Eric Roberts, Joaquim de Almeida, James McManus, Victor Rivers, Tara Crespo
Außerhalb eines Dorfes nahe Santiago, Mexiko, steht eine verwaiste Hütte, die von dem US-Amerikaner Walter Pool (Eric Roberts) bewohnt wird. Er hat seine Heimat verlassen und sich hierher begeben, um einen Roman zu schreiben. Doch auf der Schreibmaschine hat sich bereits der Wüstenstaub abgesetzt, indessen Pool seinen x-ten Rausch ausschläft. Längst ist die Sonne aufgegangen, als der Mann vom Sirren und Zirpen der Insekten, das in seinem Kopf zu dröhnen scheint, aus einem unruhigen Schlaf erwacht. Im Laufschritt begibt er sich in das nahegelegene Dorf, dessen Bewohner ihn entweder belustigt oder angewidert mustern, denn der unrasierte Gringo mit der angebrochenen Brille ist dort schon bekannt. In der heißen Mittagsstunde sitzt er in der Cantina und lässt sich von Manuel (Enrique Renaldo), der ihn auf eigene Kosten bewirtet, gleich vier Flaschen Bier auf den Tisch stellen. Und der von der Hitze und seinem Suff stets angeschlagene Pool lässt sich nicht lange bitten und trinkt. Irgendwann ist er auf der Tischplatte liegend eingeschlafen, doch als einige Gäste eintreffen, erwacht er und schnappt sich seine Brille. Er sieht einen Einheimischen (Michael Peña) in Lederjackett und im hoch geschlossenen, weißen Hemd samt Bolo Tie, der trotz der vorgerückten Stunde eine Sonnenbrille trägt und an einer Säule lehnend ihn geradewegs beobachtet. Indessen begrüßt Manuel den Gangster José Guerra (Joaquim de Almeida) und spricht, da jener vor kurzem durch ein Attentat seinen Sohn verlor, ihm sein Beileid aus…
“This watchable neo-noir tale is all style and not much on substance. The intense acting and the quirky dialogue (…) enable the film to be entertaining in a nuanced way”, schreibt Dennis Schwartz, und ich kann ihm halbwegs zustimmen. Halbwegs meint im Zusammenhang, dass die Dialoge zwischen pointiert und geschwollen wechseln. In dieser Hinsicht erweist sich das Drehbuch von James McManus (The Big Empty, USA 1997) als inkonsistent, denn viele der aphoristischen Weisheiten und überbordenden Metaphern, die womöglich ironisch verstanden werden sollen, wirken im Kontext grotesk oder banal. Zugleich ist die B-Produktion als Charakterstudie spürbar ambitioniert und verzeichnet mit Eric Roberts (The Nature Of The Beast, CAN 1995) genau den richtigen Darsteller für die Rolle des in jeglicher Hinsicht gestrandeten Möchtegern-Schriftstellers Walter Pool. Dessen Pathos und unablässige Nabelschau nerven einerseits, andererseits berührt seine Sehnsucht nach der hübschen Lourdes Aguirre (Tara Crespo), die er in einem Moment der eigenen Läuterung und Wandlung anzusprechen und deren Liebe er zu gewinnen hofft, die Zuschauer auch. Der Filmkritiker Roger Ebert nennt in der Besprechung von Jack Perez‘ Film zum Vergleich Sam Peckinpahs Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (USA/MEX 1974) mit Warren Oates als einem ähnlichen Rollencharakter in einer vergleichbaren Situation. Schwartz erwähnt in seiner o.a. Rezension gar Malcolm Lowrys in Mexiko spielenden Roman Unter dem Vulkan (EA 1947) über den selbstdestruktiven Alkoholiker Geoffrey Firmin, einen britischen Konsul, das Buch ein Klassiker der Weltliteratur. Nun, La Cucaracha spielt in einer anderen Liga, ist teils aber unterhaltsam.
“You’re like so many... You run away from a regular life and then yearn for it." Seine Qualitäten verdankt der Film Eric Roberts, welcher der Figur Walter Pool allemal viele Facetten verleiht. Neben ihm sind die meisten anderen Darsteller und Darstellerinnen ebenfalls kompetent, obgleich ich, so erging es mir schon bei The Big Empty (USA 1997), mit James McManus‘ Schauspieltalent doch hadere. Sowohl das Drehbuch, darin eine vermeintlich tiefsinnige Lebensbeichte sich an die nächste reiht, als auch die Dramaturgie seitens der Regie, die Jack Perez trotz guten Gespürs für Drehorte und Schauwerte vieles zu statisch und zu dialoglastig inszenieren lässt, sind von Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Anders gesagt: Hin und wieder wird es zäh; die Zuschauer finden sich in einer Wartestellung und scharren mit den Hufen. Wer sich als Freund des Film Noirs und des Neo Noirs gern in entlegene Regionen mehr oder minder vergessener B-Produktionen bewegt, dem rate ich von La Cucaracha – auf Deutsch Die Kakerlake – nicht unbedingt ab. Wer demgegenüber einen spannenden und zupackenden Neo Noir mit einem (waschechten) Antihelden sehen will, greift besser zu Michael Apteds Der aus der Hölle kam (UK 1977), zu Sam Raimis Ein einfacher Plan (FRA/UK/GER/USA/JPN 1998) oder zu Matteo Garrones Dogman (ITA/FRA 2018).
Trotz seiner Obskurität ist La Cucaracha weltweit häufig auf DVD erschienen, in den USA via Paramount Home Video (1999) mit der original englischen Tonspur, optional englischen oder spanischen Untertiteln, allerdings im falschen Bildformat, nämlich Vollbild 4:3 anstatt Widescreen 1.85:1. Zwei deutsche DVD-Editionen von Best Entertainment (2005) und von Power Station (2008) bringen den Film ungekürzt und im Originalformat und mit der englischen Tonspur und wahlweise sogar mit einer deutschen Synchronisation.