Vittorio Gassman, Barry Sullivan, Polly Bergen, William Conrad, Mary Zavian
© Warner Bros.
Los Angeles, Kalifornien: Nachdem er vor drei Jahren als Fluchtfahrer an einem Raubüberfall beteiligt war, sitzt der aus den Sümpfen Louisianas stammende Jory (Vittorio Gassman) im Bradville State Penitentiary hinter Gittern. Gefängnisdirektor Keeley (Robert Burton) hat keine hohe Meinung von seinem Insassen, der jede Kooperation verweigert und zu seinen Mittätern, die sich auf freiem Fuß befinden, beharrlich schweigt. Der mit den Ermittlungen betraute Lieutenant Tunner (Barry Sullivan) tut sich schwer, Jorys Vertrauen zu gewinnen. Zudem hält ihn sein Assistent Goodwin (William Conrad) für zu weich und macht deutlich, dass er sich bei fortgesetztem Misserfolg in der Sache bereits Chancen auf Tunners Posten ausrechnet. So will der Lieutenant es erneut versuchen, nachdem Keeley ihn im Verlauf einer Unterredung in seinem Büro nochmals unter Druck setzte. Tunner begibt sich in Jorys Einzelzelle, wo ihn jener, von allen bisherigen Schikanen gereizt, unbeirrt widerwillig begrüßt. Als Tunner seine Ehefrau Janet (Polly Bergen) erwähnt, antwortet Jory schmerzhaft berührt, dass er ebenfalls verheiratet sei und sich nun selbst daran erinnern müsse. Tunners Bemühungen scheitern. Der von der Einzelhaft gestresste Jory reagiert streitsüchtig und es kommt zum Faustkampf, der zuletzt unentschieden endet. Dennoch muss sich Tunner vom Gefängnisarzt (Harry Cheshire) behandeln lassen, wo ihn Goodwin aufsucht und ihm erzählt, dass Jory beim anschließenden Gespräch mit Keeley erneut nichts zu sagen hatte…
“Cry of the Hunted (…) is part film noir crime thriller, part personal drama about the official doing the hunting and the hunted man”, fasst Michael E. Grost in seinem Aufsatz The Films of Joseph H. Lewis die Fakten zu dem bis heute nur wenig bekannten Film zusammen. Über eine Stunde lang war ich mehr als angetan davon und fragte mich wiederholt, weshalb die Filmgeschichte dieses kompetent gespielte und teils wunderbar inszenierte Werk so ignoriert. Dann folgten das Finale und der Schluss und ich bekam eine Antwort darauf. In einer für die McCarthy-Ära geradezu typischen Weise wird durchs angeklebte und absurd unglaubwürdige Ende viel von der Handlungslogik und von der Psychologie der Rollencharaktere nivelliert. Insbesondere Jory ist in den letzten zwei Minuten ein völlig anderer Mensch, ohne dass der Film darauf eingeht. Als Zuschauer eines Films erwarte ich so wie als Leser eines Buches jene Konsistenz des Materials, die Glaubwürdigkeit und Präzision garantiert. Für viele Hollywoodfilme der 50er Jahre gilt jedoch: starker Beginn, solider Mittelteil, lächerlicher Abschluss. Was in Cry Of The Hunted an exzellenten Einzelszenen verschwendet wird, tut dem Cineasten schlicht weh. Der flüchtige Jory wird in Louisiana in einem Güterzug aufgespürt und entkommt durch den Sprung von einer Brücke. Die Außenaufnahmen hierzu sind ebenso grandios wie später die in Sümpfen hausenden Frauenfiguren Ella (Maria Zavan), die Ehefrau Jorys, und jene Greisin (Inez Palange), der Tunner und Goodwin des Nachts bei ihrer Beschwörung der Toten begegnen. Polly Bergen zeigt Esprit und Talent in einer Rolle, die wenig hergibt; William Conrad und Barry Sullivan sind so zuverlässig wie in jedem anderen Film Noir, den sie bereichern. Vittorio Gassman gilt bis heute als einer der großen Schauspieler Italiens. Er war zwischen 1952 und 1954 mit Shelley Winters (Die Nacht des Jägers, USA 1955) verheiratet und drehte vier Filme in Hollywood, darunter Die gläserne Mauer (USA 1953) und Cry Of The Hunted.
© Warner Bros.
“Yeah, sure… it’s a crazy world. You helped to make it that way.” Wenn dieses Werk heutzutage Erwähnung findet, dann meist aufgrund des latent homsexuellen Subtexts in der Beziehung von Lieutenant Tunner und Jory. Eine solche findet sich auch in Joseph H. Lewis’ nächstem Film Noir, dem bis heute unterschätzten Geheimring 99 (USA 1955), wo Fante (Lee Van Cleef) und Mingo (Earl Holliman), zwei Handlanger des Mobsters Mr. Brown (Richard Conte), geradezu eindeutig ein Paar sind. In Cry Of The Hunted verdeutlicht die Seelenverwandtschaft der Figuren, die geschwisterliche Verbundenheit der zentralen Charaktere, inwieweit die in Gesetzen fest geschriebenen Regularien zur Verfasstheit der Personen in Widerspruch stehen. Während sich Tunner mit Keeley, Goodwin und mit Sheriff Brown (Harry Shannon) in einem unablässigen Streit zur beruflichen Ethik und Ausrichtung befindet, ist seine Verbindung zu Jory trotz (und vielleicht eben gerade wegen) ihrer physischen Reibereien unvermittelt tief und einleuchtend. Auch das ist ein Merkmal der Qualität dieses Films, welche zum Teil im Finale und im Schlussteil endgültig über Bord geht. Weil dem so ist, kann ich Cry Of The Hunted auch nicht empfehlen. Die damit verbundene Enttäuschung ist unausweichlich.
Bild- und tontechnisch gute DVD-Edition (2015) in der Warner Archive Collection (USA) mit dem Film undgekürzt im Originalformat, die original englische Tonspur ohne Untertitel und das Ganze auch sonst ohne Extras.