Gesetzeshütern freiwillig in die Hände spielt oder von jenen unter Druck gesetzt wird, spielt keine Rolle, ein Spitzel bezahlt für seinen Verrat mit dem Leben. In Henry Hathaways Der Todeskuss (USA 1947) ist es Nick Bianco (Victor Mature), der nach einem Überfall auf einen Juwelier als Familienvater von der Staatsanwaltschft nach allen Regeln der Kunst erpresst und zur Mitarbeit gezwungen wird. Im Neo Noir à la Prince Of The City – Die Herren der Stadt (USA 1981) sind es Junkies, die von Polizeibeamten für ihre Informationen über geplante Verbrechen Heroin erhalten. The Informers, wie Ken Annakins Film im Original betitelt ist, rückt die Zusammenarbeit mit Spitzeln in den Fokus seiner Filmhandlung, geht jedoch im zweiten Teil deutlich darüber hinaus. Wie der Jäger zum Gejagten wird und wie ein von Missgunst Getriebener hinter der Maske begründeten Misstrauens zum ebenso autoritätshörigen wie zugleich intriganten Henker mutiert, all das ist Hintergrund der Verstrickungen von Rollencharakteren, die jeweils exzellent porträtiert werden und dieses vielschichtige Drama ausmachen. Der Plot selbst ist geläufig und klischeebefrachtet: Eine Bande von Bankräubern ist der Polizei stets um eine Naselänge voraus, ihr muss ein kluger Kopf vorstehen, und so ist es letzten Endes auch, fertig und aus. Solches allein wäre für einen Thriller und für einen Film Noir nicht Stoff genug, dazu gehört mehr. Genau dieses “Mehr“ ist, was uns der damals 50jährige Regisseur Ken Annakin (Die Brücke der Vergeltung, UK 1957) mit seiner 20jährigen Berufserfahrung zu liefern versteht und was weit über die Kriminalgeschichte des Films hinausgeht.
Die zentrale Rolle des Films gehört Nigel Patrick (Das Mädchen Saphir, UK 1959), neben John Mills, Trevor Howard und Richard Attenborough eine Ikone des britischen Films der 50er und 60er Jahre, und er nutzt sie. Sein ebenso bürgerlicher wie weltweise desillusionierter, mitunter zynischer Chief Inspector Johnnoe ist ein Rollenmodell des abgebrühten und doch empathischen Kriminalisten, ein englischer Lino Ventura, wenn man so will, weit entfernt von US-amerikanischen Gesetzeshütern im Film Noir à la Dennis O’Keefe oder Glenn Ford. Typisch für das Werk ist auch die durchweg exzellente Riege der anderen Darsteller, die das für diese Ära des englischen Films hohe Niveau der Schauspielkunst hervorhebt: Margaret Whiting, Colin Blakely, Michael Coles, Frank Finlay oder Roy Kinnear sind alle großartig. Sogar Derren Nesbitts Over-Acting lässt seine Figur schillern und ihn zu einem schleimigen und widerwärtigen Gauner mutieren, dem jedes Mittel recht ist, um sich selbst anderen überlegen zu wähnen. Ken Annakins Polizeispitzel X 2 - ein absurder deutscher Verleihtitel - ist ein hierzulande in Vergessenheit geratener Post Noir, dem Reginald H. Wyers (Daybreak, UK 1948) fantastische Kameraarbeit an Drehorten inmitten der Metropole London den letzten Schliff angedeihen lässt und der allen Freunden des Film Noirs, des europäischen Kinos und der Filmklassik in Schwarzweiß hiermit empfohlen sei.
Es gibt eine exzellente englische DVD-Edition (2012) von Strawberry Media Ltd. mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch einwandfrei rstauriert, dazu den original englischern Ton ohne Untertitel und das Ganze leider auch ohne weitere Extras.