Scott Glenn, Andrew McCarthy, Janet Gunn, Wayne Newton, John Glover
Las Vegas, Nevada: Es ist Abend und schon dunkel, als im Wohnwagen des Taxifahrers Jerry Logan (Andrew McCarthy) der Wecker klingelt, jener sich aufrafft und aus einer Tablettenbox eine Handvoll Pillen mit einem Softdrink aus dem Kühlschrank runterspült. Sichtlich verkatert steigt Logan in sein gelbes Jack Pot Taxi Cab, einen 1991er Dodge Diplomat, und fährt, nachdem er in einem Imbisslokal einen Bagel aß und eine Zigarette rauchte, vom Tropicana Mobil Park auf die East Fremont Street in Downtown Las Vegas, wo er gegenüber dem Pioneer Club auf dem Standstreifen zum Stehen kommt. Ein Obdachloser (Alex Zonn) schlurft über die Straße, der immer dieselbe Strophe singt, und Logan blickt erschrocken, erkennt er in dem verwahrlosten Mann doch ein wenig sich selbst. Da sieht er einen Mann im braunen Anzug (Matthew Laurance) mit einem Aktenkoffer in der Hand hektisch durch den Verkehr auf ihn zulaufen. Der nervöse Fremde erkundigt sich, ob sein Taxi frei wäre und Logan bejaht, woraufhin der Fahrgast auf der Rückbank Platz nimmt und ihn zum McCarran International Airport dirigiert, wo er um halb zehn einen Flug nähme. Logan gibt zu verstehen, dass er dafür genügend Zeit habe, doch der Mann bietet ihm 100 US-Dollar, damit er Gas gibt und sich beeilt. Längst wird das Taxi jedoch von einem 1986er Lincoln Town Car verfolgt. Von dessen Beifahrer (Carl Ciarfalio) werden Schüsse abgegeben, welche Logans Heckscheibe zerbersten lassen. Der Mann auf seiner Rückbank zückt nun selbst eine Pistole…
“Night of the Running Man is a compelling mix of neo-noir and chase thriller (…) Andrew McCarthy stars as downtrodden Vegas cabbie Jerry Logan: a trailer-dwelling, chain-smoking, bar-hopping ghost of a person”, fasst Matty Budrewicz für The Schlock Pit mit Humor für die Darstellung des notorischen Losers Logan durch Andrew McCarthy zusammen. Aber das war es auch, was ich zumindest zu Beginn an dem Film schätzen konnte, obgleich ich die Darstellung des eiskalten Auftragsmörders David Eckhart durch Scott Glenn, für eine solche Rolle ebenso geeignet wie etwa Lance Henriksen, auch anerkennen und genießen konnte. Glenn ist die eindeutig beste Wahl für die Besetzungsliste, ihm gebührt die erste Stelle darin. Zum Plot: Auf der Rückbank seines Taxis findet Jerry Logan einen Aktenkoffer mit 1 Million US-Dollar, welches sein inzwischen toter Fahrgast Eric Nichols (Matthew Laurance) dem Geschäftsführer des Pioneer Clubs Al Chambers (Peter Iacangelo) zu stehlen versuchte. Chambers gehört das Geld aber auch nicht. Er wollte es seinerseits unterschlagen und seinen Arbeitgeber August Gurino (Wayne Newton), Inhaber des Casinos, übers Ohr hauen. Also heuert Chambers David Eckhardt an, um Jerry Logan seine Million wieder abzuknöpfen… Wem das teils bekannt vorkommt, dem sei gesagt: Die erste Hälfte der 90er Jahre war das Zeitalter, als Drehbuchautor und Regisseur Quentin Tarantino das US-amerikanische Thrillerkino in eine neue Dekade führte. Wenn Jerry Logan nach fast einer Stunde im Film in Los Angeles, Kalifornien, auf Krankenschwester Chris Altman (Janet Gunn) trifft, sind wir endgültig bei einem Rip-Off von Tony Scotts True Romance (USA/FRA 1993) angelangt, auf das der Film bis dahin hinarbeitet. Dessen Drehbuch stammte aus der Feder Quentin Tarantinos, und es zeichnete sich wie seine Regiearbeit Pulp Fiction (USA 1994) durch harte Gewalt sowie empathielose und wie aus Comic Strips importierte Figuren aus. Zugleich ist Mark L. Lesters Film eine Adaption des gleichnamigen Kriminalromans (EA 1981) von Lee Wells, der auch das Drehbuch schrieb. Allerdings ist die Flucht mit dem Geldkoffer alles andere als neu. Bereits Byron Haskins Film Noir Der blonde Tiger (USA 1948) brachte das Konzept auf den Punkt. Auch Sam Peckinpahs Getaway (USA 1972), Colin Buckseys Blue Money (UK 1985) oder Roger Donaldsons White Sands – Der große Deal (USA 1992) waren in dem Fahrwasser angesiedelt. Nur machten all die Produktionen ihre Sache lange vor Tarantino besser als Lesters epigonales Trash-Opus.
„Die Spannung kommt (…) nur auf ein durchschnittliches Maß, da man eh den Ausgang der Geschichte ahnt (…) Zudem ist Jerry leider auch eine reichlich profillose Figur, über die man so gut wie gar nichts erfährt“, schreibt Nils Bothmann für Actionfreunde.de und mehr muss man nicht hinzufügen. Das Schauspiel ist durchschnittlich, die Rollencharaktere sind klischeehaft und Lesters Inszenierung gemahnt an TV-Standards oder B-Ware für die Videothek, wo der Film international fast überall landete. Außer Scott Glenns Verkörperung des Berufskillers gibt es wirklich nichts, was dieses Werk sehenswert erscheinen ließe. Auch sein Finale und die Schlusssequenz sind dermaßen 08/15, dass spätestens hier offensichtlich wird, wie Lester offenbar mit Fortschreiten der Handlung das Interesse am Film verlor. Co-Star John Glover, welcher einen in Los Angeles ansässigen Kollegen Eckharts mimt, der ihm Schützenhilfe gibt, bezeichnete den Film später selbst als lausig.
Von NMS REcords gibt es eine jeweils gut editierte deutsche BD- und DVD-Ausgabe (2018) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch exzellent, dazu die original englische Tonspur und eine deutsche Synchronisation, im deutschen Kino lief das Werk allerdings nie, das Ganze auch mit Untertiteln auf Englisch oder Deutsch. Als Extras gibt es den internationalen Kinotrailer, das Featurette Running Independent sowie einige Filmografien.