Götz George, Corinna Harfouch, Tim Bergmann, Barbara Auer, Barbara Rudnik
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© Universum Film GmbH
Berlin, Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland: Im Apartment eines Neubaus wischt die Hand einer Frau im Badezimmer Blut von einer Klarinette, indessen die Leiche des Musikers Georg Steinmann (Joachim Dietmar Mues) nackt im Bett in einer Lache seines Blutes liegt… Der Kriminalkommissar Bernhard Komani (Götz George), Beamter der Mordkommission, leitet in Vertretung eines Kollegen der Sitte den Einsatz einer bewaffneten Einheit in einem Pflegeheim, wo die Polizisten die Leiterin (Rita Russek) und mehrere Zuhälter samt ihren osteuropäischen Nutten festnehmen, welche zur Stunde den greisen Herren in deren Zimmern das Leben versüßen. Komani und sein Kollege Freddie Bahlo (Tim Bergmann) haben alle Hände voll zu tun, die Damen in die bereitstehenden Mannschaftswagen zu verfrachten. Eine namens Jolantha (Miranda Toma) wirft Freddie einen Teddybären zu und macht ihm schöne Augen, und jener zeigt sich beeindruckt. Als Bernie Komani sich auf den Heimweg zu seiner Frau Lydia (Barbara Auer) und ihrem gemeinsamen Sohn Theo (Tobias Schenke) begibt, ist es spät in der Nacht. In 651 Mordfällen hat er in 21 Dienstjahren die Ermittlungen geleitet und davon 458 aufgeklärt. Er liebt seinen Job, aber er fühlt sich leer und müde… Als er ins Schlafzimmer kommt, sieht er den 14-jährigen Theo neben seiner Mutter im Bett liegen, doch als er sich im Einzelbett gegenüber einzurichten versucht, wacht der Junge auf und schreit ihn an, und auch Lydia beklagt sich bei ihm über die Ruhestörung…
„Hofmann leidet unter Ideenarmut und einer Erzählschwäche, die seinen Film zum geschwätzigen, bebilderten Hörspiel werden läßt. Weil er die Mittel des Kinos nicht einsetzen kann, um etwas zu sagen, muß alles Wesentliche dauernd von den Dialogen geliefert werden“, resümiert Thomas Willmann für Artechock über diese Adaption von Elsa Lewins in New York angesiedeltem Roman I, Anna (EA 1984, auf Deutsch 1989 als Solo für Klarinette), welche die Handlung nach Berlin verlegt. Um die Dramatik im Sinne eines bundesdeutschen Kinoerlebens zuzuspitzen, hat Drehbuchautorin Susanne Schneider auch sonst einiges in veränderter Form in das Filmskript transferiert, und das Ergebnis wird von Willmann zu 100 % zutreffend beschrieben. Solo für Klarinette erleidet auf ganzer Linie Schiffbruch, reiht sich ein in jene schier endlose Abfolge deutscher Kinoproduktionen aller Genres, die bis auf Ausnahmen seit Jahrzehnten nicht an internationales Niveau anschließen können. Was hier von der ersten bis zur letzten Szene an Klischees und aufgepumptem Over-Acting serviert wird, ist grotesk. Der ausgebrannte Bulle der Mordkommission, der seinen Job selbstredend liebt und fast 75 % seiner Fälle aufzuklären wusste, dessen Ehe und Familienleben völlig heruntergewirtschaftet sind, da sein Sohn Theo – von Tobias Schenke maßlos übertrieben verkörpert – ihn hasst und Ehefrau Lydia nur Vorwürfe für ihn übrig hat, der durch den eigenen Schwager (Christian Redl) vom Dienst suspendiert wird, sich in Anna Weller (Corinna Harfouch), die psychisch labile Hauptverdächtige eines Mordfalls, verliebt und mit ihr in eine stürmische Beziehung taumelt… Alles das wird uns von Nico Hofmann, Götz George und Co. in einer Weise serviert, als ob solcher Stoff eine Tragödie William Shakespeares sei. Damit es auch jeder Hinterwäldler mitbekommt, wird die Klaviatur der Seelenqualen all solcher grenzgängerischen Neurotiker und geschundenen Egoisten, die der Film beheimatet, hoch und runter gespielt. Das Resultat ist kein Meisterstück, das im Angesicht der Abgründe und des Elends menschlicher Existenz dessen Größe und Tragik zelebriert, wie es sich Produzenten, Regisseur und Drehbuchautorin wohl dachten, sondern eine Tontraube, die schrill und statisch bleibt, enervierend gleichförmig und in letzter Konsequenz langweilig. Die Welt in Solo für Klarinette ist so kalt, dass sie einen völlig kalt lässt.
Demgegenüber beinhaltet das Werk einiges an Potential, vor allem wenn Kameramann Hans-Günther Bücking (Blackout – Die Erinnerung ist tödlich, GER 2006) die Stadt Berlin in tristen und doch stimmungsvollen Bildern einfängt, die uns eine Metropole zeigen, die so längst nicht existiert. Bücking lässt die Produktion richtig hochwertig aussehen, gibt dem Krimi das Bühnenbild für einen waschechten Neo Noir, und ein Neo Noir ist Nico Hofmanns Film tatsächlich. Aber so sehr er Claude Berris Am Rande der Nacht (FRA 1983), Abel Ferraras Bad Lieutenant (USA 1992), Paul Verhoevens Basic Instinct (FRA/USA 1992), John Baileys China Moon (USA 1994) oder André Téchinés Diebe der Nacht (FRA 1996) benachbart liegt, so eindeutig sind all diese Filme Solo für Klarinette überlegen. Wenn Bernie Komani im Berliner Völkerkundemuseum der für die Führung einer Schulklasse zuständigen Anna Weller hinterher spioniert, welche die Jugend durch eine Ausstellung zur Südsee leitet, findet plötzlich doch Kino statt, lassen Drehbuch und Regie das Gezeter und Geschrei verstummen. Aber noch bevor man auf einen Kurswechsel zu hoffen wagte, hebt es wieder an… Vierzehn Jahre später verfilmte auch Barnaby Southcombe Elsa Lewins Roman unter dessen Originaltitel I, Anna (UK/GER/FRA 2012) in London und mit zwar Gabriel Byrne und Charlotte Rampling in den Hauptrollen. Wie die zuvor genannten Filme sticht auch er Hofmanns Solo für Klarinette locker aus, welcher trotz seiner Härten und der Freizügigkeit längst anachronistisch wirkt.
Von Solo für Klarinette gibt es eine bild- und tontechnisch erstklassige DVD (2013) der Universum Film GmbH, München, mit dem Film ungekürzt im Originalformat ohne jegliche Untertitel und mit einem Behind The Scenes, mit dem Kinotrailer und mit einigen Interviews als Extras.