Neo Noir
| USA
| 2014
| William Monahan
| Rupert Wyatt
| Domenick Lombardozzi
| Emory Cohen
| George Kennedy
| John Goodman
| Leland Orser
| Mark Wahlberg
| Michael Kenneth Williams
| Jessica Lange
Bewertung
****
Originaltitel
The Gambler
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
2014
Darsteller
Mark Wahlberg, Brie Larson, Michael Kenneth Williams, John Goodman, Jessica Lange
Regie
Rupert Wyatt
Farbe
Farbe
Laufzeit
106 min
Bildformat
Widescreen
© Paramount Pictures Corporation
Los Angeles: Am Sterbebett seines Großvaters Ed Bennett (George Kennedy) erfährt dessen Enkel Jim (Mark Wahlberg), dass jener ihm nichts zu vermachen gedenkt, da er in seinen Geschäftssinn keinerlei Vertrauen, für seine Sonderrolle in der Familie dennoch viel Sympathie übrig hat. Jim Bennett ist Professor für Literatur und Spross einer reichen Familie, darin sein leiblicher Vater nie eine Rolle spielte. Auch bei Eds Beerdigung ist es Jims Mutter Roberta (Jessica Lange), welche die Bühne beherrscht und als steinreiche Tochter und Erbin keinen Widerspruch duldet… Ihr Sohn Jim führt ein Doppelleben und ist nachts in illegalen Spielhöllen unterwegs, wo die Berufszocker bei Blackjack und am Roulettetisch um immens hohe Einsätze wetten. Heute lässt sich Jim Bennett in einem koreanischen Etablissement 10.000 US-Dollar in Chips wechseln und hat beim Blackjack unerhörtes Glück, das er jedoch nicht zu schätzen weiß, da er immer wieder um alles spielt, bis der Croupier (Chil Kong) schließlich alles einstreicht. Dass seine Studentin Amy Philips (Brie Larson), die hier als Kellnerin arbeitet, Zeugin seines manischen Tuns wird, scheint er gar nicht wahrzunehmen. Bei Mr. Lee (Alvin Ing), dem Inhaber des Lokals, hat der Professor für Literatur bereits 240.000 US-Dollar Wettschulden; Kredit bekommt er keinen. So wendet sich Bennett, der mit dem Spiel partout nicht aufhören kann, schließlich an den Gangster Neville Baraka (Michael Kenneth Williams). Doch dessen Konditionen sind hart und womöglich gefährlich…
„Der lakonische Erzählton und die entsättigten Farben machen “The Gambler“ zu einem modernen Film noir“, liest man in der Filmbesprechung von Cinema.de. Doch gemessen an der teils harschen Kritik, die der Film in den USA einstecken musste, ist erstaunlich, was für ein dichtes und komplex intensives Drama The Gambler tatsächlich ist, das auch in Europa kaum eine positive Aufnahme fand. The Gambler ist das Remake von Karel Reisz’ wunderbarem Spieler ohne Skrupel (USA 1974) - im Original gleichfalls The Gambler - mit James Caan und Lauren Hutton in den Hauptrollen. Mark Wahlberg wiederum ist ein Schauspieler, der ein wenig Freiraum und zugleich Herausforderung braucht, um aufzublühen. In The Gambler steht Wahlberg ganz im Zentrum der Filmhandlung, mit Sicherheit ein Risiko, aber zu meinem Erstaunen trägt er den Film mit Bravour. Den positiven Gesamteindruck rundet das Ensemble aller Darsteller in Nebenrollen, die erstklassige Leistungen zeigen – zuvorderst Michael Kenneth Williams und John Goodman als zwielichtige, skrupellose Kredithaie. Brie Larson, in Rampart - Cop außer Kontrolle (USA 2011) noch die 16jährige Tochter Helen des mörderischen Polizisten David Douglas Brown (Woody Harrelson), ist exquisit in ihrer Rolle, ebenso ist es Jessica Lange als Roberta Bennett, Jims von Stolz, Status und Mutterliebe zerfressenes Ungetüm einer Mutter. Das Casting hätte kaum für meinen Geschmack kaum besser ausfallen können. Rupert Wyatts klassische Inszenierung lässt sich aufs Beziehungsgeflecht ihrer Rollencharaktere rückhaltlos ein und kostet deren Aromen in den Dialogen voll aus.
“A wise man's life is based around fuck you. The United States of America is based on fuck you.” Mehr als nur der Ton der Erzählung sind es die Dialogzeilen selbst, die an den klassischen Film Noir der 40er und 50er Jahre erinnern. Was wäre dieser Filmstil trotz seiner Kameratradition und seiner Tabubrüche in Themen, die er den kriminalistischen Sozialdramen der Dreißiger verdankt, was wäre der Film Noir ohne seine Sprache? Der Literaturprofessor Jim Bennett doziert über Shakespeare und Camus, und was in vielen anderen Filmdramen aus Hollywood zur Peinlichkeit gerät, erweist sich in The Gambler als erstaunlich triftig und provokant. Mark Wahlberg ist ein Mann mit einer elend langen Liste schlechter Filme im Lebenslauf, von Tim Burtons Planet der Affen (USA 2001) über James Grays Helden der Nacht (USA 2007) bis zu Transformers 4: Ära des Untergangs (USA/CHN 2014). Doch sein Publikum will ihn genau dort sehen, inmitten lächerlicher Action-Szenarien oder mit patriotischem Sendungsbewusstsein. Wahlberg wählte The Gambler allerdings bewusst, unterzog sich langwieriger Vorbereitungen, nahm 27 Kilogramm ab und ließ wissen, dass die Rolle Jim Bennetts die anspruchvollste sei, die er je gespielt habe. Ursprünglich ein Prokjekt Martin Scorseses übernahm schließlich Rupert Wyatt die Regie. Bei Die Nacht von Soho (USA 1992) war Martin Scorsese seinerzeit durch den Produzenten Irwin Winkler als Regisseur ersetzt worden. Für Drehbuchautor William Monahan bedeutet The Gambler nach dessen missglücktem Regiedebüt London Boulevard (USA/UK 2010) allemal einen Aufschwung. Folglich empfehlenswert und das trotz eines vorhersehbar konservativen und nicht dem Original von Karel Reisz entsprechenden Endes, das dieses Werk damit nicht zum Kultfilm oder zum Klassiker prädestiniert.
Die deutsche BD- bzw. DVD- Edition (2015) der Paramount Home Entertainment GmbH präsentiert den Film in einer bild- und tontechnisch exzellenten Qualität, ungekürzt im Originalformat mit wahlweise dem original englischen oder deutschen Ton, dazu optional Untertitel auf Deutsch oder Englisch, mit geschnittenen Szenen und mit dem Feature Mr. Self Destruct: Hinter den Kulissen von The Gambler als Extras.