Bewertung
***
Originaltitel
Yeh Saali Zindagi
Kategorie
Neo Noir
Land
IND
Erscheinungsjahr
2011
Darsteller
Irrfan Khan, Chitrangda Singh, Arunoday Singh, Aditi Rao Hydari, Saurabh Shukla
Regie
Sudhir Mishra
Farbe
Farbe + s/w
Laufzeit
128 min
Bildformat
Widescreen
New Dehli, Indien: Arun (Irrfan Khan) und und seine Geliebte, die Sängerin Priti (Chitrangda Singh), sind an einem Quai im Hafen, als Arun merkt, dass aus seinem Hosenbein Blut tropft. Er wurde angeschossen, mitten in die Brust, und als er in die Knie geht, hört er die Stimmen seiner Vergangenheit und erinnert sich… Arun war das Finanzgenie des Gangsters Mehta (Saurabh Shukla) und dafür verantwortlich, Schulden einzutreiben und das schmutzige Geld von Mehtas Kunden, Drogen- und Waffenhändlern, in komplexen Finanztransaktionen sowohl zu vermehren als auch reinzuwaschen. Aber kürzlich war Arun mit seinem Chef in ernsthafte Konflikte geraten, denn er fühlte sich von Mehta ausgebeutet, dessen enormer Geschäftserfolg fast gänzlich auf Aruns Können beruhte, der es jedoch an einer adäquaten Beteiligung fehlen ließ. Mehta wiederum machte Aruns Liebe zu Priti, die er für ein großes Übel im Leben seines Miarbeiters hielt, für Aruns Geldgier und Illoyalität verantwortlich. Und als Arun Mehta die Zusammenarbeit verweigerte, griff dieser zu drastischen Mitteln… Im Sihar-Gefängnis ist Kuldeep (Arundoy Singh) inhaftiert und er muss sich mit Füßen und Fäusten der Spötter zu erwehren, die seine junge Frau Shanti (Aditi Rao Hydari) nach zwei Jahren ohne ihn in den Armen eines Anderen wähnen. Doch Kuldeep kommt in Kürze frei und womöglich kann ihm der im Gefängnis inhaftierte Gangsterboss Bade (Yashpal Sharma) dabei behilflich sein, wieder zu Geld und Ansehen zu kommen. Doch hier hat auch Inspektor Satbeer (Sushant Singh), ein Gefolgsmann Bades, seine Finger im Spiel…
“Bollywood’s neo-noir storytellers are re-imagining Hindi cinema’s moral landscape in exciting, if shocking, new ways”, schrieb Saibal Chatterjee 2011 für die indische Tageszeitung The Tribune über einen Wandel in der weltgrößten Filmwirtschaft. Doch leider ist zumindest dieser teils harsche und dunkle Neo-Noir-Thriller Sudhir Mishras trotz seiner fulminanten Bildersprache, trotz wunderbarer Schauspieler und einer überbordenden Fülle an Ideen und an pittoresken Schauplätzen nicht in der ersten Liga angekommen. Zwei Gründe sind hierfür offensichtlich. Zum ersten lässt das Drehbuch nach jeder unerwarteten Wendung der Handlung im Nu eine noch größere, noch erstaunlichere Überraschung die Geschicke der Protagonisten ins Chaos stürzen. Auf einer Strecke von über zwei Stunden überfrachtet es den Film nicht nur, sondern führt ihn ad absurdum. In den finalen 20 Minuten ist zumindest der Zuschauer westlicher Prägung nicht geneigt, hier noch irgendetwas ernst zu nehmen. Zwar bleibt das mit schwarzem Humor gewürzte Werk seinem Thrillerplot verpflichtet und macht sich nicht aufs Feld der schwarzen Komödie davon. Aber genau deshalb sind das Finale und der Schluss eine Märchenstunde für Erwachsene, nämlich Action-Eskapismus einer Traumfabrik, die sich den Erwartungen ihres Publikums verpflichtet sieht und deren Sehnsucht nach Heldentum und Happy End mundgerecht bedient.
”There is not much difference between a woman and a bullet. They’re both destined to tear your heart apart.” Es gibt einen Erzähler, aus dem Off, eine Femme fatale und einen tragischen Helden, der sorgfältig aufgebaut und über die Erzählerstimme und die Texte musikalischer Begleitung auch in seinerm Innenleben reflektiert wird. Aber in der Schlussphase ist er schlicht “der Held“, dessen Amoralität und raumgreifender Materialismus einem “guten“ Zweck dienen, dass nämlich die Liebenden sorgenfrei in ihre rosengebettete Zukunft entfleuchen. Der Reizpunkt im Handlungsverlauf von Yeh Saali Zindagi, dass nämlich alle Figuren nur aus Gier und Machtinteressen und materialistischen Motiven kooperieren oder verfeindet sind, dass sie undurchschaubare Spieler bleiben, sei es in der Politik und im Geschäft (beides mit dem Verbrechen verwoben) oder aber in der Liebe, letztlich ebenso mit den erstegenannten verknüpft, wird banalisiert. Die Romantik wurzelt im Reiz von Pracht und Luxus, sie gedeiht zwischen Zahlenreihen ausländischer Bankkonten, wo die Hingabe dann eine umso größere ist. Auf dem Weg dorthin lässt der Film viele Figuren auf der Strecke, wenn er sie nicht mehr braucht, oder stellt die Habenichtse als feige bloß, damit außer ihrem blanken Nichthaben noch ein ethisch-moralischer Grund ihre Unwürdigkeit für die eine große romantische Liebe belegt. Kurzum, Gut und Böse werden initialisiert, die zwar alle vom Mamon besessene Betrüger/innen sind, doch die Guten voll Liebe und Herzeleid, die sie zum Treueschwur verpflichten. Die Enttäuschung für den Zuschauer besteht darin, dass eine reizvoll verschachtelte Erzählung über 100 Minuten hinweg somit weit mehr vespricht, als sie letztlich hält.
Es gibt eine exzellente indische DVD-Edition (2011), die den Film ungekürzt im Originalformat mit der originalen Tonspur auf Hindi und mit englischen Unterteln präsentiert, bildtechnisch topp und ohne Extras.