Bewertung
***
Originaltitel
The House On Carroll Street
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1988
Darsteller
Kelly McGillis, Jeff Daniels, Mandy Patinkin, Jessica Tandy, Jonathan Hogan
Regie
Peter Yates
Farbe
Farbe
Laufzeit
97 min
Bildformat
Widescreen
New York im Jahr 1951: Ms. Emily Crane (Kelly McGillis), eine Assistentin in der Bildredaktion des Life Magazine, wird vor dem House Committee on Un-American Activities (HUAC) vernommen. Der Vorsitzende Ray Salwen (Mandy Patinkin) macht ihr zum Vowurf, bei der Bildauswahl für das auflagenstarke und einflussreiche Magazin politische Tendenzen zu zeigen. Das Komitee, dem auch Senator Byington (Remak Ramsay) angehört, ist sich nach der Weigerung Miss Cranes, die Namen potentiell Verdächtiger zu offenbaren, durch die Bank einig, dass sie im Sinne der Anklage schuldig sei. Kurz darauf wird Emily Crane von den FBI-Agenten Mike Cochran (Jeff Daniels) und Joe Hackett (Kenneth Welsh) bespitzelt und vom Cheredakteur des Life Magazines (Brian Davies) entlassen. Letzterer macht auf Nachfrage keinen Hehl daraus, wie schwer es ihm fällt den Anweisungen zu folgen, zugleich möchte er in die Sache nicht hineingezogen werden. Auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch wird Emily Crane auf der Straße von den beiden FBI-Agenten angesprochen, verweigert aber die Aussage. Sie fragt einen jungen Mann (Christopher Buchholz), der offensichtlich deutscher Herkunft ist, nach dem Weg. Schließlich erreicht sie das Haus der alten Miss Venable (Jessica Tandy), die eine Annonce wegen einer Vorleserin aufgab. Emily ist etwas zu früh, doch Miss Venable gibt ihr die Stelle und die beiden kommen gut miteinander aus. Einige Tage später wird sie im Hof auf ein lautes Gespräch in einem Haus gegenüber aufmerksam und sieht dort am Fenster den Mann, der ihr kürzlich den Weg zu finden half, und Ray Salwen…
“We're oil and water, Cochran.” - “Not last night we weren't.” Der Thriller Das Haus in der Carroll Street ist ein Werk des Regisseurs Peter Yates, zugleich dasjenige des Autors Walter Bernstein, Jahrgang 1919. Letzterer debütierte mit der Drehbuchfassung für Bis zur letzten Stunde (USA 1948), ein Film Noir nach einem Roman Gerald Butlers. Bernsteins Name erschien 1950 auf einer schwarzen Liste; er wurde für Hollywoods Filmstudios zur Persona non grata. Allerdings wurde er nicht vom Komitee für unamerikanische Umtriebe mit Berufsverbot belegt, so wie Dalton Trumbo und Albert Maltz, die je eine Haftstrafe verbüßten, oder die Regisseure Joseph Losey und Jules Dassin. Faktisch schrieb Bernstein während der 50er Jahre weiterhin unter Pseudonym und nur mehr fürs Fernsehen. Die ersten 8 Minuten von Das Haus in der Carroll Street zeigen die Sitzung des Komitees, das Walter Bernstein erst Ende der Fünfziger vorlud, und sie sind ein Musterbeispiel für die Bigiotterie und Verlogenheit der erzreaktionären politischen Elite jener Jahre - wunderbar inszeniert, erstklassig gespielt. Doch Peter Yates’ Thriller war an der Kinokasse ein kapitaler Flop, was in den USA mit den politischen Implikationen zu tun haben mag. Viele US-Amerikaner schätzen die Aufbereitung dunkler Kapitel ihrer Vergangenheit durch die Film- oder generell die Kulturbranche keineswegs. So mancher Kritiker wies auf die Parallelen zur filmischen Handschrift Alfred Hitrchcocks hin, Großmeister klassischen Thrillerkinos und seit Mitte der Siebziger durch Brian de Palma & Co. gern und ausgiebig zitiert. Tatsächlich nutzt Yates die Retro-Kulisse seines Films, den Michael Ballhaus (Die Ehe der Maria Braun, GER 1979) mit teils grandiosen Kamereinastellungen veredelt, um dem klassischen Genre-Kino der 40er und 50er Jahre seine Referenz zu erweisen.
“As thriller plots go, “The House on Carroll Street” is fairly old-fashioned, which is one of its merits”, schreibt Roger Ebert für die Chicago Tribune, der dem Film im Übrigen ein wohlwollendes Zeugnis ausstellt. Für mich liegt ein Problem darin, dass Yates und Bernstein mit dem Versprechen der ersten 8 Minuten nicht Ernst machen. Der Plot ist von hohem Interesse. Nicht zuletzt Steven Soderbergh hat sich für seinen ebenfalls viel gescholtenen The Good German (USA 2006) an der Thematik versucht. Aber zuviel Zeit wird auf die Liaison zwischen Mike Cochran und Emily Crane verwendet. Doch letztere erscheint mit Blick aufs Wespennest, darin sie stochert, allzu naiv. Ersterer ist im Rekurs auf seine Funktion und die damit verbundene Arbeit, sowohl zu romantisch als auch zu idealistisch. Dem Film von Yates und Bernstein, der so viele gute Ansätze zeigt und ein opulent inszeniertes Finale in New Yorks Grand Central Station sein eigen nennt, wäre es gut bekommen, hätten sich die beiden kreativen Köpfe etwas mehr Film Noir und etwas weniger Huldigung ans Wohlfühlkino der 50er Jahre zugetraut. So bleibt er ein vielschichtiges und leider zu artiges Drama, das zwar ganz schön, zwischenzeitlich aber auch schön langweilig ist. Zugleich ist Das Haus in der Carroll Street für mich genau die Art Film, bei dem der Cineast und Film-Noir-Freund dieses Resümee über dessen Ende hinaus bedauert.
Gute DVD-Edition (2005) der MGM Home Entertainment Deutschland GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, Tonspuren auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch und Spanisch, optional Untertitel auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch und Niederländisch, das Ganze ohne Extras.